Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Wien: „Für Viktor Orban zählt nur, was ihm hilft, an der Macht zu bleiben“

Wien

„Für Viktor Orban zählt nur, was ihm hilft, an der Macht zu bleiben“

    • |
    • |
    Trennen sich am Mittwoch ihre Wege? EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU, links) und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban.
    Trennen sich am Mittwoch ihre Wege? EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU, links) und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Foto: Szilard Koszticsak, dpa

    An diesem Mittwoch wird die Entscheidung der konservativen europäischen Parteienfamilie EVP über den Ausschluss von Viktor Orbans Fidesz-Partei getroffen. Der 1957 aus Ungarn nach Wien emigrierte Journalist Paul Lendvai hat sich mit siebzehn Büchern über Mittel- und Osteuropa, zuletzt „Orbans Ungarn“, einen Namen als Ost- Experte gemacht.

    Frage: Herr Lendvai, Sie beobachten Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban seit langem. Sie haben ihn einen Pokerspieler genannt. Warum?

    Paul Lendvai: Die große Frage ist, wie weit er gehen kann mit seinen Provokationen, den Herausforderungen und dem Bloßstellen der EU. Wo liegt die Grenze? Gegenüber der EVP hat er den taktischen Rückzug eingeleitet. Aber seine Verhandlungspartner müssen wissen, dass er es ist, der das Tempo diktiert. Von ihm hängt es in erster Linie ab, ob er die EU noch einmal ausmanövrieren kann.

    Pokert Orban, dessen rechtsnationaler Partei der Ausschluss aus der Fraktion Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament droht, der EU gegenüber jetzt zu hoch?

    Lendvai: Vielleicht. Für ihn ist Politik ein zynisches Spiel ohne jegliche Prinzipien. Es zählt nur, was ihm hilft, an der Macht zu bleiben und Ungarn weiterhin zu kontrollieren.

    Der Ost-Experte Paul Lendvai
    Der Ost-Experte Paul Lendvai Foto: Attila Kovacs, dpa

    Hat er eine Alternative dazu, auf die Bedingungen von EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber einzugehen?

    Lendvai: Die Frage ist das Timing. Wenn er jetzt aus der EVP ausgeschlossen würde, hat er die Option einer Fraktion mit der polnischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) angekündigt. Es ist unwahrscheinlich, dass er mit den extrem rechten Populisten Marine Le Pen und der österreichischen FPÖ gemeinsame Sache machen wird.

    Wie werden die EVP-Verantwortlichen ihrer Einschätzung nach an diesem Mittwoch entscheiden?

    Lendvai: Ich glaube nicht, dass Fidesz ausgeschlossen wird, wenn Orban nicht weiter provoziert. Entweder wird die Entscheidung vertagt oder eine Suspendierung ausgesprochen.

    Wie beurteilen Sie die Rolle Manfred Webers in diesem Prozess?

    Lendvai: Er hat sich mit seiner Reise nach Ungarn lächerlich gemacht. Mit den verschiedenen Versuchen, sein sogenanntes Ultimatum zu differenzieren und abzuschwächen. Die Frage ist, wodurch die EVP bei den Europawahlen mehr verliert: durch die Versöhnung oder durch den Bruch mit Orban.

    Hat Manfred Weber im Umgang mit Orban Fehler gemacht?

    Lendvai: In den vergangenen Wochen sind seine Schwächen offensichtlich geworden. Er hat schlecht taktiert und so politisches Gewicht verspielt, weil er zur falschen Zeit zu viel geredet hat. Jetzt kann er glücklich sein, wenn er die Mehrheit bekommt. Von ihm erwarte ich nicht sehr viel.

    Was halten Sie von der Idee eines Weisenrates?

    Lendvai: Das sind Spielereien, um die Aufmerksamkeit von den echten politischen Problemen abzulenken.

    Macht es Sinn , dass Weber fordert, dass die Central European University (CEU) in Budapest bleibt?

    Lendvai: Es ist eine interessante Komödie, die die Fidesz gegenüber der CEU aufführt. Die CEU hat alle Bedingungen erfüllt, die das Orban-Regime ihr gestellt hat. Dennoch bekommt sie nicht die rechtskräftige Zusicherung, amerikanische Abschlüsse verleihen zu können. Die Angebote Webers verfehlen die Kernfrage. Es geht nämlich nicht ums Geld und nicht darum, dass zwei weitere respektable Universitäten mit der CEU zusammenarbeiten. Das ist willkommen, aber keineswegs entscheidend. Es geht darum, dass die CEU Sicherheit braucht, um in Budapest weiter zu arbeiten.

    Fidesz provoziert immer wieder mit antisemitischen Angriffen, besonders auf George Soros. Halten Sie Orban für einen Antisemiten?

    Lendvai: Orban ist ein Zyniker, aber nicht stärker antisemitisch als der Durchschnitt. Zum Nationalfeiertag wurde eine große Auszeichnung, der Lorbeerkranz, an einen offen antisemitischen agierenden drittklassigen Schriftsteller verliehen. Orban mag Soros nicht, weil seine Stiftung versucht, die offene Gesellschaft zu fördern und die Rechtstendenzen zu bekämpfen.

    Warum kann Orban nicht mit Opposition leben?

    Lendvai: In Ungarn herrscht eine in der Geschichte des Landes einmalige und in Europa einzigartige verschleierte Kleptokratie. Sie ist gefährdet, wenn die Spitze, zu der Orbans Familie und Freunde gehören, den Schutz ihrer eigenen Gesetze und der von ihnen kontrollierten Justiz verliert. Für sie geht es um Kopf und Kragen. Deshalb werden sie mit Sicherheit die Macht nicht aus den Händen geben.

    Kleptokratie heißt, dass die Herrschenden die Bevölkerung ausplündern. Warum wehrt die Opposition sich nicht stärker dagegen ?

    Lendvai: Sie ist viel zu schwach, zum Teil korrumpiert und immer noch gespalten. Die Frage ist, ob das bei der letzten Demonstration angekündigte Bündnis der ehemaligen extremen Rechten bis hin zu den Sozialisten bis zu den Europawahlen und, noch wichtiger, bis zum Herbst bei den Gemeinderatswahlen in den Städten bleibt. Das Wichtigste ist die Wahl in Budapest.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden