Es war ein gigantisches Projekt, das da am 1. Januar 2010 gestartet worden war: der Elektronische Entgeltnachweis, kurz ELENA. Um Bürokratie und einen Papierwust abzubauen, waren die 3,2 Millionen Arbeitgeber in Deutschland seitdem verpflichtet, sämtliche einkommensrelevanten Daten wie Geburtsdatum, Familienstand, Fehltage oder Einkommen der rund 35 Millionen Beschäftigten hierzulande an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) zu übermitteln. Dort, in der Zentralen Speicherstelle (ZSS) im Würzburger Stadtteil Heuchelhof, wurden die Informationen gesammelt. Bislang wurden zehn Millionen Sendungen mit insgesamt 740 Millionen Datensätzen angenommen, davon wurden bereits 573 Millionen verschlüsselt gespeichert.
55 Millionen Euro verpulvert?
Doch damit ist bald Schluss, das gewaltige Datenpaket muss gelöscht werden: In einer gemeinsamen und dürren Erklärung teilten die zuständigen Bundesministerien für Arbeit sowie Wirtschaft mit, das bislang 55 Millionen Euro teure Verfahren „schnellstmöglich einzustellen“. Grund seien datenschutzrechtliche Bedenken bei der später geplanten Nutzung, offenbar konnte in den Ministerien kein praktikables Konzept für eine elektronische Signatur der Bürger gefunden werden.
Auf der Grundlage des umfassenden Datenpools sollten ab Januar 2012 der Bezug von Arbeitslosen-, Wohn- und Bundeselterngeld abgewickelt werden. Das jedenfalls war das Ziel, als das Bundeskabinett im Jahr 2008 ELENA beschloss. Damals schwärmte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) noch von einer „qualifizierten Signatur“, etwa auf einer modernen Bankkarte oder dem digitalen Personalausweis, mit der sich Bürger im Internet ausweisen sowie rechtssicher unterschreiben können: „Davon profitiert der Verbraucher, der elektronische Handel und die Dienstleistungswirtschaft“, so die Vorstellung des Prichsenstädters. Heute erinnert sich Glos daran, „dass es keine Widerstände gab“. Jetzt aber würde der Datenschutzaspekt innerhalb der FDP offenbar anders bewertet als es damals die SPD in der Großen Koalition getan habe.
Datenschützer indes hatten schon früh Bedenken angemeldet und 2010 eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die Frist des Gerichts zu einer Stellungnahme hat die Bundesregierung nach Informationen dieser Zeitung vor einiger Zeit kommentarlos verstreichen lassen. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Regierung längst nicht mehr geschlossen hinter ihrem eigenen Projekt stand. Das Wirrwarr um ELENA hatte bereits vor einem halben Jahr für Schlagzeilen gesorgt: Obwohl die schwarz-gelbe Koalition das Projekt ausgesetzt hatte, wurden die Daten weiter gespeichert. Ein Bericht dieser Zeitung machte publik: Weder Wirtschafts- noch Arbeitsministerium fühlte sich zuständig: ELENA blieb ungeliebt.
„Schlicht gepennt“
„Wir hatten gefordert, dass das Projekt Realität wird“, sagt Volker Hansen von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Wirtschaft erhoffte sich vom Wegfall des Papierbergs eine Entlastung von 90 Millionen Euro. Mehr noch: ELENA sollte nur die Basis dafür sein, um später einmal alle Sozialleistung digital erfassen zu können. Hansen vermutet nun, „dass die Regierung ELENA einfach hat schleifen lassen. Da wurde schlicht gepennt.“ Eine spätere Neuauflage, wie von den Ministerien in ihrer Mitteilung angekündigt, ist für den BDA-Abteilungsleiter nur schwer vorstellbar, „wenn schon diese Schmalspurversion daneben gegangen ist“.
In Würzburg bei der DRV hüllten sich die Verantwortlichen in Schweigen, Projektleiter Robert Kronthaler wollte sich nicht äußern, sondern ließ auf die DRV-Pressestelle in Berlin verweisen. Dort bestätigte Sprecher Dirk von der Heide, dass in Würzburg 24 Beschäftigte mit ELENA betraut sind. „Das weitere Vorgehen wird mit den zuständigen Ministerien abgestimmt“, sagt er. Einige Mitarbeiter, so ein Insider, seien nach dem Aus für das Projekt „allerdings schon geknickt“.