Würzburg

Leseranwalt: Was bei Leserbrief-Kürzungen entscheidend ist

Ein Leserbrief-Schreiber kritisiert, dass sein Brief "verfälscht" veröffentlicht wurde. Welche verbindlichen Regeln für die Bearbeitung von Leserbriefen in der Redaktion gelten.
Wer einen Leserbrief für die Zeitung schreibt, hat sich in der Regel jedes Wort gut überlegt. Wenn die Redaktion dann etwas kürzt, kann das beim Verfasser zu Unmut führen.
Foto: Carmen Ramos | Wer einen Leserbrief für die Zeitung schreibt, hat sich in der Regel jedes Wort gut überlegt. Wenn die Redaktion dann etwas kürzt, kann das beim Verfasser zu Unmut führen.

Gekürzte Leserbriefe in der Zeitung sorgen regelmäßig für Unmut bei den Verfassern. Verständnis habe ich dabei für Leserinnen oder Leser, die kritische Briefe zu Artikeln verfasst haben und sich ärgern, wenn diese in gekürzter Form veröffentlicht werden. Das ist nachvollziehbar: Denn wer sich einmal entschließt, seine Meinung in der Zeitung öffentlich kundzutun, hat sich in der Regel jeden Satz reiflich überlegt. Dann schmerzt es, wenn auch nur eine Satz in der Veröffentlichung fehlt.

Was die Sorgfalt anbelangt, unterscheiden sich Leserbrief-Schreiber in der Regel deutlich von den Kommentatoren in den Foren auf mainpost.de. Dort verbessert oder kürzt auch kein Redakteur.

Herr C. B. spricht von "Verfälschung"

Herr C. B. hat mir seinen originalen Brief und die nach acht Tagen in der Zeitung erschienene, gekürzte Fassung zur Begutachtung geschickt. Er beklagt fehlende Teile des Inhaltes und dadurch veränderte Aussagen - und das nach seinen Worten nicht zum ersten Mal. Er akzeptiere ausgebesserte Rechtschreibung, hält aber auch fest: "Inhaltliche Veränderungen ohne Absprache mit dem Autor vorzunehmen" sei "zweifellos Verfälschung". Entweder den originalen Text oder nichts zu veröffentlichen, liege im Ermessen der Redaktion. Dafür erwarte er aber nachvollziehbare Kriterien.

Herr C. B. meint sogar über Manipulationen von Leserbriefen sprechen zu können, so dass es auch interessant für den Deutschen Presserat sei. Den anzurufen, bleibt jedem verärgerten Leserbrief-Schreiber unbenommen. Aus meiner langjährigen Praxis heraus, bin ich aber zuvor gerne zu ehrlichen Beratungen bereit.

Der Sinn war zu erkennen

Generell meine ich: Sagt ein Autor, sein Leserbrief sei verfälscht, ist das anzuerkennen. Nur er weiß, was er gewollt hat. Er ist Schöpfer eines geistigen Werkes. Das mag hoch gegriffen erscheinen, ist aber so zu respektieren.

Allerdings könnte der Autor sein Ziel verfehlen, falls nur er erkennt, was er wirklich sagen will. Das gilt für Stimmen der Leserinnen und Leser, aber auch für journalistische Artikel. Deshalb eröffne ich dem verärgerten C. B., der seinen Text verfälscht sieht, dazu die redaktionelle Perspektive: Entscheidend ist, dass der Sinn erhalten bleibt. Das ist hier der Fall gewesen. Was auch bedeutet, dass seinem veröffentlichten Brief ein Sinn gut zu entnehmen ist.

Zu was der Pressekodex verpflichtet

Richtlinie 2.6 (4) im Pressekodex erlaubt Änderungen oder Kürzungen von Zuschriften ohne Einverständnis von Verfassern - allerdings nur dann, wenn regelmäßig bei den Leserbriefen darauf hingewiesen wird, dass sich die Redaktion das Recht sinnwahrender Kürzungen vorbehält. Auf diesen regelmäßigen Hinweis ist in der Zeitung streng zu achten. Daran könnten sich rechtliche Konsequenzen knüpfen.

Leserbrief-Schreiber können Kürzungen ausdrücklich verbieten

Was der Kodex noch sagt, lege ich allen den Leserbrief-Schreiberinnen und -Schreibern ans Herz, die auf den Erhalt jedes ihrer Worte großen Wert legen: Verbieten Sie Änderungen oder Kürzungen ihres Textes ausdrücklich, dann muss sich die Redaktion daran halten. Das bedeutet: Ihr Brief wird unverändert erscheinen - oder eben nicht veröffentlicht werden.

Sie können aber auch einfach auf die Erfahrung und die sorgfältige Arbeit der Redaktion vertrauen, die auch hilfreich sein kann. Deren Aufgabe ist es, Verfälschungen oder Entstellungen des Sinns von Leserbriefen zu vermeiden, wenn sie Kürzungen für notwendig erachtet. Überlange Briefe gibt sie deshalb für Kürzungen an ihre Absender zurück. Oft schützt sie auch Leute, die mit ihrem Brief ethisch oder rechtlich übers Ziel hinaus geschossen sind.

Angebot zu einer digitalen Diskussion

Herr C. B. ist mindestens skeptisch. Er vermutet Änderungen in Leserbriefen nach Gutdünken und hält eine öffentliche Diskussion darüber für notwendig. Wer die ebenfalls will, kann mir das mitteilen über E-Mail an leseranwalt@mainpost.de. Bei genug Meldungen biete ich einen Termin für eine digitale Diskussion an.

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute.

Frühere Leseranwalt-Kolumnen zu Leserbriefen:

2012: "Auch wenn Leser mal Klartext schreiben, müssen Tatsachen wahr und richtig sein"

2019: "Dass Missverständnis mit der Zensur"

2020: "Leserbriefe werden mehr als nur unter Freunden geteilt"

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