Computergenie, „Nerd“ (Sonderling), Visionär, Business-Stratege – es gibt vielfältige Beschreibungen von dem Mann, der in den vergangenen 30 Jahren den Alltag von vielen Millionen Menschen radikal verändert hat. Vom 1. Juli an will er sich auf seine gemeinnützige Arbeit in der milliardenschweren Bill & Melinda Gates Foundation konzentrieren, die sich vor allem für den Kampf gegen Krankheiten engagiert.
Keine Führungspersönlichkeit der IT-Branche hat so früh daran geglaubt und so entschlossen daran gearbeitet wie Bill Gates, dass Computer einmal ganz selbstverständlich von jedermann genutzt werden können. Anfang der 70er Jahre hatten nur Experten in Universitäten, Großunternehmen und beim Militär Zugriff auf die großen Rechenmaschinen. Die Wende kündigte sich an, als Ende 1974 die Zeitschrift „Popular Electronics“ mit dem Mikrocomputer „Altair 8800“ auf dem Titel erschien.
Bill Gates und sein Studienfreund Paul Allen waren wie elektrisiert. „Erregt lasen wir von dem ersten echten Personal Computer, und obwohl wir noch keine genaue Vorstellung davon hatten, wozu er zu gebrauchen wäre, war uns doch schon bald klar, dass er uns und die Welt des Computings verändern würde“, schrieb Gates in seinem Buch „Der Weg nach vorn“. „Wir sollten recht behalten. Die Revolution ist eingetreten, und sie hat das Leben von Millionen Menschen verändert.“
Mit Glück zum ersten Auftrag
Gates brach sein Harvard-Studium ab, um mit Paul Allen das Unternehmen Microsoft aufzubauen. In diesen Anfangstagen der IT-Industrie hatte Gates aber auch Glück. Per Zufall erhielt er 1980 den Großauftrag, ein Betriebssystem für den ersten PC von IBM zu liefern – ein System, das er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht besaß. Gates versprach der IBM-Delegation das Blaue vom Himmel und löste die prekäre Situation, indem er von der klammen Firma Seattle Computers Products (SCP) für 50 000 Dollar die Rechte an einem System mit dem Namen „Qdos“ kaufte, um IBM zu bedienen.
Gates benannte das System in MS DOS („Microsoft Disc Operating System“) um und entwickelte es weiter. Mitte der 80er Jahre musste Microsoft nach einem Rechtsstreit knapp eine Million Dollar an SCP bezahlen, da Microsoft den Namen des Großkunden IBM verschwiegen und sich damit das Qdos-System erschlichen habe. Auch später sah Gates sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, Innovationen nicht selbst entwickelt, sondern bei anderen abgekupfert zu haben.
Mit DOS legte Gates nicht nur den Grundstein für den überragenden Erfolg von Microsoft und seines persönlichen Vermögens, sondern begründete die Software-Industrie. Folge: Rund um Microsoft ist ein eigenes Ökosystem entstanden: „Pro Dollar, den Microsoft umsetzt, verdienen unsere Partnerunternehmen 7,79 Dollar“, rechnete der Softwaregigant kürzlich vor. Danach erzielten 2007 weltweit mehr als 640 000 Unternehmen aus dem Umfeld von Microsoft über 425 Milliarden Dollar (275 Milliarden Euro) Umsatz.
Obwohl Gates stets bereit war, den Erfolg von Microsoft mit Partnern zu teilen, schreckte er aber auch nicht davor zurück, die Marktmacht seines Unternehmens brutal einzusetzen: Als Microsoft Anfang der 90er Jahre die Bedeutung des Internets verschlafen hatte, zettelte Gates den „Browser-Krieg“ gegen Netscape an.
„Rücksichtsloser Geschäftsmann“
Gates sei ein „rücksichtsloser Geschäftsmann, der durch technische Spielereien Macht gewinnt und es dann nicht lassen kann“, charakterisierten die US-Autoren Jim Erickson und James Wallace „Mr. Microsoft“. Die damalige US-Justizministerin Janet Reno klagte: „Microsoft nutzt sein Monopol auf ungesetzliche Weise, um seine Alleinherrschaft zu verteidigen und zu erweitern.“ Nach dem Wahlsieg von George W. Bush gegen Al Gore im Jahr 2001 entging Microsoft jedoch einer drohenden Zerschlagung.
Gates tat sich in dieser Phase schwer, die Rolle des Konzernführers auszufüllen. In endlosen Meetings musste er mit seinem Juristenstab die Abwehrstrategie für Microsoft entwerfen, anstatt sich auf neue Produkte konzentrieren zu können. Sein Auftritt im Kartellverfahren, in dem er jegliche unfaire Attacken auf seine Wettbewerber bestritt, ließen etliche Beobachter an der Glaubwürdigkeit von Gates zweifeln. Die Unzufriedenheit von Bill Gates mit seiner eigenen Rolle dürfte auch den Ausschlag gegeben haben, dass er im Januar 2000 als Chief Executive Officer (CEO) zurücktrat, um sich auf die Rolle des „Chief Software Architects“ zu fokussieren.
Die Querelen um das Kartellverfahren beeinträchtigten aber insbesondere in den USA die öffentliche Wertschätzung für Gates Lebensleistung kaum: Das liegt auch daran, dass viele hunderttausend Aktionäre vom Aufstieg der Gates-Firma profitierten: Wer beim Börsengang am 13. März 1986 hundert Microsoft-Aktien für insgesamt 2800 Dollar gekauft und sie bis heute behalten hätte, besäße nach den verschiedenen Aktiensplitts inzwischen Aktien im Gesamtwert von rund 830 000 Dollar.
Vermögen von 58 Milliarden Dollar
Bill Gates wurde vom US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ in der Zeit zwischen 1996 und 2007 dreizehnmal als reichster Mann der Welt gelistet. In diesem Jahr rutschte er mit einem geschätzten Vermögen von 58 Milliarden Dollar auf Platz drei ab. In den kommenden Jahrzehnten will Gates ein Großteil seines Vermögens in die „Bill & Melinda Gates Foundation“ überführen. Damit würde er nicht nur als Pionier der Software-Industrie in die Geschichtsbücher eingehen, sondern als einer der größten wohltätigen Stifter.