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FRANKFURT/BERLIN: Bundesbank will sich von Sarrazin trennen

FRANKFURT/BERLIN

Bundesbank will sich von Sarrazin trennen

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    (dpa) In einem bisher beispiellosen Schritt will sich die Bundesbank von Thilo Sarrazin trennen. Die Spitze der Zentralbank beantragte am Donnerstag bei Bundespräsident Christian Wulff die Entlassung ihres umstrittenen Vorstandsmitgliedes.

    Das Staatsoberhaupt kündigte an, den Antrag zu prüfen. „Bis zum Abschluss der Prüfung kann der Bundespräsident nicht Stellung nehmen“, teilte das Präsidialamt in Berlin mit.

    Kanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte den Schritt der Bundesbank. Ein Regierungssprecher sagte: „Die Bundeskanzlerin hat die unabhängige Entscheidung des Bundesbankvorstandes mit großem Respekt zur Kenntnis genommen.“

    Damit zog die Bundesbank nach tagelanger Debatte Konsequenzen aus den heftig kritisierten Äußerungen des SPD-Politikers und früheren Berliner Finanzsenators über muslimische Zuwanderer. Für Empörung hatte Sarrazin auch mit der Aussage gesorgt, alle Juden teilten ein bestimmtes Gen. Ihm wird vorgeworfen, mit seinen Thesen das Ansehen der Bundesbank beschädigt und gegen die Pflicht zur Zurückhaltung eines Vorstandes verstoßen zu haben.

    Einstimmiges Votum

    Das Votum des Vorstandes fiel in Abwesenheit von Sarrazin einstimmig aus. Der Vorgang ist ohne Beispiel in der Geschichte der Bundesbank, deren Vorstand unabhängig agiert. Zwar werden die sechs Mitglieder von Bund und Ländern berufen. Sie können aber von diesen nicht mehr entlassen werden. Das Recht der Abberufung einzelner Mitglieder steht – auf Antrag des Bundesbankvorstands – dem Bundespräsidenten zu.

    Ein Schlussstrich ist im „Fall Sarrazin“ damit also noch nicht gezogen. Offen ist, ob die Bundesregierung eingeschaltet werden muss. Nach dpa-Informationen prüfen das derzeit Experten von Präsidialamt und Regierung. Die abschließende Entscheidung des Staatsoberhaupts werde sicher nicht kurzfristig erfolgen, hieß es. Wulff hatte der Bundesbank zuvor indirekt die Trennung von Sarrazin nahegelegt. Dem Nachrichtensender N24 hatte er am Mittwochabend gesagt: „Ich glaube, dass jetzt der Vorstand der Deutschen Bundesbank schon einiges tun kann, damit die Diskussion Deutschland nicht schadet – vor allem auch international.“ Auch Merkel hatte Sarrazin scharf kritisiert. Die SPD will gegen Sarrazin ein Parteiausschlussverfahren einleiten.

    Mit ungewöhnlich deutlichen Worten hatte sich auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, eingeschaltet. „Als Bürger war ich entsetzt über diese Äußerungen, als Präsident der Europäischen Zentralbank habe ich volles Vertrauen in die Entscheidungen der Bundesbank“, sagte Trichet in Frankfurt.

    Voraussetzung für einen Antrag auf Abberufung sind entweder eine krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit oder eine „grundsätzliche und weitreichende Verfehlung“ des zu feuernden Vorstands.

    Erster Rauswurf

    Einen Rauswurf gab es noch nie: Zuletzt war Bundesbank-Chef Ernst Welteke 2004 nach einer Spesenaffäre zurückgetreten. Ex-Bundesbank-Präsident Karl Otto Pöhl legte im Streit um die Währungsunion sein Amt im Jahr 1991 nieder.

    Sarrazins Amtszeit, der erst im Mai 2009 auf Vorschlag der SPD-geführten Länder Berlin und Brandenburg in den Vorstand einzog, endet regulär 2014. Sarrazin hatte sich zuletzt selbstkritisch gezeigt. Auch er hatte ein vorzeitiges Ausscheiden aus der Bundesbank-Spitze nicht mehr ausgeschlossen. „Ich bin Bundesbanker. Jedes Amt ist zeitlich begrenzt. Wann die Begrenzung ist, wird die Zukunft zeigen“, sagte er am Mittwoch in der ARD-Sendung „hart aber fair“. Er distanzierte sich von seiner Behauptung, alle Juden teilten ein „bestimmtes Gen“: „Das war ein Riesenunfug, was ich auch extrem bedauere.“

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