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Antibiotika sind keine Allheilmittel

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Antibiotika sind keine Allheilmittel

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    Prof. Johannes Liese
    Prof. Johannes Liese Foto: Foto: Privat

    Professor Johannes Liese ist Kinderarzt an der Kinderklinik der Universität Würzburg. Am Rande der 21. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) e.V. in Würzburg sprach der 53-jährige Experte für Infektionen mit dieser Zeitung über die Folgen von zu schnell verschriebenem Antibiotikum, der Bedeutung der Ausbildung von Kinderärzten zum Infektiologen und dem Fortschritt bei der Wirkung von Impfstoffen.

    Frage: Die Antibiotika-Resistenz wird unter Kinderärzten und Infektiologen stark diskutiert. Wodurch entsteht sie?

    Johannes Liese: Es wird zu breit und mit zu viel Antibiotika behandelt. Dieses wird dann auch zu selten wieder abgesetzt, wenn keine Infektion nachgewiesen werden konnte. Das liegt an der selten stattfindenden Ausbildung zum Kinderinfektiologen in Deutschland. Hier fehlt eine klare Weiterbildung.

    Vor allem Risikopatienten wie Frühgeborene sind davon betroffen. Wo liegen die Gefahren?

    Liese: Frühgeborene sind zum Beispiel durch Erreger gefährdet, gegen die unsere Standard-Antibiotika nicht wirksam sind, sogenannte Multiresistente-Bakterien. Und bei diesen Patienten, die so lange stationiert sind, besteht die Gefahr, dass sie an Infektionen erkranken.

    Wie infizieren sie sich?

    Liese: Gerade bei beengten Verhältnissen und wenig Personal kann es leicht zur Ansteckung kommen. Das sind Erreger, die innerhalb der Umgebung entstehen, also nicht von außerhalb kommen.

    Hat sich seit den Vorfällen mit den toten Babys in der Uniklinik in Bremen 2012 was geändert?

    Liese: Das Bewusstsein in den Kliniken ist deutlich gestiegen, so dass jetzt geschaut wird, welche Erreger die Kinder auf der Haut und im Darm tragen. Auch wenn sie nicht erkrankt sind. Im Fall einer Infektion wird dann gezielt therapiert, um die Erreger zu eliminieren.

    Wo liegen die Ursachen für den hohen Einsatz von Antibiotika?

    Liese: Es ist oft so, dass Antibiotika als Allheilmittel angesehen werden. Und wenn sie sich zudem die Patienten in den Praxen anschauen, fühlen sich viele nur gut behandelt, wenn sie ein Medikament verschrieben bekommen. Hier hier ist es leider so, dass einige Ärzte eher zu Antibiotika greifen als den Patienten darüber aufzuklären, dass dieses nur in bestimmten Situationen hilft und es Nebenwirkungen gibt.

    Wie könnte sich der Umgang mit Antibiotika verbessern?

    Liese: Wir fordern eine sogenannte „Antibiotic Stewardship“ in Krankenhäusern, die die Ärzte bei der Entscheidung für oder gegen eine Antibiotika-Therapie unterstützt. Dabei handelt es sich um eine Kontrolle über den Einsatz und Verbrauch.

    Muss sich zukünftig auch die Ausbildung der Kinderärzte verändern?

    Liese: Wir hoffen, dass wir in einigen Jahren eine anerkannte Weiterbildung durch die Landesärztekammern zum pädiatrischen Infektiologen anbieten können. Das wäre wichtig, weil die bisherige einjährige Zusatzausbildung viel zu kurz ist.

    Welche Rolle kann die Infektiologie in Zukunft spielen?

    Liese: Der Nachweis von Erregern ist nach wie vor schwierig. Wir suchen nach empfindlicheren Methoden im molekularbiologischen Bereich. Dort wird der Nachweis dann über die DNA geführt. Oder die Frühdiagnostik von Infektionen aufgrund von Entzündungszeichen. Das sind experimentelle Ansätze mit Zukunftspotenzial. Auch aufgrund der sich ständig verändernden Erreger ist die Infektiologie ein wichtiges Feld.

    Ein Bereich der Infektiologie behandelt die Wirksamkeit von Impfstoffen. Was hat sich in dem Bereich in den letzten Jahren getan?

    Liese: Wir haben große Fortschritte bei der Impfprävention erzielt. Erstens, weil wir heute wesentlich sicherere Impfstoffe haben als früher und es weniger Nebenwirkungen gibt. Zweitens können wir heute gegen eine Vielzahl von Erkrankungen impfen, bei denen es früher nicht möglich war. Dazu zähle ich zum Beispiel die Erreger der Gehirnhautentzündung, bei der wir mittlerweile gegen die wichtigsten Erreger impfen. Ganz aktuell ist ein neuer Impfstoff gegen den häufigsten Erreger von Hirnhautentzündung, Meningokokken vom Serotyp B, entwickelt worden.

    Dennoch herrscht bei Ärzten eine Impfskepsis. Wieso?

    Liese: Zunächst können wir schon sagen, dass der Großteil der Kinderärzte hinter den Impfungen steht. Schließlich läuft das Impfsystem hierzulande ja über diese. Aber es gibt unter Ärzten Impfskeptiker, die Bedenken gegenüber der hohen Zahl an Impfungen haben, die durchgeführt werden. Sie zweifeln zudem an der Sicherheit der Impfstoffe und der Notwendigkeit.

    Wie kann der Nutzen von Impfungen vermittelt werden?

    Liese: Bei jedem Impfstoff muss es eine gute Aufklärung geben, auch bei den skeptischen Eltern. Ärzte müssen erklären, was man durch die Impfung verhindern kann und die Daten vorlegen, die die Sicherheit der Impfstoffe belegen.

    Welche Impfungen sind für Kinder heute noch nötig?

    Liese: Sicherlich die Impfempfehlungen gegen Krankheiten, die von der ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut in Berlin herausgegeben werden. Dazu gehören die Gehirnhautentzündung, Blutvergiftung, aber auch die Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und ganz wichtig gegen Keuchhusten. Außerdem die gegen Hepatits B und nach wie vor die gegen die Kinderlähmung – solange wir weltweit noch Fälle haben. Im zweiten Lebensjahr noch gegen die früher klassischen Kinderkrankheiten wie Röteln, Mumps, Windpocken und Masern.

    Lehren, forschen und heilen

    Johannes Liese wurde 1960 in Erlangen geborgen und studierte Medizin in Bologna und an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Bereits in seiner Doktorarbeit befasste er sich mit angeborenen Immundefekten. An der Uni-Kinderklinik der LMU beendete er seine Ausbildung zum Kinder- und Jugendarzt. Danach war er dort mehrere Jahre als Oberarzt tätig. Seit Mai 2009 ist er Professor für Pädiatrische Infektiologie und Immunologie an der Universitäts-Kinderklinik in Würzburg. Im Rahmen seiner Forschung ist er an zahlreichen nationalen und internationalen Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen beteiligt. Im Raum München hat er gemeinsam mit Kinderarztpraxen das „BaVariPro“-Netzwerk (Bayerisches-Varizellen-Projekt) gegründet. Dieses erforscht die Wirksamkeit von Impfungen gegen Windpocken. FOTO: Uniklinik Würzburg

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