Die berühmteste aller Flaggen aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65) lebt noch: Man kann die Kriegsflagge der Südstaaten zum Beispiel als Sticker zum Aufkleben kaufen: 18 Stück für 1,50 Dollar, die 100er-Rolle für 8 Dollar. Natürlich gibt es sie auch als Medaille, auf T-Shirts und Taschen, als Weihnachts-Grußkarte und als Malbuch für Kinder, oder, von russischen Juwelieren in den USA hergestellt, auf einem Fabergé-Ei für 69,95 Dollar. Alles zu bestellen im Online-Shop der „Sons of Confederate Veterans“, der „Söhne der ehemaligen Kämpfer der Konföderierten“. Die Vereinigung hat es sich zum Ziel gesetzt, das Andenken an die Altvorderen hochzuhalten, die „die besten Qualitäten Amerikas verkörperten“.
Diese Art von Südstaaten-Folklore ist an Kitsch kaum zu überbieten, kommt aber harmlos daher. Allerdings hat die Kriegsflagge der Konföderierten – sie wurde entworfen, weil die Nationalfahne zu sehr dem Sternenbanner ähnelte –, auch eine andere, dunkle Seite. Die Südstaaten kämpften schließlich für den Fortbestand der Sklaverei, die der Norden abschaffen wollte.
Die rot-blaue Flagge mit dem Andreaskreuz, in dem 13 weiße Sterne die Südstaaten symbolisieren, kann daher völlig unterschiedlich gesehen werden: als Erinnerung an den heroischen Kampf der Südstaatler, aber auch als Symbol für Sklaverei und Unterdrückung.
Jetzt ist die dunkle Seite der Fahne wieder hervorgetreten: Der 21-jährige Landschaftsgärtner Dylann Roof, der beschuldigt wird, neun schwarze Amerikaner in einer Kirche in Charleston im US-Bundesstaat South Carolina erschossen zu haben, hat sich selbst immer wieder mit dieser Flagge fotografiert. Die Bilder zeigen einen ernsten jungen Weißen, der mal die Flagge, mal eine Waffe trägt. Er soll aus Rassenhass gehandelt haben. Die Fahne wurde zum Symbol für die Bluttat. „Take Down The Flag“, „Entfernt die Fahne“, lautet seither das Motto auf Demonstrationen und im Internet. Besonders in dem Bundesstaat, in dem die Tat geschah, spitzte sich die Lage zu. South Carolina gehörte im Bürgerkrieg zu den Südstaaten. Und die Flagge spielte dort auch später eine unrühmliche Rolle.
Während der Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren, als die Schwarzen gleiche Rechte für sich forderten wie die Weißen, ordnete der Gouverneur von South Carolina an, die Kriegsflagge der Konföderierten auf dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Columbia zu hissen. Es war ein Zeichen, das sich gegen die Schwarzen richtete. Lange wurde daran nichts geändert. Erst im Jahr 2000 wurde festgelegt, dass die Flagge nur noch auf dem Gelände vor dem Kapitol wehen darf, als Teil eines Denkmals. Dass sie dort in den Tagen nach dem Massaker nicht auf halbmast gesetzt wurde, provozierte zusätzlich.
Jetzt hat sich Gouverneurin Nikki Haley ein Herz gefasst und gefordert, die Flagge vor dem Kapitol zu entfernen. Sie respektiere, dass einige Landsleute die Flagge schätzten, nicht als rassistisches Symbol, sondern als Ehrbezeugung für die Vorfahren. Aber, so Haley, selbst wenn die Flagge „Teil unserer Vergangenheit“ war, „sie repräsentiert nicht die Zukunft unseres großartigen Bundesstaates“.
Die Republikanerin stand mit dieser Einschätzung nicht alleine da. Vertreter von Republikanern und Demokraten sowie die beiden Senatoren von South Carolina, von denen einer Afroamerikaner ist, standen an ihrer Seite, als sie dies verkündete. Die 43-jährige Gouverneurin stammt aus einer indischen Einwandererfamilie und gilt als Politikerin mit Zukunft. Das letzte Wort im Flaggenstreit haben indes die Abgeordneten im Parlament des Bundesstaates: Sie müssen mit Zwei-Drittel-Mehrheit entscheiden, ob die Flagge endgültig vom Gelände der Volksvertretung verschwindet.
Was hat die Wende im Flaggenstreit von South Carolina gebracht? Die „New York Times“ nennt in einer Analyse mehrere Gründe: Der Horror, den die Bilder des mutmaßlichen Schützen mit der Flagge auslösten, zähle dazu. Daneben hätten die Gespräche mit den Mitgliedern der betroffenen Kirchengemeinde die Gouverneurin tief beeindruckt. Dann habe zunehmender Druck von Geschäftsleuten gewirkt, die einen Imageschaden für South Carolina befürchten. Und schließlich sei die Kehrtwende der Intervention von führenden Republikanern geschuldet, unter denen sich Präsidentschaftskandidaten befanden. Der bekannteste von ihnen, Jeb Bush, hat während seiner Amtszeit als Gouverneur von Florida übrigens dafür gesorgt, dass die Kriegsfahne vom dortigen Kapitol verschwand.