Blicken Sie für einen Augenblick mal rein in eine der täglichen Redaktionskonferenzen: Dort wird diskutiert. Ein Leser hat geschrieben, „die erste Seite gehört den eigentlich wichtigen Themen.“ Solche Hinweise geben Leser öfter. Folglich setzen sich Redakteure gerade wieder einmal mit der Frage auseinander, was die „eigentlich wichtigen Themen“ sind. Einer spricht aus Erfahrung: „Frage fünf Leser und du wirst zehn verschiedene Antworten hören.“
Zumindest der Leser, um den es jetzt geht, hat wissen lassen, was er nicht ganz vorne will: „Familiendramen und Verkehrsunfälle.“ Und einige der zehn Tagesverantwortlichen in der Konferenz, geleitet vom Chefredakteur, teilen des Lesers Meinung. Es wäre genug gewesen, so sagt eine Redakteurin, die Familiendramen von Erlabrunn und Repperndorf im Inneren abzudrucken. Sogenannte kurze Anreißmeldungen auf dem Titel hätten auf die Berichterstattung im Innenteil hinweisen können.
Ein Kollege argumentiert dagegen und nimmt anders lautende Zuschriften aus der Leserschaft zu Hilfe. Sie empfinden es als überflüssig, auf der Titelseite die Entwicklungen und Ereignisse nachlesen zu müssen, die tags zuvor schon über Funk, TV oder Internet verbreitet wurden. „Eine Zeitung mit Nachrichten, die schon durch sind“, so schrieb jüngst ein Leser, „brauche ich nicht“.
Eine solche Erkenntnis liegt auch unserem redaktionellen Konzept zugrunde: Also sollen gewichtige Ereignisse aus der Region vor allem dann bevorzugt vorne in der Zeitung stehen, wenn sie von wirklich großem öffentlichem Interesse sind. Ereignisse eben, über die eine Tageszeitung aus der Region gewöhnlich am besten informiert ist. Hier liegt ihre Stärke und das betrifft dann auch Familiendramen und Unglücksfälle.
Mit dem kurzen Ausschnitt aus einer Konferenz will ich deutlich machen, dass jeden Tag neu zu entscheiden ist, was auf der Titelseite steht und dass häufig unterschiedliche Vorschläge vorausgehen. Meist findet die Redaktion zu einer gemeinsamen Entscheidung. Im Zweifelsfall spricht der Chefredakteur das letzte Wort. Viel Zeit bleibt nie.
Hat man erst mal darüber geschlafen, kann das die Erkenntnislage der Redaktion schon mal verändern. Zum Beispiel vergangenen Freitag: Die symbolische Fotomontage mit Finanzminister Wolfgang Schäuble, der ob unerwartet kräftiger Steuereinnahmen in Geldscheinen badet, fiel in der Konferenz am Tag danach in Ungnade: Sie vermittle die falsche Botschaft, weil sie über die bleibend hohe Staatsverschuldung hinwegtäusche. Und am Ende war man sich einig: Besser wäre es gewesen, wenn man es nicht so gemacht hätte.