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Frauen in der Politik: Wo sind die Ministerpräsidentinnen? Fast alle Bundesländer werden von Männern regiert

Frauen in der Politik

Wo sind die Ministerpräsidentinnen? Fast alle Bundesländer werden von Männern regiert

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    Auf diesem Gruppenbild von 2022 strahlen unter den 16 Länderchefs noch vier Frauen. Jetzt sind es nur noch drei. Die frühere Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, ist nicht mehr im Amt.
    Auf diesem Gruppenbild von 2022 strahlen unter den 16 Länderchefs noch vier Frauen. Jetzt sind es nur noch drei. Die frühere Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, ist nicht mehr im Amt. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Heide Simonis, die am Mittwoch mit 80 Jahren gestorben ist, war als erste Ministerpräsidentin Deutschlands 1993 eine Sensation. Als die damals 50-jährige SPD-Politikerin im Landtag von Schleswig-Holstein vereidigt wurde, sprachen viele von einem neuen Zeitalter, von Politikerinnen auf der Überholspur. Doch es sollte bis 2009 dauern, bis ihr Christine Lieberknecht (CDU) als Ministerpräsidentin von Thüringen nachfolgte. Aktuell stehen drei Frauen an der Spitze von Bundesländern. Drei von 16 – keine Erfolgsgeschichte. 

    Nun könnte man einwenden, dass Deutschland 16 Jahre lang in Angela Merkel eine Kanzlerin hatte oder dass die Deutsche Ursula von der Leyen zu den mächtigsten Politikerinnen des Kontinents gehört. Aber bis heute gilt: Frauen sind in der Politik auf allen Ebenen unverändert klar in der Minderheit. Besonders krass ist diese Unwucht, wenn man auf die Riege der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten blickt. „Dass das Missverhältnis an der Spitze der Bundesländer besonders augenfällig ist, liegt auch daran, dass die deutsche Politik viele Jahre von der Union dominiert wurde“, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch im Gespräch mit unserer Redaktion. In CDU und CSU seien die Frauen im Vergleich mit der SPD oder gar den Grünen besonders schwach vertreten, fügt die Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing hinzu. Tatsächlich hatte neben Lieberknecht nur noch die saarländische Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer ein CDU-Parteibuch.

    Das Drama vom 17. März 2005: Die damalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, sitzt nach dem vierten Wahlgang, der für sie die entscheidende Niederlage brachte, im Landtag auf ihrem Platz. Simonis ist am Mittwoch im Alter von 80 Jahren gestorben.
    Das Drama vom 17. März 2005: Die damalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, sitzt nach dem vierten Wahlgang, der für sie die entscheidende Niederlage brachte, im Landtag auf ihrem Platz. Simonis ist am Mittwoch im Alter von 80 Jahren gestorben. Foto: Ulrich Perrey, dpa (Archivbild)

    Heidi Simonis wird in Erinnerung bleiben

    Die Politikerin Simonis bleibt aus mehreren Gründen in Erinnerung. Sie tanzte in der Fernsehshow „Let‘s Dance“ und war von 2005 bis 2008 Vorsitzende von Unicef Deutschland. Doch eingebrannt in das Bewusstsein der Deutschen hat sich, wie sie am 17. März 2005 in vier Wahlgängen bei der Ministerpräsidentenwahl im Parlament grandios scheiterte

    Natürlich sind auch schon viele Männer politisch dramatisch untergegangen. Aber Simonis, deren Griff zur Macht für nicht wenige Männer im Politikgeschäft nichts anderes als ein Störfall war, wurde mit besonderer Häme verfolgt. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk von 2007 erzählte sie, wie ihre beiden Schwestern, die in Vorfreude auf den sicheren Abstimmungssieg Heides an diesem Tag im März 2005 auf der Parlamentstribüne saßen, das Debakel erlebten: „Und dann haben sie gesagt, dieses grölende, auf die Schenkel klopfende Lachen der Männer auf der Gegenseite, hahaha, patsch, patsch, patsch, das hätte sie richtig fertiggemacht.“ Auch Ursula Münch erinnert sich an diese Atmosphäre: „Allerdings ist es schon so, dass Häme für Politiker, die eine Niederlage einstecken, Frauen, aber auch Männer trifft.“ 

    Der Regisseur Torsten Körner produzierte 2021 den Kinofilm „Die Unbeugsamen“. Darin wird geschildert, welch feindlich-chauvinistischer und von sexueller Diskriminierung geprägter Atmosphäre Politikerinnen wie Herta Däubler-Gmelin (SPD), Christa Nickels (Die Grünen), Ingrid Matthäus-Maier (FDP/SPD) oder Rita Süssmuth (CDU) in den 80er Jahren mitunter ausgesetzt waren. „Das war in vielen Passagen zum Fremdschämen“, sagt Münch. 

    Mit Situationen, wie sie in diesem Film geschildert werden, dürften die heute amtierenden Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer (SPD/Rheinland-Pfalz), Manuela Schwesig (SPD/Mecklenburg-Vorpommern) und Anke Rehlinger (SPD/Saarland) kaum konfrontiert werden. Das mag auch daran liegen, dass Politikerinnen wie Kramp-Karrenbauer, die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und eben die noch amtierende Dreyer zeigten und zeigen, dass Frauen Bundesländer mit Fachkenntnis und Erfolg regieren können. 

    "Frauen werden noch immer viel stärker nach äußerlichen Kriterien beurteilt", sagt Politikwissenschaftlerin Ursula Münch

    Es stimme, dass weniger Frauen als Männer in die Parteien eintreten und, wenn sie es doch tun, dort oft weniger aktiv sind, sagt Münch. Das habe mit den bekannten Mehrfachbelastungen zu tun und damit, dass sie sich meistens zurückhaltender verhalten würden als Männer. „Und noch immer werden sie viel stärker nach äußerlichen Kriterien beurteilt. Das wollen sich viele Frauen nicht antun.“ Fast alle politischen Karrieren beginnen in den Städten und Gemeinden. Die Kommunalpolitik ist jedoch nicht nur zeitintensiv, sondern auch aktuell aufgrund der vielerorts aufgeheizten Stimmung nicht sehr attraktiv. „Gerade Frauen fürchten, dass ihre Familien unter Anfeindungen leiden. Da sind sie vorsichtiger als männliche Politiker.“ 

    Vorsichtig war Heidi Simonis selten. Eher offen, ehrlich. Manchmal entwaffnend ehrlich. „Und was wird dann aus mir?“, fragte sie einen Reporter, als klar war, dass sie ihr Amt verlieren würde. Ein Gedanke, der auch jedem männlichen Politiker an irgendeinem Punkt seiner Karriere schon mal gekommen sein wird. Aber welcher Mann hat das jemals öffentlich gesagt? 

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