Ein 40 Jahre alter Pädagoge aus Hamburg hat gestanden, vor zehn Jahren den kleinen Dennis und zuvor zwei weitere Jungen umgebracht zu haben. Zudem habe der mutmaßliche Serientäter den Missbrauch mehrerer Kinder zugegeben, teilten Ermittler in Verden (Niedersachsen) am Freitag mit.
Das Amtsgericht Stade erließ Haftbefehl wegen dreifachen Mordes. Der Täter war „Maskenmann“ genannt worden, weil Opfer und Zeugen ihn immer wieder als großen schwarzen Mann mit Gesichtsmaske beschrieben.
Nun war es ein Missbrauchsopfer, das sich an merkwürdige Fragen eines Betreuers erinnerte – und die Ermittler so auf die Spur brachte. Der Mann hat den Ermittlern zufolge gestanden, 1992 den 13 Jahre alten Stefan J., 1995 den achtjährigen Dennis R. und 2001 den neun Jahre alten Dennis K. getötet zu haben. Zudem soll er in rund 40 Fällen Jungen missbraucht haben. Geprüft wird nun, ob dem 40-Jährigen über das Geständnis hinausgehende Taten anzulasten sind.
Die Soko „Dennis“ hatte den Mann bereits 2007 im Visier gehabt, dann aber nicht weiter verdächtigt. „Wir sind erleichtert“, sagte der Verdener Polizeileiter Uwe Jordan.
Der Mann sei Lehramtsstudent gewesen und dann Pädagoge, sagte der Profiler Alexander Horn. Seit seinem 21. Lebensjahr sei er alleinstehend gewesen und so wenig sozialer Kontrolle unterworfen. In der Vergangenheit trat er demnach bereits polizeilich als Sexualtäter in Erscheinung, war aber nicht vorbestraft. Der gebürtige Bremer lebte seit zehn Jahren in Hamburg, war zwischenzeitlich Jugendbetreuer und arbeitete zuletzt in der Erwachsenenbildung.
Menschen aus seinem Umkreis beschrieben den 40-Jährigen als sozial unauffällig, hilfsbereit, nett, akkurat und intelligent. „Im Prinzip hat er vermutlich auch eher eine Art doppelte Buchführung betrieben“, sagte Horn.
Damit entspricht Martin N. dem Täterprofil, das die Ermittler entworfen hatten. Neben dem Geständnis wiesen „exklusives Täterwissen“ des Mannes, Indizien und Beweismittel darauf hin, dass der 40-Jährige tatsächlich der Täter sei, hieß es weiter. Die Wohnung des Mannes in Hamburg wurde am Mittwoch durchsucht, dabei wurde auch sein Computer beschlagnahmt. „Das äußere Erscheinungsbild entspricht dem der Beschreibung der Opfer vom großen Schwarzen Mann“, sagte Martin Erftenbeck, Leiter der Soko „Dennis“.
Den entscheidenden Hinweis gab eines seiner Missbrauchsopfer. Der Zeuge meldete sich nach einem Fahndungsaufruf vor neun Wochen noch einmal bei der Polizei. Er erinnerte sich daran, dass ihn ein Betreuer bei einer Jugendfreizeit in auffälliger Weise über seine Wohnsituation ausgefragt hatte – einige Monate später war er 1995 von einem maskierten Mann missbraucht worden. „Genau dieser Hinweis war der Schlüssel, um die Gesamtserie lösen zu können“, sagte Erftenbeck. An den Tatorten sichergestellte DNA-Spuren ließen sich dem Mann nicht zuordnen. Auch der Hinweis eines Zeugen auf ein Auto, in dem Dennis K. gesessen haben soll, entpuppte sich nicht als „heiße Spur“, ließ aber den nun bedeutsamen Zeugen aktiv werden.
2007 war der Festgenommene schon einmal von der Soko überprüft worden. Er habe aber teils falsche Angaben gemacht, sodass er nicht näher ins Visier der Ermittler geriet, hieß es nun. Einen konkreten Verdacht hatte die Polizei damals nicht, sie überprüfte aktenkundige Sexualstraftäter aus dem norddeutschen Raum. Dazu gehörte auch der Pädagoge, der sich bereits an Jungen vergriffen hatte. „Das war eine Größenordnung von über 1000 Leuten, das muss man sich vor Augen halten“, sagte einer der Ermittler als Antwort darauf, warum die Polizei den Mann nicht näher ins Visier nahm.
1995 soll der frühere Lehramtsstudent Dennis R. aus Nordrhein-Westfalen umgebracht haben, den er in einem Ferienzeltlager in Schleswig-Holstein aufspürte.
1992 wurde nach dem Geständnis des Mannes Stefan J. sein Opfer, er verschwand aus einem Internat im niedersächsischen Scheeßel. Zuletzt soll 2001 dann Dennis K. das Opfer des Pädagogen geworden sein. Der Mann entführte den Jungen aus einem Schullandheim im Kreis Cuxhaven, Pilzsammler fanden später seine Leiche.
Begleitung in der Trauer
Die Verhaftung des mutmaßlichen Mörders dreier Jungen bringt deren Familien nach Expertenansicht erneut in einen emotionalen Ausnahmezustand. „Die Eltern brauchen jetzt ganz viel Unterstützung, ganz viel Verständnis und vor allem kein dummes Gerede noch dem Motto: ,Das ist doch schon so lange her. Ihr habt es bisher doch auch geschafft.'“, sagte Petra Hohn, Vorsitzende des Bundesverbandes Verwaister Eltern.
Die Nachricht, dass Dennis' Mörder nach zehn Jahren doch noch gefasst wurde, sei aber eine Erleichterung für die Eltern. „Es ist eine Genugtuung für ihren toten Sohn“, sagte Hohn. Eltern, deren Kinder einem Gewaltverbrechen zum Opfer fielen, entwickelten meist enorme Kräfte, um dazu beizutragen, den Mörder zu finden. „Wenn der Täter aber nicht gefasst wird, dümpelt man in so einer Grauzone, in einer Enttäuschung. Der Energieschub bleibt aus. Man ist traurig, weil man nichts für sein Kind tun kann.“ Aus dieser Situation seien die betroffenen Familien jetzt herausgerissen.
„Das soziale Umfeld, die Familienangehörigen, die müssen jetzt noch mal ganz stark sein für die Eltern“, sagte Hohn, die Hinterbliebene von Verbrechensopfern unterstützt hat. „Diejenigen, die Dennis' Eltern in den vergangenen zehn Jahren begleitet haben, bei denen müssen jetzt alle Alarmglocken klingeln und für die heißt es jetzt: aushalten, aushalten, aushalten.“ Die Eltern bräuchten „sehr viel Gehör – auch wenn es schon so lange her ist“. Text: dpa
ONLINE-TIPP
Eine Chronologie des Falles sowie Hintergründe zu Kinder-Serienmorden: www.mainpost.de/zeitgeschehen