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WIEN: Der Prater, eine Wiener Zauberwelt

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Der Prater, eine Wiener Zauberwelt

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    Das Riesenrad auf dem Prater ist seit Ende des 19. Jahrhunderts eines der Wahrzeichen und Identifikationssymbol der Wiener. Manche heiraten sogar in einer Gondel.
    Das Riesenrad auf dem Prater ist seit Ende des 19. Jahrhunderts eines der Wahrzeichen und Identifikationssymbol der Wiener. Manche heiraten sogar in einer Gondel. Foto: Foto: obs/Tatonka GmbH

    Dös is a Wahnsinn“, sagt die junge Frau, die für ihr kleines Mädchen und deren Freundin zwei „Hello Kitty“-Ballons kaufen möchte. „14 Euro für einen! Im letzten Jahr haben sie noch neun Euro gekostet.“ Herr Emmerich im bunten Clown-Kostüm und mit rotgelb gefärbten Haaren lacht: „Dös is das Gas, das Helium. Früher musste ich für die Flasche 120 Euro zahlen, jetzt 140 Euro.“ Kopfschüttelnd binden die Frauen die Ballons an die Buggys und ziehen mit ihren Kindern weiter. Schon kommt die nächste Kundin, kauft auch einen Ballon fürs Kind. Herr Emmerich lacht übers ganze Gesicht. „Jeden Tag bin ich hier bei den Fahrgeschäften. Doch die Geschäfte laufen immer schlechter. Es gibt so viel Arbeitslose in Wien“, klagt er mit schelmischem Blick.

    Sonja Sokub, Sprecherin des Praterverbandes, hält diese Klagen für „typisches Wiener Geraunze. Die Fahrgeschäfte laufen sehr gut. Nur der heiße Sommer 2015 war etwas enttäuschend. Bei 36 Grad kommen die Gäste erst, wenn es dunkel ist“, meint sie. Der Praterverband vertritt fast hundert verschiedene Fahrgeschäfte und Kleinunternehmer im Wurstlprater, jenem berühmten Vergnügungspark, der nur einen kleinen Teil des eigentlichen Wiener Praters einnimmt.

    Das weitläufige Areal im Gemeindebezirk Leopoldstadt ist eigentlich das Gegenteil eines Rummelplatzes: ein Stück Natur in der Stadt, bis heute großenteils eine von der Donau geprägte Auenlandschaft. Nur Nicht-Wiener sagen „Prater“, wenn sie den Wurstlprater meinen.

    Geld bringen dort der Nervenkitzel und die Faszination der Geschwindigkeit. Indoor Skydiving, also Fliegen im Windkanal, ist die neueste Attraktion. Zwei Minuten kosten 45 Euro. Nur: Fahrgeschäfte gibt es auf jedem Volksfest. Was den Wiener Wurstlprater zusätzlich ausmacht, sind Illusion und Tradition – gerade in diesem 250. Jubiläumsjahr. Seit 1932 steht Basilio Calafati dafür, die Figur eines großen Chinesen. Schon viel länger gibt es den Watschenmann, an dem man sich nach dem „Hau den Lukas“-Prinzip abreagieren kann. Und der Hanswurst, ein weiterer Publikumsmagnet, ist der Namenspatron des Wurstlpraters.

    Noch bis 1766 wäre eine derartige Gaudi hier undenkbar gewesen. Das Betreten des 600 Hektar großen kaiserlichen Jagdgebietes vor der Stadtmauer Wiens war strengstens verboten. Selbst der Hochadel durfte nur im Mai mit den Kutschen hineinfahren und musste Hunde und Schusswaffen draußen lassen. Erst der aufgeklärte Kaiser Joseph II. öffnete durch Bekanntmachung im Amtsblatt vom 7. April 1766 das Gelände und schenkte den Wienern ihr grünes Erholungsgebiet.

