Nicht nur der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist bei einigen seiner Landsleute höchst umstritten. Auch an Erdogans Sohn Bilal, 35, scheiden sich die Geister. Die einen sehen ihn als tüchtigen Unternehmer und Wohltäter, die anderen werfen ihm zwielichtige Geschäfte vor. Jetzt gerät Bilal Erdogan an seinem Wohnort im italienischen Bologna ins Visier der Fahnder. Der Vorwurf, der von einem alten politischen Rivalen seines Vaters erhoben wird, lautet: Geldwäsche im großen Stil.
Bilal, der jüngere von zwei Erdogan-Söhnen, studierte in den USA und arbeitete unter anderem bei der Weltbank. In Istanbul betätigte er sich als Geschäftsmann und als Vizepräsident der Stiftung Türgev, die sich um die Bildung islamisch-frommer Schülerinnen und Studentinnen kümmert. Im vergangenen Jahr zog er nach Italien, um am Ableger der John-Hopkins-Universität in Bologna seinen Doktor im Fach Internationale Beziehungen zu machen. Türkische Regierungsgegner mutmaßten damals, Bilal sei vor einer möglichen Strafverfolgung geflohen.
Hakan Uzan, ein türkischer Unternehmer, dessen Bruder Cem einst mit einer rechtspopulistischen Partei zum Konkurrenten Erdogans wurde und anschließend ins Ausland floh, alarmierte nach Bilals Umzug die italienische Staatsanwaltschaft: Der Präsidentensohn habe große Summen Geld undeklariert nach Italien gebracht. Da die Uzans dem türkischen Präsidenten eine politisch motivierte Hexenjagd auf ihre Familie vorwerfen, steht hinter ihrer Eingabe an die Staatsanwaltschaft möglicherweise nicht nur der brennende Wunsch nach Gerechtigkeit. Dennoch entschloss sich die italienische Justiz jetzt, sich den Fall genauer anzuschauen. Bilal Erdogans Anwalt weist alle Anschuldigungen zurück.
Telefonmitschnitte
Es ist nicht das erste Mal, dass Bilals Name von Regierungsgegnern im Zusammenhang illegaler finanzieller Machenschaften genannt wird. Vor gut zwei Jahren tauchten Telefonmitschnitte im Internet auf, die von der Opposition als Beweis gewertet wurden, dass Bilal seinem Vater half, angehäufte Millionensummen vor der Staatsanwaltschaft zu verstecken. „Da sind noch 30 Millionen Euro“, soll Bilal gesagt haben, nachdem er einen ganzen Tag damit zugebracht hatte, Bargeld aus dem Haus zu schaffen.
Erdogan bezeichnete die Mitschnitte als Manipulationen und Teil einer Verschwörung des islamischen Predigers Fethullah Gülen.
Doch das blieb nicht der einzige Vorwurf gegen Bilal. Die türkische Regierung selbst bestätigte vor zwei Jahren den Eingang einer Spende von fast 100 Millionen Dollar bei Bilals Stiftung Türgev. Woher das Geld stammte, konnte nicht aufgeklärt werden, die Opposition sprach von Korruption. Bilal Erdogan wurde auch im Zusammenhang mit dem saudischen Unternehmer Yasin al-Kadi genannt, der in den USA wegen angeblicher Nähe zu El Kaida als „Terrorist“ gilt. Istanbuler Ermittler luden Bilal Erdogan wegen seiner Kontakte zu al-Kadi zum Verhör – doch dann wurden die Staatsanwälte auf Druck der Regierung von Bilals Vater abgelöst.