Das Wort Karrierefrau mag ich nicht.“ Dabei ist Anna-Lena Keller eine Frau, die Karriere macht: Sie ist 24 und leitet die Abteilung Zoll- und Außenwirtschaft im deutschen Hauptsitz des Weltkonzerns SKF. Mit dem Begriff Karrierefrau verbindet die Betriebswirtin das Bild einer verbissenen Streberin. Das ist die blonde, natürliche Frau nicht.
In Deutschland fallen Frauen wie Anna-Lena Keller besonders auf. Denn Karriere ist vor allem Männersache. Darauf macht auch der jährliche „Equal Pay Day“ aufmerksam: Ein Grund dafür, dass Frauen weniger verdienen als Männer, ist, dass sie weniger oft in Führungspositionen sind. Während die Politik darüber diskutiert, das Problem mit der Frauenquote zu lösen, mit der Unternehmen gezwungen werden sollen, weibliche Führungskräfte einzusetzen, geht die Wirtschaft praktischere Wege.
Die Karriere von Anna-Lena Keller unterstützt ein Programm des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft. Finanziert vom Verband der bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeber fördert das zweijährige Projekt 57 Frauen mit Entwicklungspotenzial.
Anna-Lena Keller ist eine solche Frau. Sie hat International Management studiert, 2009 ihren Bachelor of Arts gemacht, dann im Zollbereich der SKF Schweinfurt begonnen und ist seit Juli 2010 mit drei weiteren Kolleginnen der Firma im Förderprogramm.
Warum SKF in Schweinfurt Frauen fördert, erklärt Personalleiter Frank Hirschmann mit typisch weiblichen Führungseigenschaften wie Einfühlungsvermögen und Strukturiertheit. Davon will das Unternehmen stärker profitieren. Ein anderer Aspekt ist, „die prognostizierte demografische Entwicklung und deren Auswirkung auf den Arbeitsmarkt“. Sprich: Weil es weniger qualifizierte Kräfte geben wird, braucht die Wirtschaft Frauen.
Anna-Lena Keller wirkt auf den ersten Blick vor allem sehr jung. Im Besprechungsraum bei SKF Logistics Services in der Schweinfurter Uferstraße fällt ihre angenehme Stimme, die ruhige Art und ihr entspanntes Selbstbewusstsein auf. „Das habe ich ganz gut hingekriegt“, sagt sie bescheiden. Im Unternehmen bekomme sie viel positives Feedback. „Das macht mich schon stolz.“
Kommunikation, Führungsinstrumente, Selbstorganisation sind Themen der Workshops, zu denen sie sechs Mal im Jahr freitags bis samstags nach Iphofen fährt. Übliche Inhalte von Managementseminaren. Zusätzlich werden die Frauen darin geschult, ihre Fähigkeiten zu erkennen, und sie auch besser zu vermarkten. „Obwohl sie die Fähigkeit haben, trauen sich Frauen oft selbst nicht zu, Führungsansprüche zu erheben“, erklärt Mira Bernhart vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft in Unterfranken. 17 Teilnehmerinnen kommen aus der Region.
Anna-Lena Keller ist 2011 Leiterin des Zollbereichs geworden. Sie führt zwei Mitarbeiterinnen und trägt Verantwortung für die Im- und Exportabwicklung im deutschen SKF-Hauptsitz.
Das Programm gibt ihr durch den Aufbau von methodischen und persönlichen Führungskompetenzen Sicherheit. Besonders aber profitiert Keller vom Austausch. Sowohl mit den Teilnehmerinnen, die ähnliche berufliche Herausforderungen bewältigen, als auch intern: Jede Frau wird von einem Mentor aus dem Unternehmen begleitet.
