Mona Lisa lächelt. Man könnte meinen, das linke Foto aus dem von Leonardo da Vinci geschaffenen Bild, das im Pariser Louvre hängt, zeige das weltberühmte Renaissance-Gemälde komplett. Dieser Eindruck konnte am Freitag, 19. August (Seite 14), bei der Veröffentlichung dieses linken Bildausschnitts entstehen. Er illustrierte einen Beitrag über den Raub des Werkes im Jahre 1911. Kenner haben sofort bemerkt, dass Mona Lisas Hände als Bestandteil des Gemäldes fehlen. Das rechte Foto zeigt zum Vergleich das Kunstwerk unbeschnitten.
Nun wurde hinterher darüber gestritten, ob es vertretbar ist, Da Vincis Kunst in der Redaktion der Hände zu berauben. Urheberrechtlich betrachtet, gibt es dagegen längst nichts mehr einzuwenden. Also gab es Stimmen, denen es ausreichte, dass jeder noch leicht die Mona Lisa erkennt: Der Schnitt sei belanglos.
Ich teile diese Ansicht nicht. Wenn Redaktionen Kunstwerke verändern oder beschneiden, sollte es dafür einen nachvollziehbaren Grund geben, der sich aus der Nachricht erschließt. Oder die Veränderung muss dem Leser erklärt werden. Beides war nicht der Fall.
Die Hände wurden eingespart, weil auf der Zeitungsseite kein Platz mehr für sie blieb. Die unvollständige Bild-Botschaft, dass es sich um das Gemälde handelt, ist aber wie eine Falschmeldung zu behandeln. Leonardo da Vinci hielt die Hände in dem Werk wohl für wichtig, sonst hätte bereits er sie weggelassen.
Journalisten sollten Kunst als Ganzes respektieren. Da Vinci (1452 bis 1519), der nichts mehr dazu sagen kann, hat es nicht verdient, dass ihm ins Handwerk gepfuscht wird.