Es trifft eine Lokalzeitung noch immer an ihren Wurzeln, wenn eine Frau fragt:
„Warum gibt es kaum Berichte aus unserer Gemeinde?“
Und die (ich habe nachgeschaut) zählt mehr als 5000 Einwohner. Wörtlich schreibt die Leserin:
"Auch hier geschieht manches, was einen Bericht wert wäre."
Konkret vermisst die Frau in der Zeitung den Besuch von 54 Gästen aus der französischen Partnergemeinde. Mit ihnen hat man 30 Jahre "Jumelage" gefeiert.
Text und Bild verfügbar
Text und Bild darüber waren vom Mitarbeiter gleich an die Redaktion geschickt worden, also dort verfügbar. Ab diesem Zeitpunkt muss der Beitrag für die Veröffentlichung noch redaktionell bearbeitet und platziert werden. Aber eine Woche danach war noch nichts veröffentlicht – nicht gedruckt, nicht digital. So fragt die Frau weiter,
"warum wird unsere Gemeinde so stiefmütterlich behandelt?"
Zuletzt habe sie
"vielleicht ab und zu"
etwas
"in einer Randspalte registriert."
Wäre die Frau Sportleserin, hätte sie mehr gelesen, aber über den örtlichen Fußballverein. Darüber stand einiges stets aktuell im Sportteil. Dort ist freilich nicht der Platz für lokale Festberichte.
Alle drängen in die Zeitung
Den kritischen Fragen der Frau kann man, wenn man will, noch etwas positives für die Lokalzeitung abgewinnen: Dort bleiben Berichte aus dem eigenen Ort wichtig, wirken wie die mediale Existenz-Bestätigung für ein reges örtliches Leben und für das Wirken der darin engagierten Leute. Solcher Bedeutung ist die Redaktion bei der "Jumelage" leider nicht ganz gerecht geworden.
Die redaktionellen Gründe für die Wartezeit erschließen sich interessierten Lesern schwerlich. In Zeiten, in denen Nachrichten in Sekunden um die Welt gehen, sind sie kaum nachzuvollziehen. Vorrang hatte die Redaktion im aktuellen Fall den Berichten aus Schulen gegeben, die noch vor den Pfingstferien erscheinen sollten. Überdies war im Mai die Zahl der Veranstaltungen und Feste bereits riesig, alle drängten damit in die Zeitung. In dem dabei entstandenen Stau von Beiträgen aus vielen Gemeinden und Ortsteilen blieb das Jubiläumsfest mit der Partnergemeinde stecken. Denn der Platz für die Lokalteile, der ist zumindest in der gedruckten Zeitung nicht endlos.
Mit der Redaktion reden
Kommt eine Gemeinde aber insgesamt arg selten in der Zeitung vor, dann sollten Verantwortliche mit der Redaktion reden. Dabei lassen sich Lösungen finden. Vielleicht fehlt ein örtlicher Berichterstatter oder der – meist freier Mitarbeiter – hat nicht genug Zeit, um selbst alles zu erfassen. Möglich ist auch, dass Veranstalter versäumen, ihm oder der Redaktion alle Ereignisse zu melden. Wie auch immer: Jeder Ort sollte angemessen berücksichtigt sein.
Digital wäre es schneller gegangen
Mittlerweile, zehn Tage nach dem Jubiläum, ist der vermisste Jubiläumsbericht endlich erschienen. Die heimgekehrten französischen Freunde mag das auch jetzt noch erfreuen, wenn er sie erreicht. Aber das hätte für alle schneller geschehen können. Hier auf mainpost.de, wo es schier endlos Platz gibt, hätte der Bericht längst digital verbreitet werden können. Was bei Massen-Ereignissen, aber auch bei lokalen Fußballspielen digital topaktuell möglich ist, sollte bei einem lokalen Jubiläumsbericht nicht auf eine so lange Bank geschoben werden - selbst wenn der vielleicht nicht ganz so viele Nutzer und Leser hat. Natürlich erfordern digitale Verbreitungen in seriösen Medien ebenfalls Arbeitsaufwand. Darüber sollte kein Engpass entstehen. Das ist sich eine Lokalzeitung schuldig. Es sollte nicht notwendig sein, dass Partnergemeinden erst gegeneinander Fußball spielen müssen, um zumindest eine aktuelle digitale Veröffentlichung über ihre Tageszeitung zu bekommen. Und die ist nicht ohne Bedeutung, weil auf den Homepages einiger Gemeinden lokale Ereignisse mittlerweile sehr schnell dargestellt werden. Fälle, wie der hier beschriebene, sollten sich nicht oft wiederholen.
Mag sein, dass ein aktueller digitaler Beitrag sogar die Leserin, die der Partnerschaft mit der französischen Gemeinde sehr verbunden ist, einigermaßen versöhnt hätte.
Nachlesen: Frühere Leseranwalt-Kolumnen zur Lokalberichterstattung:

Anton Sahlender
, Leseranwalt