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Journalistische Recherchen in Internet-Netzwerken sind zulässig, Veröffentlichungen fragwürdig

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Journalistische Recherchen in Internet-Netzwerken sind zulässig, Veröffentlichungen fragwürdig

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    Veröffentlichen dürfen sie aber nur das, was keine Rechte verletzt und ethische Grundsätze beachtet. Dazu zitiere ich aus einer Entscheidung des Deutschen Presserates, der Organisation zur freiwilligen Selbstkontrolle gedruckter Medien:

    „Strandfeier wurde ihr zum Verhängnis“, überschreibt 2010 eine Regionalzeitung ihren Internet-Bericht über die Vergewaltigung einer jungen Frau in der Türkei. Man liest, das 17-jährige Opfer stamme aus einem kleinen Ort im Verbreitungsgebiet und absolviere eine Ausbildung zur Justizangestellten. Sie habe in einem sozialen Netzwerk festgehalten: „Stimmung: geliebt. Zwei Tage später: Stimmung: zugeknallt“. Wenige Wochen später sei sie an die türkische Riviera gereist, um Urlaub zu machen. Zu Alkohol gebe sie online ein klares Bekenntnis ab: „Nein“.

    Ein Leser beschwert sich beim Presserat. Die Redaktion habe in einem sozialen Netzwerk recherchiert und verletze dadurch die Privatsphäre der jungen Frau und deren Persönlichkeitsrechte. Soziale Netzwerke seien keine Datenbank für Journalisten, sondern geschützte Bereiche, in denen sich auch Minderjährige frei äußern können.

    Von der Regionalzeitung wird bestätigt, der Redakteur habe tatsächlich auf offene, für jedermann zugängliche Einträge der jungen Frau in sozialen Netzwerken zurückgegriffen. Es gehöre heute zum journalistischen Handwerk, auch im Internet zu recherchieren. Seiner Sorgfaltspflicht sei der Autor nachgekommen. Er habe sich bei der Staatsanwaltschaft vergewissert, dass der Name korrekt und der Internet-Eintrag zweifelsfrei dieser jungen Frau zuzuordnen sei. Die Redaktion habe deren Anonymität aber gewahrt, indem sie kein Foto von ihr gezeigt und ihren Nachnamen im Bericht abgekürzt habe.

    Auch der Presserat entschied, das der Beitrag nicht gegen den Pressekodex verstößt. Es werde kein Persönlichkeitsrecht verletzt, weil die Betroffene nicht für einen erweiterten Personenkreis erkennbar sei. Siehe www.presserat.de (0598/10/1-BA).

    Ich merke an, dass die Rechtsprechung Identifizierbarkeit schon für gegeben hält, wenn ein kleiner Kreis die betroffene Person erkennen kann. Und ich halte es für fragwürdig, Online-Einträge einer Minderjährigen, die aus juristischer Sicht als noch nicht ausreichend einsichtsfähig gilt, in einem Medium zu verbreiten.

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