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ETZELSBACH: Ein Rosenkranz vom Papst

ETZELSBACH

Ein Rosenkranz vom Papst

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    Sag noch einer, der Papstbesuch sei nicht politisch. Das kleine Kallmerode im thüringischen Eichsfeld ist fahnengeschmückt wie an Fronleichnam, doch dazwischen grüßen große Plakate mit der Aufschrift: Clan Der Unfähigen – CDU, und darunter steht die Zeile, Papst Benedikt möge beten dafür, dass den Politikern endlich die Erleuchtung widerfahre. Kallmerode möchte eine Ortsumgehung, bekommt aber keine. An diesem Tag, dem Tag des „Jahrhundertereignis“, wie die Fernsehdame vom ZDF sagt, ist keine Umgehung nötig.

    Es darf eh fast kein Auto durch das Dorf, es liegt in der Bannmeile der kleinen Wallfahrtskapelle Etzelsbach. Hier war früher zu DDR-Zeiten eine katholische Enklave, auch deshalb wurde die Provinz ausgewählt für den Papstbesuch. Er soll ein Dankeschön sein für das Durchhaltevermögen der Eichsfelder. Die kleine Wallfahrtskapelle Etzelsbach ist seit Langem Ziel katholischer Pilger. Vor über 500 Jahren, so geht die Legende, fand hier ein Bauer beim Pflügen ein Gnadenbild.

    Die Bewohner der Region stehen schon früh am Morgen an den Straßen und bestaunen die Hundertschaften an Polizei und die stetig zunehmenden Pilgerströme. Eine Autobahn wurde gesperrt und zu einem Parkplatz für Reisebusse umfunktioniert, das Tal mit der Kapelle und seinem 20 Hektar großen Veranstaltungsgelände ist für die Gläubigen nur zu Fuß erreichbar. Die Wege reichen von drei bis zehn Kilometer. Es ist scheinbar ein friedliches Bild der Pilger. Denn der Tag wird überschattet von einem Traktorunglück. Auf dem Weg zum Gottesdienst sind fünf Pilger verletzt worden. Zwei von ihnen, ein vier Monate altes Baby und eine Frau, hätten schwere Verletzungen erlitten, sagte ein Polizeisprecher. Die Gruppe war auf dem Hänger eines Traktors auf dem Weg zum Gottesdienst. Die beiden Schwerverletzten wurden per Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen. Am Steuer des Gefährts saß ein 53 Jahre alter Mann. Gegen ihn wird jetzt wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt.

    Auf dem Pilgerfeld bekamen die Menschen von dem Unglück nichts mit. Dort feierten sie ein fröhliches Fest. Sie sangen, spielten Karten oder machten Picknick auf den weiten, gemähten Weiden. Zunächst war nur mit gut 60 000 Pilgern gerechnet worden. Letztlich waren es 90 000, die zu der Marianischen Vesper gekommen waren. Sie bildeten den fulminanten Rahmen für ein beeindruckendes Bild. Bei all der Kritik im Vorfeld des Papst-Besuches war das nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Sicher spielte bei vielen auch die Neugier eine Rolle, einen der berühmtesten Männer der Welt hier in der Provinz einmal live zu erleben.

    Das war hier nicht anders wie bei anderen pompösen Veranstaltungen unserer gewandelten Kultur, die offenbar nach Events einer solchen Größenordnung lechzt. Wie sagte der omnipräsente Philosoph Richard David Precht dieser Tage sinngemäß: Es ist ja nicht der Papst, der das Berliner Olympiastadion füllt, sondern auch der Witzeerzähler Mario Barth. Aber wer sich mit den vielen Pilgern in Etzelsbach unterhielt, konnte zu dem Schluss kommen, dass dieser Gottesdienst nicht nur durch die Inszenierung des Glaubens, sondern auch aus einer tiefen Überzeugung heraus so gut besucht war.

    Die Menschen hier, die Katholiken sind ein Spiegel der Gesellschaft, die natürlich nicht nur Freude empfindet, sondern auch ihre Probleme mit den Normen der Kirche hat. Aber, vielleicht ist das eine Botschaft dieses spätsommerlichen Abends im Eichfeld, es muss nicht nur ein Für und Wider geben. „Es gibt viele von uns, die glauben“, sagte eine ältere Frau aus dem Eichsfeld, „und trotzdem sind wir für Reformen.“

    Hier in der thüringischen Provinz, nahe der hessischen Grenze, wurde ein immenser Aufwand für diesen Tag betrieben. 24 Kilometer Kabel sind verlegt worden, fünf Kilometer Zäune und Gitter riegelten das Gelände weitläufig ab, 1200 Toilettenhäuschen wurden aufgestellt. Als der Papst mit 20 Minuten Verspätung im Hubschrauber am späten Nachmittag im Eichsfeld landete, brandete Jubel unter den Gläubigen auf. „Benedetto, Benedetto“, skandierten die jugendlichen Pilger.

    Die Wallfahrt der Prominenz wurde angeführt von Bundespräsident Christian Wulff. In seinem Papamobil fuhr der Heilige Vater zunächst eine 600 Meter lange Schleife auf einem eigens geteerten Weg durch die Menge. Vieltausendfach klickten die Digitalkameras und Fotohandys. Anschließend erklomm der Papst die mächtige Bühne. Seine Rede in der abendlichen Gebetsstunde im Dämmerlicht der Sonne begann Papst Benedikt mit einem Kompliment: „Seit meiner Jugend habe ich so viel vom Eichsfeld gehört, dass ich einmal herkommen musste, um mit Euch gemeinsam zu beten.“ Er trug einen prächtigen Chormantel aus Goldbrokat und Seide und sang zum Auftakt nach dem traditionellen Ritus „O Gott, komm mir zu Hilfe“.

    Nach seiner philosophischen Rede im Bundestag durfte sich Papst Benedikt in Etzelsbach wieder auf ursprüngliches Terrain begeben. Er widmete seine Rede der Gottesmutter Maria. „In zwei gottlosen Diktaturen, die es darauf anlegten, den Menschen ihren angestammten Glauben zu nehmen, waren sich die Eichsfelder gewiss, hier am Gnadenort Etzelsbach eine offene Tür und eine Stätte inneren Friedens zu finden. Die besondere Freundschaft zu Maria, die daraus gewachsen ist, wollen wir – auch mit der heutigen Marienvesper – weiter pflegen.“

    Zum Abschied schenkte der Papst den Gastgebern einen Rosenkranz, der künftig in der Wallfahrtskirche zu sehen sein wird. Als das Amen verklungen war, stieg Benedikt XVI. wieder in den Hubschrauber und wurde zurück nach Erfurt geflogen. Auf der Bühne sang Paddy Kelly, langsam zogen die Pilger über die Felder wieder davon aus dem Eichsfeld. In Kallmerode war es bald mit der Ruhe wieder vorbei. Die Autos dürfen wieder fahren.

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