Tränen und Protestkundgebungen an Flughäfen, richterliche Eilbeschlüsse und Widersprüche in der Verwaltung: Mit heißer Nadel genähte Grenzbestimmungen haben US-Flughäfen am Wochenende ins Chaos gestürzt. Präsident Donald Trump verhängte am Freitag (Ortszeit) Einreiseverbote für Flüchtlinge und Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern, doch manche Details blieben bis Sonntag unklar. Opposition und Wirtschaft kritisierten das Dekret scharf. Christliche, jüdische und muslimische Religionsführer hatten schon im Vorfeld protestiert.
Trump hat am Freitagabend (Ortszeit) die Grenzen für eine Vielzahl von Menschen – Muslime aus sieben Ländern – geschlossen. Trump hat die Maßnahmen mit der Notwendigkeit schärferer Kontrollen nach den Terroranschlägen von San Bernardino und 9/11 begründet (2015 und 2001). Kritiker wandten ein, dass die an diesen Attacken beteiligten Ausländer aus Staaten stammten, die von Trumps Erlass gar nicht betroffen sind, darunter Saudi-Arabien und Pakistan. Medien wie die „Washington Post“ ergänzten, dass Trumps Verfügung nur solche Nationen zu treffen scheine, in denen er keine Geschäftsinteressen habe.
Viele waren schon in der Luft
Der abrupte Erlass erwischte zahlreiche Reisende in der Luft. Am Samstag häuften sich Berichte über Festnahmen und Rücksendungen von Reisenden, die einen Arbeitsplatz antreten, ihr Studium aufnehmen, Familienmitglieder besuchen oder einfach nur an ihren Wohnort zurückkehren wollten. Bis zum Abend (Ortszeit) waren nach Angaben des Ministeriums für Heimatschutz 375 Menschen betroffen, von denen 109 in den USA inhaftiert wurden. Der Rest wurde entweder ins Abflugland zurückgeschickt oder hatte das Flugzeug gar nicht erst betreten dürfen. Betroffen waren nicht nur Menschen mit gültigen Visa, sondern auch solche mit Green Cards. Sie leben oft schon seit vielen Jahren in den USA.
Ein CNN-Bericht enthüllte, dass Green-Card-Besitzer vom Weißen Haus gegen den Rat des Heimatschutz-Ministeriums in die Regelung aufgenommen wurden. Hintergrundinformationen anderer Medien stützten die Darstellung, das Dekret sei von politischen Ideologen im Weißen Haus erarbeitet worden, unter weitgehendem Verzicht auf die Expertise der zuständigen Fachabteilungen. Das Justizministerium sei völlig außen vor geblieben.
Als Hauptautor wird Trumps Chefstratege Stephen Bannon vermutet, für den Trump am Samstag den Nationalen Sicherheitsrat umstrukturierte. Der ehemalige Chef der ultrakonservativen Website „Breitbart“ gilt als Liebling weißer Nationalisten, er soll auf die Verfügungen aus Trumps erster Amtswoche zentralen Einfluss gehabt haben. In einem weiteren Dekret vom Samstag beauftragte der Präsident seinen Sicherheitsstab, eine Strategie zur Vernichtung der Terrormiliz Islamischer Staat zu erarbeiten. Im Wahlkampf hatte er behauptet, er habe einen geheimen Plan dafür.
„Es funktioniert sehr schön“
Kritik an seinen Reisebestimmungen wies der US-Präsident am Wochenende zurück. „Es ist kein Moslem-Bann“, erklärte er Reportern im Oval Office. „Wir waren gut vorbereitet, es funktioniert sehr schön. Man sieht es an den Flughäfen.“
Doch an den Airports von Los Angeles über Dallas bis New York demonstrierten Tausende gegen die neue Politik. Auf den Böden arbeiteten ehrenamtliche Anwälte an Laptops; online entstanden Spendentöpfe für ihre Kaffeeversorgung. Die Juristen brauchten lang, um sich Zugang zu den Inhaftierten zu verschaffen. „Wir tappen genauso im Dunkeln wie alle anderen“, sagte ein Grenzschützer am Airport JFK in New York.
Ein Bundesgericht in New York setzte schließlich auf Antrag der American Civil Liberties Union Teile der Regelung einstweilen außer Kraft: Flüchtlinge und Visa-Inhaber, die bereits in den USA sind, dürfen nicht abgewiesen werden. Ein Gericht in Virginia verbot der Regierung, 60 Menschen mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht zu deportieren, die am Flughafen Dulles festsaßen. Zunächst gab es Berichte über Grenzschützer, die diese Auflagen ignorierten. Am Sonntag sagte das Ministerium für Heimatschutz jedoch zu, sich daran zu halten. Dann stellte das Weiße Haus klar, dass Green-Card-Besitzer nun doch einreisen dürften.
Demokratische Kongressabgeordnete verurteilten die Maßnahmen scharf. Die Minderheitenführer in Senat und Repräsentantenhaus, Charles Schumer und Nancy Pelosi, sagten, die Freiheitsstatue habe Tränen in ihren Augen. Feinstein rügte besonders, dass Trump angekündigt hat, verfolgten Christen künftig bevorzugt Zuflucht zu gewähren.
Auch aus der Wirtschaft schlug Trump Kritik entgegen. Besonders heftiger Widerspruch kam aus dem IT-Sektor, der viele Immigranten und Muslime beschäftigt. Einzelne republikanische Mandatsträger äußerten Kritik an ihrem Präsidenten, doch Repräsentantenhaussprecher Paul Ryan erklärte: „Präsident Trump tut gut daran, sicherzustellen, dass wir alles Menschenmögliche tun, um genau zu wissen, wer in unser Land kommt.“
Als Trump im Wahlkampf 2016 eine komplette Grenzschließung für Muslime vorgeschlagen hatte, hatte Ryan noch erklärt, Religionsfreiheit sei ein fundamentales Verfassungsprinzip.