Kampagne gegen die römisch-katholische Kirche oder Bestrafung der Überbringer schlechter Nachrichten?

„Ich glaube an Gott und an die Medienkritik, beides ist aber schwer fassbar.“ Das sagte vergangene Woche auf einer Journalistentagung mit Mike Hoyt vom Columbia Journalism Review ein renommierter US-Medienkritiker. Gemeint hat er es wohl nicht so wie jener Leser, der unsere „Hochverehrte Redaktion“ handschriftlich wissen lässt, dass er seit Monaten unter deren antikirchlicher Berichterstattung leidet.

Dass die „sprungbereite Feindseligkeit“ mit der diese Redaktion auf die römisch-katholische Kirche einschlage so unerträglich und schmerzhaft sei, dass er diese Zeitung nicht mehr in die Hände nehmen könne. Er kündigt sein Abonnement.

Diese harte Zuschrift zitiere ich stellvertretend für eine Reihe von Kritiken, die dieser Zeitung eine Kampagne gegen die Kirche vorwerfen. Gab es die? Haben wir uns nur mitreißen lassen von den Medien in Deutschland und Europa, wenn es um sexuelle Gewalt und Übergriffe auf Schutzbefohlene ging?

Ich komme beim besten Willen nicht zu diesem Ergebnis. Man konnte in dieser Zeitung viele Informationen über Opfer lesen, um die es zu allererst gehen musste, aber auch ausführliche und sensible Texte über Täter oder das Verhalten kirchlicher Würdenträger. Kaum ein Argument im Sinne der Kirche war ausgelassen. So kam Würzburgs Bischof in einem ganzseitigen Interview zu Wort. Für Verfehlungen in anderen Institutionen finden sich ebenfalls Veröffentlichungen.

Bei meiner Ursachenforschung riskiere ich den Versuch, mich in enttäuschte Gläubige wie unseren Abbesteller hineinzuversetzen. Deren Lebensweg bestimmt stark ihr Glaube. Der ist nicht zu trennen von Kirche und Geistlichkeit, die für sie über jeden Zweifel erhaben sind. Genau der konnte sich beim Zeitunglesen nun einschleichen.

Es ist aber nicht Absicht der Redaktion, Menschen ihrer Orientierung zu berauben. Im Gegenteil: Nahezu vor jeder der Veröffentlichungen wurde auch darüber diskutiert. Was danach gedruckt wurde, erfüllt – selbst wenn ich nicht jede Formulierung auf den Prüfstand stellen kann – strenge ethische Vorgaben. Von Journalisten wurde nichts erfunden oder hinzugefügt. Verschweigen oder Verharmlosen verbietet sich für sie. Die ausführliche Berichterstattung über Gewalt und sexuelle Übergriffe in kirchlichen Einrichtungen war wegen deren Bedeutung und der hohen moralischen Ansprüche von öffentlichem Interesse. Und Kirchenportale dürfen für die Pressefreiheit nicht verschlossen bleiben.

Ich glaube, den klassischen Fall zu erkennen, dass die Überbringer schlechter Nachrichten bestraft werden, nicht die Verursacher. Doch egal was Journalisten glauben, sie müssen auch diese Kritik ertragen, selbst wenn sie – wie Mike Hoyt es gesagt hat – schwer fassbar ist.

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