Die Debatte in der und über die Katholische Kirche ist schier unerträglich. Die Kirche als Amtshierarchie und historische Struktur hat durch den völlig unbiblischen Zölibat und die Jahrhunderte lange verbale und nonverbale Unterdrückung der Frau und schließlich der gesunden Sexualität zwischen Mann und Frau als Geschenk Gottes selbst den Grund für ihre Fragwürdigkeit gelegt. Dass sich die Kirche zunehmender Kritik gegenübersieht und dass ihre Vertreter immer mehr verunsichert sind und sich sogar gegen ihre eigenen Mitglieder verwahren, nimmt denn nicht Wunder – doch es verstellt den Blick abermals vor der wahrhaftigen Problematik und benennt wieder nicht das „Missing Link“ der Sache. Denn „Die Kirche“ sind wir alle, und wenn die Amtskirche auf ihren Uraltpositionen und Pfründen hocken bleibt und sich nicht auf ihre Verantwortung und wahre Nachfolge der tätig gelebten Liebe und Nächstenliebe zu einer echten, die Alltagsprobleme bewältigenden – und nicht nur verbalen – Lebensgemeinschaft besinnt, werden ihr die Menschen des 21. Jahrhunderts angesichts der drängenden Probleme auf diesem Planeten früher oder später jedes Vertrauen entziehen. Spätestens dann braucht es weder ein mea culpa noch irgendwelche Reformen. Die Geschichte als Prozess von Bewegung und Gegenbewegung hat bisher gezeigt, dass man die Wahrheit nicht verteidigen braucht – sie bahnt sich als göttliche Kraft immer ihren Weg. Vielleicht ist es nützlich, sich einmal darauf zu besinnen, welche Rolle man dabei inzwischen eingenommen hat.
Dr. Thomas Fleckenstein, 97074 Würzburg