Barbara Faltus, Leiterin der Abteilung Innovation Projects, ist von ihrem Schützling begeistert: „Frau Keller hat in Anbetracht ihres Alters eine bemerkenswerte persönliche Reife, sie ist ehrgeizig und sie hat Durchsetzungskraft.“ Faltus hat im Konzern mit weltweit rund 46 000 Mitarbeitern 30 Jahre Erfahrung gesammelt. Diese gibt sie gerne an ihre junge Kollegin weiter und hilft ihr, wertvolle Kontakte zu knüpfen. „Seilschaften sind unerlässlich“, weiß die Mentorin. „Männern nutzen sie selbstverständlich, Frauen müssen es noch lernen.“
Anna-Lena Keller lernt schnell und gerne. Enormes Fachwissen über Ausfuhrbestimmungen, Handelsabkommen und Zollrecht hat sie sich in kurzer Zeit angeeignet. In der von Männern dominierten Maschinenbaubranche sei sie als junge Frau auf dem Chefsessel in Besprechungen anfangs mit „einer gewissen Anfangsskepsis“ empfangen worden. „Beweist man durch Kompetenz, dass man dort zu Recht sitzt, legt sich das schnell.“
Bei SKF besetzen Frauen nur sieben Prozent der Führungspositionen. „Wir möchten diesen Anteil gezielt erhöhen“, erklärt Personalleiter Hirschmann: „Ohne Frauenquote!“ Aus dem Projekt hätten sich vor allem auch durch die Einbindung von Führungskräften konkrete Vorschläge entwickelt. Auch Mitglieder der SKF-Geschäftsführung haben Workshops besucht. Nur wenn das Umdenken in oberen Köpfen beginnt, wird sich die Unternehmenskultur ändern, so die Herausforderung des Programms.
Wenn Anna-Lena Keller von der Herausforderung berichtet, einen in Russland stecken gebliebenen Container möglichst schnell über die Grenze zu bringen, klingt der Spaß an ihrer Arbeit durch: „Jeder Tag ist anders und bringt etwas Neues.“ Die Vielseitigkeit schätzt sie an ihrer Aufgabe.
Spaß hat Anna-Lena Keller auch in der Freizeit. Sie spielt Flöte, fährt Snowboard oder Inline-Skates, pflegt ihren aktiven Freundeskreis . . . Die Betriebswirtin lebt nicht nur für den Beruf. „Klar“ macht sie Überstunden, verbringt Wochenenden mit Dienstreisen oder Fortbildungen und Feierabende mit Aktenstudium. „Aber wir prahlen nicht mit dem Überstundenberg“, berichtet die junge Frau auch von der Einstellung gleichaltriger Freunde. In der persönlichen Lebensplanung soll sowohl für berufliche als auch für private Ziele Raum sein.
Was sind ihre? „Im Moment füllt mich meine Tätigkeit so aus, dass ich meine nächsten Karriereschritte nicht planen muss.“ Für Familienplanung ist es Anna-Lena Keller, die in einer festen Beziehung lebt, zu früh. Doch beschäftigt hat sie sich mit dem Thema schon und sie wirkt nachdenklich, als sie sagt: „Im Moment könnte ich eine Familie nicht mit meinem Beruf vereinbaren. Welche Prioritäten ich später habe, weiß ich noch nicht.“
„Sie wird ihr Potenzial nutzen“, ist sich Mentorin Faltus sicher. Persönlich wünscht sie ihrer jungen Kollegin, „dass sie ihren Weg im Unternehmen mit einem erfüllten Familienleben vereinbaren kann.“
Im Programm „Frauen in Führungspositionen“ werden auch einige Mütter gefördert. „Das macht Mut“, sagt Anna-Lena Keller. Sie hofft, dass sich der Wunsch nach mehr weiblichen Führungskräften auch in wachsender Flexibilität in den Unternehmen niederschlägt: Viel Arbeit lässt sich am Computer zu Hause erledigen, Meetings können auch zu kinderbetreuungsfreundlicheren Zeiten enden. Bei SKF werden Programme zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerade auf den Weg gebracht.
„Es braucht vermutlich noch mehr Frauen, die zeigen, dass das geht“, meint die 24-Jährige. Wenn sich das ändert, können Frauen der Frage „Kinder oder Karriere?“ mit der Antwort „Karriere und Kinder!“ begegnen. Dann würde das Bild der Karrierefrau auch für junge Frauen mit Potenzial, Frauen wie Anna-Lena Keller, noch sympathischere Züge bekommen.
Equal Pay Day
Auf den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen macht seit 1988 der internationale „Equal Pay Day“ aufmerksam. 2008 hat die Initiative „Business and Professional Women (BPW) Germany“ den Gleichbezahltag auch in Deutschland eingeführt.
Am heutigen Freitag gibt es verschiedene Aktionen zu den Hintergründen der Lohnungleichheit: Das „Equal Pay Day-Bündnis“ Würzburg ist von 11 bis 18 Uhr am Würzburger Sternplatz. In Werneck sind Gleichstellungsbeauftragte aus dem Landkreis Schweinfurt und Werneck von 14 bis 17 Uhr am Balthasar-Neumann-Platz. In Schweinfurt steht am Samstag, 24. März, von 10 bis 13 Uhr ein Infostand der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt in der Spitalstraße. Text: gam