    Es war der Beginn einer Ära volkstümlichen Vergnügens, das die kaiserliche Zeit überdauert hat. Der Zauberer Robert Kaldy-Karo, Chef des Wiener Circus- und Clownmuseums, weiß, wie alles begann. „Bis 1840 wurde auf der Jägerzeile am Prater keine Branntweinsteuer erhoben. Deshalb war alles viel billiger als innerhalb der Stadtmauer. Das zog die einfachen Soldaten an und die tschechischen und böhmischen Wäschermädel, wenn sie ihren freien Tag hatten. Fünf Kreuzer kostete damals ein Tanz auf dem Tanzboden, ungefähr so viel wie eine Maß Bier. Das war teuer. Aber wo sollten sich die jungen Leute sonst kennenlernen?“

    Der Adel dagegen kam in jener Zeit per Fiaker auf die – meist staubige – Prater-Hauptallee, wo vornehme Kaffeehäuser eröffnet hatten. „Hier ist es so lustig wie im Prater“, ließ Goethe vor mehr als 200 Jahren seinen Mephisto in der Walpurgisnacht beim Hexentreffen zu Faust sagen. Heute bekennt der Austro-Pop-Sänger Nino aus Wien: „Ich geh zum Psychiater, und du gehst in den Prater.“ Künstler jeder Couleur lassen sich bis heute inspirieren. Rainhard Fendrich erinnert sich an einen Zeugnistag in der Geisterbahn und sinniert dann musikalisch über den Tod.

    Sicherheit? „Alles im Griff.“

    Schon beim Wiener Kongress 1814 gehörten Kutschfahrten in den Prater zum ohnehin ausschweifenden Unterhaltungsprogramm. Wer sich duellieren wollte, musste nur etwas weiter in die Donauauen gehen. Dort treffen sich heute Hundebesitzer aus der ganzen Stadt und finden unterhaltsame Gesellschaft. Kaum irgendwo sonst findet sich eine so große und ziemlich harmonische Hundezone. Nur manche Picknicker und die zahlreichen Jogger fühlen sich manchmal bedroht und vielleicht die Obdachlosen, die im Sommer gern auf einer Praterbank übernachten.

    „Für die Sicherheit im grünen Prater sind wir nicht zuständig“, sagt Peter Petritsch, dem das berühmte Riesenrad gehört. „Im Wurstlprater haben Polizei und private Sicherheitsfirmen alles im Griff.“ Als vor kurzem ein Mädchen nachts um drei auf der Prater-Hauptallee von einem Mann vergewaltigt wurde, den sie vorher in der U-Bahn kennengelernt hatte, waren die privaten Sheriffs schnell zur Stelle, fassten den Täter und wurden anschließend von Wiens „Kronenzeitung“ gefeiert. Die mächtigen und selbstbewussten Eigentümer der Fahrgeschäfte, die teilweise seit Generationen den Prater beherrschen, haben schon vor Jahren durchgesetzt, dass die Umgebung des Praters aufgewertet, manche sagen auch gentrifiziert wurde.

    Dabei hatte der Prater immer seine Krisen. 1873 war die Weltausstellung auf dem Prater wegen Cholera und eines Börsencrashs zum Reinfall geworden. Erst im Fin de Siecle zog das Freiluftspektakel „Venedig in Wien“ 1895 wieder die Massen an. Venezianische Palazzi, Kanäle, Portale, Brücken und ein kleines Kloster auf einer Gesamtfläche von 50 000 Quadratmetern schufen neue Welten für die, die sich das Reisen nicht leisten konnten.

    Noch stehen einige der Palazzi in der Umgebung des Praters. Riesenrad und Kinematografie hatten den letzten Schrei der Unterhaltungstechnik nach Wien gebracht. Das Riesenrad ist – abgesehen von seinen 750 000 Fahrgästen im Jahr – heute noch ein Identifikationssymbol für die Wiener. Viele kommen ungefähr zweimal im Jahr mit den Kindern her. Einige wenige heiraten gar in einer der roten Gondeln, 30 Paare waren es 2015.

    Legendär ist auch das Schweizerhaus. Die meisten Besucher verzehren in dem Restaurant Stelze (Schweinhaxe) und böhmisches Bier. „Das Schweizerhaus ist mein Lieblingsplatz“, sagt der Zauberer Kaldy-Karo. „Hier werde ich nostalgisch, weil früher die alten Zauberer hier gesessen und geplaudert haben.“ Kaldy-Karo bereitet gerade ein Varieté zum 250. Jubiläum des Praters vor, das historische Zaubertricks präsentieren wird.

    Doch nicht nur Romantiker, auch der Sport hat hier seinen Platz. Das Ernst-Happel-Stadion liegt nebenan. Die Pferderennbahn Freudenau und die Trabrennbahn in der Krieau mit ihrer einst prunkvollen Kaiserloge versprühen den Charme vergangener Zeiten. Ein Gründerzeitgebäude neben der Trabrennbahn bietet Ateliers für Bildhauer und seit ein paar Jahren haben die Wirtschaftsuniversität und die private Sigmund-Freud-Universität am Prater neben der Wiener Messe ihren Standort gefunden.

    Als die Studenten kamen, wurden die Strizzis und Mizzis vertrieben. „Straßenprostitution gibt es nicht mehr. Prostituierte sind jetzt in Bars und Laufhäusern zu finden“, berichtet Roman Hahslinger von der Wiener Polizei vielleicht etwas zu optimistisch. „Bei Susi“, „Bei Gabi“ oder „Bei Manuela“ heißen die Etablissements, die keinen Zweifel an der Art ihres Gewerbes in direkter Nähe zu Messe und Wissenschaftstempeln aufkommen lassen.

    Zum Papierrosen-Schießen

    Die Polizei hat vor allem am Bahnhofsknoten Praterstern viel zu tun. Nur hundert Meter vom Riesenrad entfernt verbringen Drogendealer und Kleinkriminelle, Trinker und Obdachlose den Tag. „Wo die Dose Bier 35 Cent kostet, treffen sich viele, die wenig Geld haben“, erklärt Hahslinger. „Wir kontrollieren ständig. Es kommt jeden Tag zu Festnahmen.“ Ein großes Flüchtlingslager mit über tausend Menschen wurde ganz in der Nähe eingerichtet und jetzt wieder geschlossen. Nur ein weiteres kleines bleibt.

    Doch über den berühmten Wiener Freizeitpark lässt sich keine Käseglocke stülpen. „Es unterscheidet uns von Luna-Parks oder Disney World, dass man hier keinen Eintritt zahlt. Jeder kann hier flanieren, aber deshalb müssen wir wachsamer sein“, sagt Riesenrad-Besitzer Petritsch.

    Die meisten wollen sich einfach amüsieren. Die Rotunde „Madame Tussauds“ ist für Touristen vom Balkan, aus Osteuropa und Asien der Platz, wo sie in Scharen ihre Selfies knipsen. Die Wiener führen ihre Gäste tiefer hinein in den Prater – zum Papierrosen-Schießen. André Heller erzählt gern, wie er Jimi Hendrix in diese Zauberwelt brachte, als der ein Konzert in Wien gab.

    Der Prater bedeutet Volkskultur in vielen Varianten. An die Kaiserzeit erinnert nur noch das Lusthaus, das Kaiser Joseph II. von seinem französischen Lieblingsarchitekten Isidore Canevale am Ende der Prater-Hauptallee erbauen ließ. Bis heute werden dort köstliche Mehlspeisen zu moderaten Preisen verzehrt.

    Das Jubiläumsjahr „250 Jahre Wiener Prater“

    Mit einem fulminanten Musikfeuerwerk hat Wien am 1. Januar um 00.00 Uhr auf dem Wintermarkt am Riesenrad das Jubiläumsjahr „250 Jahre Wiener Prater“ begrüßt. Vom 10. März bis 21. August ist im Wien Museum am Karlsplatz 8 die Ausstellung „In den Prater! Wiener Vergnügungen seit 1766“ zu sehen. Anhand seiner großen Sammlung zum Thema Prater zeichnet das Museum die Pratergeschichte und ihre wichtigsten Stationen nach.

    Noch im 18. Jahrhundert siedelten sich Limonadenstände, Imbissbuden, Gasthäuser und Kaffeehäuser entlang der Hauptallee an. 1873 begann die eigentliche Blütezeit im Vorfeld der Weltausstellung. Die Rotunde und das 1897 errichtete Riesenrad wurden zu neuen Wahrzeichen Wiens. Geöffnet Dienstag bis Sonntag & Feiertag, 10 bis 18 Uhr. Ein Teil der Sammlung des Wien Museums ist bis 31. Oktober im Pratermuseum (Oswald-Thomas-Platz 1) zu sehen. Geöffnet Dienstag bis Sonntag und Feiertag 10 bis 13 Uhr und 14 bis 18 Uhr. Am 9. April findet der Blumencorso mit 120 Fiakern, Traktoren und Oldtimern statt. ela/AZ

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