Elektroschocker, Reizgas und Fußfesseln, die auf Knopfdruck Stromstöße abgeben – Europas Wirtschaft verdient weiter am Handel mit Folter-Instrumenten mit. Ein neuer Bericht der Gefangenhilfsorganisation amnesty international belegt: Das vor fünf Jahren beschlossene Exportverbot ist löchrig.
Am Donnerstag musste sich der Ausschuss für Menschenrechte des Europäischen Parlaments schockierende Details anhören: Zahlreiche EU-Mitgliedstaaten exportieren immer noch Produkte, die zu Folterzwecken missbraucht werden, in Länder, die für eklatante Verstöße gegen die Rechte von Gefangenen bekannt sind. So belieferte Tschechien den Senegal, Venezuela und Pakistan mit Reizgas und Elektroschockern. Deutschland verschickte nachweislich Pfeffer-Spray und besonders harte Teaser (sie verursachen schwere Brandwunden und sekundenlange Schocks) nach Indien und Kamerun, wo sie zur Folter eingesetzt wurden.
Handelsverbot seit fünf Jahren
Die geltende Richtlinie der EU verbietet zwar nicht die Geschäfte mit Material, das auch Polizeibehörden nutzen. Sie untersagt aber ausdrücklich die Ausfuhr in Länder, die für ihre Folterpraxis bekannt sind. Indien und Kamerun gehören dazu.
Vor fünf Jahren erließ die Kommission nämlich ein Handelsverbot für alle Güter, die „außer der Folter und der Vollstreckung der Todesstrafe keinen anderen praktischen Verwendungszweck haben“, wie es in der Richtlinie 1236/2005 heißt. Außerdem sollten alle Waren, die zu legitimen Zwecken, aber eben auch zu Folter eingesetzt werden können, strikt kontrolliert werden. Gemeint waren beispielsweise Fußschellen und sogenannte Viehtreiber, die besonders starke Stromstöße abgeben. Aber auch Daumenfesseln, die immense Schmerzen verursachen und schnell zu Knochenbrüchen führen.
Das Verbot werde „gezielt unterlaufen“, hieß es nun bei der Sitzung des Parlamentsausschusses. Ein „klarer Verstoß gegen das EU-Exportverbot“, sagt die Grünen-Europa-Abgeordnete Barbara Lochbihler, selbst viele Jahre Generalsekretärin der deutschen amnesty-Sektion.
„Handschellen in Übergröße“
Niemand zweifelt die Bedeutung von Handschellen oder Reizgas als Instrumente europäischer Sicherheitsbehörden an. Die Produzenten aber bedienen ganz offensichtlich auch eine andere Käuferschicht. Weil Fußfesseln laut EU-Richtlinie verboten sind, bietet zum Beispiel ein spanischer Hersteller „Handschellen in Übergröße“ an, die durch Nachrüstung mit einer langen Kette zur Fußfessel wird. Die passende Verbindung gibt es als offizielles Zubehör. Andere Produkte waren vor fünf Jahren noch gar nicht verfügbar wie sogenannte Sting Sticks – das sind Stachelprügel aus Metall.
„Europa muss aufpassen, damit seine ethisch so wichtigen Bekenntnisse auch in die Tat umgesetzt werden“, hieß es am Donnerstag in Brüssel. Es gehe nicht um die Frage, ob EU-Händler am weltweiten Markt mit Instrumenten, die zur Folter genutzt würden, einen großen oder kleinen Anteil hätten. „Wir dürfen da überhaupt nicht mitmachen“, forderten Abgeordnete. Die EU-Kommission will nun die geltenden Regelungen anpassen.