Liquidator – das klingt nach Insolvenzverwalter, und tatsächlich werden die beiden Liquidatoren, die die Bundestagsfraktion der Linkspartei jetzt eingesetzt hat, eine Art politische Insolvenzverwalter sein. Nachdem im Gefolge von Sahra Wagenknecht neun weitere Abgeordnete die Linke verlassen haben, verliert sie ihren Fraktionsstatus im Bundestag. Dazu sind fünf Prozent der Parlamentarier nötig, in diesem Fall 37. Ohne die Abtrünnigen aber kommt die Linke nur noch auf 28.
Die Linke verliert auch den Vorsitz in einem Ausschuss
Ihre Abgeordneten behalten nach der Auflösung der Fraktion ihre Mandate, büßen aber eine Reihe von Rechten ein. So muss die Linke den Vorsitz im Ausschuss für Klimaschutz und Energie abgeben, dem bisher der Unterfranke Klaus Ernst vorstand. Sie verliert Mittel, die einer Fraktion zustehen, Redezeit in den Debatten und ihr Stimmrecht in den Ausschüssen. Außerdem können fraktionslose Abgeordnete keine namentlichen Abstimmungen erzwingen und keine Regierungsmitglieder ins Parlament zitieren. Sie können sich aber zu einer „Gruppe“ zusammenschließen, über die der bisherige Fraktionschef Dietmar Bartsch sagt: „Lieber einig mit 28 als zerstritten mit 39.“ Am Ende muss jedoch der Bundestag entscheiden, wem er den Gruppenstatus zuerkennt und welche Rechte sich daraus ableiten. Möglicherweise könnte auch ein Teil der mehr als 100 Fraktionsmitarbeiter, die jetzt ihre Stellen verlieren, dort angestellt werden. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau dagegen kann ihr Amt behalten, sie ist für die komplette Wahlperiode gewählt.
Liquidationsverfahren sind selten. 2002 scheiterte die damalige PDS an der Fünfprozenthürde und war nur noch durch die direkt gewählten Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau im Parlament vertreten, die auf zwei Stühlen einsam am Rande des Plenums saßen. Bei der Bundestagswahl 2013 erwischte es dann die FDP. Nun allerdings wird mitten in einer Wahlperiode eine Fraktion aufgelöst – zum ersten Mal seit den frühen Sechzigerjahren, als die deutsche Partei mehrere Abgeordnete an die Unionsfraktion verlor.
Auflösung der Linksfraktion: Verträge kündigen, Büros räumen, Rechnungen bezahlen
Bei der Liquidation einer Fraktion stellen sich sehr praktische Fragen. Verträge müssen gekündigt, Büros geräumt, offene Rechnungen bezahlt und noch ausstehende Forderungen eingetrieben werden. Nicht verwendete Mittel aus der Fraktionskasse müssen an den Bundestag zurückgezahlt werden. Oder es bleiben, wie bei der FDP 2013, Beträge offen – damals gut fünf Millionen Euro für die zusätzliche Altersvorsorge der Fraktionsangestellten.
Auch deshalb dauert die Liquidation einer Fraktion mehrere Jahre. 2017 etwa war die Fraktion der FDP aus dem Jahr 2013 formell noch immer nicht aufgelöst, obwohl es schon wieder eine neue liberale Fraktion gab. Abgeschlossen war die Abwicklung erst 2018, nachdem ein Arbeitsgerichtsprozess sich über Jahre hingezogen hatte.
In einer Analyse der Fälle von PDS und FDP stellte der Bundesrechnungshof 2018 „erhebliche praktische und rechtliche Probleme“ fest und monierte vor allem die quälend lange Abwicklung, die auch bei der PDS drei Jahre gedauert hatte. Die Gründe dafür sind oft arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen und unklare Bestimmungen über Kündigungsfristen und Beschäftigungsverhältnisse. Gelten Verträge bis zum Ende der Wahlperiode oder enden sie mit dem Auflösen der Fraktion? Und welche Ansprüche haben Beamte, die sich aus einem Ministerium an eine Fraktion „ausleihen“ lassen und dort mehr verdienen als auf ihrer ursprünglichen Stelle? „Auch nur ein einziges Verfahren“, monierten die Rechnungsprüfer damals, „verhindert die Beendigung einer Liquidation.“