Der Legende nach hat es Franz Josef Strauß bei der berühmten Bad Hausener Brotzeit nicht nur auf zwei Radi, einen Wurstsalat und einen Obatzdn gebracht, sondern auch auf neun Halbe Weißbier und 14 Obstler. Gut, die Geschichte ist mit hoher Wahrscheinlichkeit erfunden – sie stammt vom bayerischen Kult-Grantler Gerhard Polt. Und doch sagt sie eine Menge über das Verhältnis von Macht und Bier aus.
Der Politiker, der Maßkrug, das Bierzelt, der Nockherberg: Das alles gehört zusammen – jedenfalls in Bayern. Wie soll denn ein Volksvertreter auch das Volk vertreten, wenn er bloß ein stilles Minerwalwasser mit Zitronenhalbmond trinkt? Ein solcher Politiker wäre den meisten Bayern recht suspekt. Der freudlose Verzicht auf ein paar Promille könnte schon bei der nächsten Wahl ein paar Prozente kosten. Dann doch lieber ein Prosit der Gemütlichkeit, oder? Und wenn man kein Bier mag oder einfach nichts verträgt, kann man ja immer noch auf den alten Trick von Edmund Stoiber zurückgreifen.
Bis heute hält sich standhaft das Gerücht, dass sich der Ex-Landesvater am Politischen Aschermittwoch gerne mal Tee statt Bier in den Krug schenken ließ. So hatte er zumindest nie einen im Tee. Sein Nachfolger Günther Beckstein verfolgte eine andere Strategie. Er löste einen handfesten Skandal aus, als er sagte, dass man nach zwei Maß locker noch Autofahren kann. An den Stammtischen kam die gewagte These gut an – mögen die Kaulquappen-Nummerierer von den Grünen und die Spaßverweigerer von der SPD auch noch so sehr mit dem Zeigefinger wedeln.
Überhaupt sollten die Sozialdemokraten lieber nicht den Oberlehrer spielen. Schließlich war es einer von ihnen, der mit dem Schüttelreim „Hol mir mal ne Flasche Bier, sonst streik ich hier“ in Erinnerung geblieben ist. Der Schröder Gerd ist eben ein Mann aus dem Volk geblieben – dicke Zigarren und teurer Rotwein kamen erst später.
Und Angela Merkel? Die hat ein eher kühles Verhältnis zum Bier – spätestens seit ihr ein schusseliger Kellner beim Aschermittwoch in Mecklenburg mal eben fünf Pils in den Nacken gekippt hat. Die Kanzlerin reagierte übrigens ziemlich abgebrüht, was man von Gregor Gysi nicht gerade behaupten kann.
Er ist der Beweis für die These, dass es einen Zusammenhang zwischen Köpergröße und Trinkfestigkeit geben muss. Gysi misst überschaubare 163 Zentimeter, da können zwei Maß Starkbier auf dem Nockherberg eine durchschlagende Wirkung entfalten. Dumm nur, wenn man noch live ins Fernsehstudio muss. Andererseits: Selten dürfte ein Politiker derart unterhaltsam gewesen sein. Nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn Gysi damals bei der Bad Hausener Brotzeit . . . Fotos:dpa (4), imago