Natürlich, entspannt, humorvoll, bescheiden: Der designierte Vizepräsidentschaftsbewerber der US-Demokraten hat eine Menge Eigenschaften, mit denen sich die Spitzenkandidatin schwertut. Mit Virginias Senator Tim Kaine, den Hillary Clinton am Samstag als ihren Wahlkampfpartner vorstellte, vervollständigt sie das Profil ihrer Kampagne nicht nur um einen erfahrenen, spanischsprachigen Politiker mit Verbindungen zum Militär. Sie sendet auch ein deutliches Signal der Siegesgewissheit.
Kaine diente vor seiner Wahl zum Senator als Bürgermeister von Richmond, als Vize-Gouverneur und als Gouverneur von Virginia. Es gibt in den USA nicht viele Menschen mit einem so umfassenden Regierungsresümee. Obendrein war der 58-Jährige zwei Jahre demokratischer Parteivorsitzender. Sein Heimatstaat kann Wahlen entscheiden, aber Kaines politische Kompetenz ist das größte Pfund, das der unspektakulär auftretende Katholik zu Clintons Kampagne beisteuert. Sie hat ihn offenbar vor allem mit Blick auf die spätere Regierungsarbeit ausgewählt, weniger als Schlachtross im Wahlkampf.
Das bedeutet nicht, dass Kaine nicht angreifen könnte. „Wenn Donald Trump sagt, dass er hinter euch steht, nehmt ihr euch besser in acht“, rief er dem Publikum in Miami zu, wo Clinton ihn am Samstag vorstellte. „Von Atlantic City bis zu seiner sogenannten Universität pflastern gebrochene Versprechungen und zerstörte Biografien seinen Weg. Wir können es uns nicht leisten, ihn dasselbe unserem Land antun zu lassen!“
Kaine soll schon 2008 unter den letzten drei Bewerbern gewesen sein, die der damalige Kandidat Barack Obama als Vize in Betracht zog. Der dreifache Familienvater ist mit Anne Bright Holton verheiratet, der Tochter eines früheren Gouverneurs von Virginia. Sie ist heute dort Bildungsministerin. Kaines ältester Sohn Nat gehört zu den United States Marines, das macht ihn zum einzigen unter den diesjährigen Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten, dessen Familie einen direkten Beitrag zur Landesverteidigung leistet.
Als Vorkämpfer für strengere Waffenkontrollen, Gegner der Todesstrafe und profilierter Bürgerrechtsanwalt könnte Kaine helfen, den progressiven Flügel seiner Partei anzusprechen. Er arbeitete knapp zwei Jahrzehnte als Jurist und unterrichtete sechs Jahre Rechtsethik an der University of Virginia. Andererseits unterstützt Kaine das in der Partei skeptisch gesehene Freihandelsabkommen TPP für den pazifischen Raum.