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WÜRZBURG: Gastbeitrag: Würzburgs Bischof über die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs

WÜRZBURG

Gastbeitrag: Würzburgs Bischof über die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs

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    Die Deutsche Bischofskonferenz hat die Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut in Hannover beendet. Grund hierfür ist die fehlende Vertrauensbasis zwischen den deutschen Diözesen und dem Leiter des Instituts, Professor Dr. Christian Pfeiffer. Ohne Vertrauen ist aber eine effektive, störungsfreie und transparente Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der Kirche nicht möglich.

    Professor Pfeiffer hat verbindliche Zusagen nicht eingehalten. Er war nicht in der Lage, zeitnahe Informationen zur Vorgehensweise zu liefern. Sehr negative Erfahrungen gab es auch im Kommunikationsverhalten des Kriminologen. Das Entscheidende aber: Dem Forschungsprojekt fehlte die gebotene Sensibilität bei der Befragung von Opfern sexuellen Missbrauchs. Das Konzept ließ dieses Einfühlungsvermögen vermissen, wie schon der Kriminologe Professor Dr. Klaus Laubenthal betont hat.

    Die Bemühungen um eine rückhaltlose Aufklärung und Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs sind in der Diözese Würzburg in einem umfassenden Zusammenhang zu sehen. Gleich zu Beginn einer Welle von Missbrauchsvorwürfen Anfang 2010 gab die Diözese die Aufgabe des Missbrauchsbeauftragten an einen nicht im kirchlichen Dienst stehenden Fachmann weiter. Seit März 2010 ist Universitätsprofessor Dr.Klaus Laubenthal Missbrauchsbeauftragter. Ihm zur Seite stehen Dr. Claudia Gehring und ein elfköpfiger Arbeitsstab. Es ist jedes Mal äußerst schmerzlich, von einem Missbrauchsvorwurf zu erfahren. Entscheidend war und ist aber stets, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Das steht an erster Stelle.

    Intensive Prüfung im Bistum

    Dank der wertvollen Hilfe Laubenthals wurden Vorwürfe intensiv geprüft. Die Konsequenzen für Täter reichten von Ruhestandsversetzungen über Suspendierungen bis hin zum Verbot priesterlicher Amtshandlungen. Mit mehreren Opfern sexuellen Missbrauchs haben Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand und ich intensive Gespräche geführt. Dabei konnten wir sie um Verzeihung für das widerfahrene Leid bitten.

    Bundesweit richtete die Kirche eine Telefonhotline ein und überarbeitet derzeit nochmals ihre Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch. Generalvikar Hillenbrand wurde mit dem Vorsitz der entsprechenden Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz beauftragt.

    Darüber hinaus ist es Opfern seit März 2011 möglich, einen Antrag auf finanzielle Leistungen in Anerkennung des Leids zu stellen. Mittlerweile haben im Bistum Würzburg zehn Personen eine finanzielle Leistung beantragt und auch erhalten. Insgesamt zahlte die Diözese bislang 42 000 Euro, die nicht aus Kirchensteuermitteln entnommen wurden. Ich kenne keine Einrichtung in Deutschland, die Opfern sexuellen Missbrauchs in ähnlicher Weise entgegenkäme.

    Ein weiterer wichtiger Punkt eines umfassenden Maßnahmenkatalogs ist die transparente Aufarbeitung. 2011 starteten zwei Projekte in der Kirche Deutschlands. Das Forschungsprojekt „Sexuelle Übergriffe durch Geistliche in der katholischen Kirche Deutschlands – Analyse psychiatrisch-psychologischer Gutachten“ stand unter Leitung von Professor Dr. Norbert Leygraf, Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität Essen-Duisburg. Bereits Ende 2012 ermöglichte es mit einer qualitativen und quantitativen Gutachtenanalyse ein umfassendes Bild der Täterpersönlichkeiten. Auch drei Priester der Diözese Würzburg, die des Missbrauchs beschuldigt worden waren, haben sich dieser Untersuchung gestellt.

    Das jetzt in den Schlagzeilen stehende Forschungsprojekt von Professor Pfeiffer sollte durch die Auswertung von Personalakten belastbare Zahlen liefern, zur Aufarbeitung des Geschehens aus Sicht der Opfer beitragen, eine Analyse des Handelns der Täter ermöglichen, das Verhalten der Kirche gegenüber Tätern und Opfern analysieren, das Präventionskonzept überprüfen sowie einem geäußerten Generalverdacht Klerikern gegenüber wehren.

    Leider ist die Zusammenarbeit gescheitert. Die Gründe sind genannt, widersprechen möchte ich hier nur einer Behauptung Pfeiffers: Die Kirche hat keine Zensur ausgeübt und mitnichten die wissenschaftliche Erforschung behindern wollen. Es geht allein um den Datenschutz, den die Kirche zu Recht einfordert. Dieser ist keine kirchliche Erfindung, sondern eine staatliche Bestimmung. Um es deutlich zu sagen: Auch Priester sind kein Freiwild. Sie haben einen Anspruch darauf, dass die gesetzlichen Bestimmungen auch im Umgang mit ihnen gewahrt bleiben. Und noch eine Feststellung: Im Bistum Würzburg wurden keine Akten vernichtet.

    Aufarbeiten und verhindern

    Ebenso wichtig wie die transparente Aufarbeitung der Vergangenheit ist der Blick in die Zukunft. Sexueller Missbrauch soll künftig – soweit möglich – verhindert werden und der Gefahr des Missbrauchs möglichst wirksam begegnet werden können. Seit 2012 arbeitet deshalb Schwester Dagmar Fasel, die frühere Generaloberin der Missionsdominikanerinnen, als Präventionsbeauftragte in der Diözese Würzburg, unterstützt von einem Fachbeirat. Schwerpunkte der Prävention sind aktuell Schulungen in der Jugendarbeit sowie die Information. Außerdem wurden Erweiterte polizeiliche Führungszeugnisse für das gesamte Personal in der Seelsorge und im Verwaltungsdienst eingefordert.

    Auch wenn die Zusammenarbeit mit Professor Pfeiffer beendet ist: Die Aufarbeitung ist nicht gescheitert. Sie geht weiter – mit einem neuen Partner. Mehrere Institute sind mittlerweile an die Bischofskonferenz herangetreten und haben sich als Kooperationspartner angeboten. Ich hoffe, dass wir Bischöfe sehr schnell eine gute Entscheidung treffen können. Denn: Die Kirche stellt sich ihrer Verantwortung. Sie hat keine Angst vor einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs. Sie fordert nur, dass diese seriös geschieht. Die Kirche stellt sich der Wahrheit. Dabei sind ihr die Worte Jesu im Johannesevangelium Richtschnur: „Die Wahrheit wird euch frei machen.“

    Bischof Friedhelm Hofmann

    Der 88. Bischof der Diözese Würzburg, Dr. Friedhelm Hofmann, wurde 1942 in Köln-Lindenthal geboren. Nach dem Abitur studierte er Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte. 1968 wurde Hofmann zum Priester geweiht. Er war lange Jahre in Köln als Künstlerseelsorger und Dompfarrer tätig, bevor er 1992 zum Weihbischof in Köln ernannt wurde. Am 19. September 2004 wurde Hofmann in sein Amt als Bischof von Würzburg im Kiliansdom eingeführt. Sein Wahlspruch lautet: „Crux spes unica“ (Das Kreuz – einzige Hoffnung). FOTO: Biscan

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