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Der Tod kennt keine Deadline

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Der Tod kennt keine Deadline

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    Winfried Irmler hat mit 17 Jahren bei der Main-Post seine Ausbildung zum Schriftsetzer begonnen. Seit vielen Jahren ist er für die Todesanzeigen zuständig.  Foto: Ivo Knahn
    Winfried Irmler hat mit 17 Jahren bei der Main-Post seine Ausbildung zum Schriftsetzer begonnen. Seit vielen Jahren ist er für die Todesanzeigen zuständig. Foto: Ivo Knahn

    Er ist für die wohl meistbeachteten Seiten dieser Zeitung zuständig. Winfried Irmler kümmert sich seit vielen Jahren überwiegend um die Todesanzeigen, die hier abgedruckt werden. Kein leichter Stoff, mit dem er tagtäglich beruflich hantiert. Hinter den kurzen Texten und kleinen Porträtfotos verbergen sich manchmal brutale Schicksalsschläge, häufig der Verlust eines Menschen, der von anderen sehr geliebt wurde, immer aber das Ende eines Lebens.

    Manchmal sei es hart, unsere Endlichkeit täglich „aufs Brot geschmiert zu bekommen“, sagt der 60-Jährige. Vor allem im Frühjahr, wenn draußen vorm Bürofenster alles auf Neubeginn, Erwachen und Werden ausgerichtet ist, scheinbar nichts ans Sterben und die Vergänglichkeit denkt – dann mache ihn dieser Kontrast zu seiner Arbeit zu schaffen. Dann würde er schon lieber Heirats- oder Geburtsannoncen setzen, sagt er.

    Am liebsten betrachtet Irmler das Ganze aber aus einem eher professionellen, gestalterischen Blickwinkel. So erinnert er sich besonders an solche Todesanzeigen, deren Design nach Ansicht des gelernten Mediengestalters außergewöhnlich gut gelungen sind, die eine geschmackvolle, ungewöhnliche, aber doch dem Anlass angemessene Kombination aus Schriftbild und Layout gefunden haben. Aller Konzentration aufs Formale zum Trotz – den Blick auf die mitunter heftigen Schicksalsschläge, die hinter den Anzeigen stehen, kann ihm auch seine Professionalität nicht gänzlich versperren.

    Vor allem Unfälle, bei denen junge Menschen verunglückt sind, gingen nicht spurlos an einem vorüber. „Man macht sich da so seine Gedanken“, sagt Irmler. Er hat gelernt, zwischen den Zeilen der Traueranzeigentexte zu lesen. Er hat ein sicheres Gespür dafür entwickelt, ob sich hinter den Worten ein tragischer Unfall, eine lange Krankheit oder ein Suizid verbirgt. Und er weiß, was es bedeuten kann, wenn es allzu viele Nachbesserungen, etwa bei der Auflistung der Angehörigen gibt. „Wenn der Lebensgefährte der Tochter plötzlich gestrichen werden soll – was kann das schon bedeuten?“, sagt er. Oder wenn etwa mit dem Leitspruch der Verstorbene seine Angehörigen dazu ermahnt, sich bitte einig zu sein und auch zu bleiben . . .

    Meist bekommt Irmler die Anzeigen-Aufträge von den Bestattungsunternehmen oder als Auftrag von den Geschäftsstellen dieser Zeitung. Dort haben sich die Hinterbliebenen eine Mustervorlage ausgesucht, das Foto des Toten abgegeben und einen Textentwurf gewählt. Aus diesen Bausteinen kreiert Winfried Irmler die Anzeige, sorgt dafür, dass Wunschtext und Anzeigenformat harmonieren, dass die Anzeige eine würdevolle Gestalt annimmt. Für eine Wochenendausgabe kommen da bis zu 50 oder 60 Anzeigen zusammen, sagt Irmler. Alles laufe unter hohem Zeitdruck. Der Tod hält sich eben nicht an Deadlines, zu Deutsch: an Fristen für den Druckschluss. Sollen Todesanzeigen es in die nächste Ausgabe schaffen, müssen sie bis spätestens 17 Uhr am Vortag da sein.

    Bevor eine Anzeige gedruckt wird, wird sie mehrfach gegengelesen. „Traueranzeigen sind ein sensibler Bereich, da sind Tippfehler fatal“, sagt er. Etwa Buchstabendreher, die aus der „geliebten“ Frau, eine „geleibte“ machen. Oder durch die eine „Beisetzung“ plötzlich zur „Besetzung“ oder schlimmer noch zur „Begeisterung“ mutiert. Irmler hat auch ein Auge darauf, ob die vom Kunden ausgesuchten Bilder und Motive urheberrechtlich frei sind. „Unsere Kunden wissen das ja oft gar nicht. Eine Mutter etwa wollte, dass wir eine Comicfigur in die Anzeige einbauen.“ Weil diese Figur aber das geistige Eigentum eines Verlages ist, hätte ihre unerlaubte Verwendung die Kundin teuer zu stehen kommen können.

    Korrekturabzüge der Anzeige gehen immer an die Auftraggeber. Wenn diese Änderungswünsche haben, rufen sie auch bei Irmler direkt an. „Anfangs habe ich damit gerechnet, dass solche Telefonate schwierig werden würden“, sagt er. Weil sich die Hinterbliebenen in einem emotionalen Ausnahmezustand befinden und sicher Wichtigeres im Kopf und auf dem Herzen haben, als dass sie sich mit solch profanen Dingen herumschlagen wollten. Er sollte sich irren: „Es ist wirklich erstaunlich, wie gefasst und sachlich die meisten sind.“

    Einen Trend bei den Todesanzeigen meint Irmler ausgemacht zu haben: Seit einigen Jahren nehmen Anzeigen mit einem Foto des Verstorbenen zu. In anderen Regionen sei das bei Weitem nicht so verbreitet wie hier. „Das liegt aber sicher auch daran, dass es technisch viel einfacher geworden ist, Bilder zu drucken“, sagt Irmler. Früher mussten von Fotos erst sogenannte Klischees angefertigt werden. Das war zeitaufwendig und somit kostspielig für Kunden. Im digitalen Zeitalter ist das anders; ein paar Klicks am Computer genügen, und das Bild ist fertig für den Druck.

    Über die eigene Todesanzeige hat er sich noch nicht den Kopf zerbrochen. „Den Gedanke daran schiebe ich lieber weit weg“, sagt Irmler. Wie sie aussehen soll, weiß er nicht so genau, dafür weiß er, was er sich nicht für sich wünscht: keine Bibel-Zitate oder Ähnliches, die würden zu ihm und seinem Leben nicht passen, sagt er. Und er möchte eine gepflegte, klare Schrift, sagt der Mediengestalter. Es solle einfach zu dem Leben passen, das er geführt habe. Eine Maxime, die sich Irmler für alle Traueranzeigen wünscht.

    „Traueranzeigen sind ein sensibler Bereich, da sind Tippfehler fatal.“

    Winfried Irmler, Mediengestalter

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