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WÜRZBURG: Gesichter der Demenz

WÜRZBURG

Gesichter der Demenz

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    Eine von vielen: Die Frau ist an Alzheimer erkrankt – wie rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland.
    Eine von vielen: Die Frau ist an Alzheimer erkrankt – wie rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland. Foto: Foto: Studio X/Polaris

    Alzheimer ist nach Krebs die am meisten gefürchtete Krankheit. Sie kann jeden treffen kann, Intellektuelle wie den Tübinger Rhetorik-Professor Walter Jens, Prominente wie die 2010 gestorbene Heidi Kabel, Politiker wie den US-Präsidenten Ronald Reagan, aber auch enge Freunde und Bekannte, der eigene Partner. Bei dem in Mainberg bei Schweinfurt geborenen Industriellenerben Gunther Sachs war die Angst so groß, dass er vor einigen Monaten Suizid beging, weil er dachte, er leide unter der „ausweglosen Krankheit“ .

    „Gesichter der Demenz“ heißt das Motto des diesjährigen Welt-Alzheimer-Tages. Und Demenz habe viele Gesichter, erläutert Heike von Lützau-Hohlbein, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, „entsprechend brauchen wir eine jeweils passgenaue medizinische Behandlung, Pflege und soziale Unterstützung“. Es sind jedoch nicht nur Medikamente wichtig bei der Behandlung von Demenzerkrankungen, sondern auch das soziale Umfeld. Dr. Thomas Polak von der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Würzburg sieht die Unterbringung von Demenzkranken in Pflegeheimen als „Notlösung“ an. „In jedem Fall ist es besser, Alzheimer-Patienten zu Hause zu pflegen, damit sie in ihrem vertrauten Umfeld leben.“ Eine Demenz würde sich verschlechtern, wenn Betroffene plötzlich in eine fremde Umgebung versetzt werden. „Dort finden sie sich oft schwer zurecht“, so Oberarzt Polak.

    „In jedem Fall ist es besser, Alzheimer-Patienten zu Hause zu pflegen.“

    Oberarzt Thomas Polak von der Würzburger Uniklinik

    Der Fachmann weiß, dass es für Angehörige von Demenz-Patienten oft sehr schwierig ist, mit der Krankheit und den damit verbundenen Persönlichkeitsveränderungen umzugehen. Seine Ratschläge:

    • Wenn Demenzkranke ihre Umgebung nicht mehr erkennen, ihren Angehörigen Dinge unterstellen, etwa den Diebstahl eines Geldbeutels, der lediglich verlegt worden ist, oder wenn sie ständig vergessen, wohin sie ihre Brille gelegt haben, dann führt das häufig zu Spannungen im Alltag. Aber: Demenz ist eine Krankheit. Hinter dem veränderten Verhalten steckt keine böse Absicht.

    • Demenzkranke sollten wertschätzend behandelt werden und nicht so, als wären sie kleine Kinder. Viele Dinge funktionieren bei ihnen noch sehr gut, beispielsweise das autobiografische Gedächtnis. Und es gibt immer wieder Situationen, in denen es den Betroffenen besser geht. Man kann nicht verallgemeinernd sagen, dass Alzheimerkranke nichts mehr von ihrer Umwelt mitbekommen. Das ist neben dem Schweregrad auch von der Tagesform abhängig.

    • Demenzkranken sollte daher das Gefühl gegeben werden, dass sie noch gebraucht werden. Deshalb sollten Angehörige sie die Dinge verrichten lassen, die sie noch gut können.

    • Wichtig im Umgang mit Demenzkranken ist es, möglichst viele Alltagsinformationen einfließen zu lassen. Etwa: „Jetzt ist 12 Uhr. Gleich gibt es Mittagessen.“ Das trainiert die Realitätswahrnehmung und hilft Betroffenen bei der Orientierung.

    • Informationen über Demenzerkrankungen helfen, sie besser zu verstehen und leichter mit den Patienten umzugehen. Deshalb sollten Angehörige unbedingt Veranstaltungen besuchen, sich im Internet informieren, Pflegekurse belegen oder sich Unterstützung und Entlastungsmöglichkeiten suchen.

    Die häufigste Form der Demenz ist mit rund 60 Prozent aller Fälle die Alzheimer-Erkrankung. Professor Jürgen Deckert, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Würzburg und Leiter der Studie zur Frühdiagnostik von Gedächtniserkrankungen („Vogel-Studie“) sowie Oberarzt Polak, Chef der Arbeitsgruppe Frühdiagnose Demenzen, informieren:

    Bei der Alzheimer-Erkrankung sind nicht, wie bei der vaskulären Demenz, Gefäßstörungen die Ursache. Ein wesentliches Merkmal ist vielmehr die vermehrte Ablagerung von Eiweißstoffen wie Amyloid und Tau-Protein zwischen und in den Nervenzellen. Diese Ablagerungen (Plaques und Fibrillen) sind, wie heute angenommen wird, Ausdruck einer Störung innerhalb der Nervenzellen, sodass sie nicht mehr richtig zusammenarbeiten können. Darüber hinaus entsteht ein Defizit des Botenstoffes Acetylcholin, der Reize von einer Nervenzelle zur nächsten weitergibt und wichtig ist für viele Prozesse wie Erinnern, Denken und Orientieren. Letztlich sterben die Nervenzellen ab.

    Demenz ist eine Erkrankung des Alters. Die Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Lebensalter zu, was nicht heißt, dass nicht auch unter 60-Jährige davon betroffen sein können. Besonders wichtig in jedem Lebensalter ist aber das Erkennen von sogenannten Pseudo- oder Schein-Demenzen, die im Gegensatz zur Alzheimer-Erkrankung rückgängig gemacht werden können. Sie kommen etwa bei einer Depression oder Schilddrüsenunterfunktion vor. Deshalb sollte der Besuch beim Arzt nicht auf die lange Bank geschoben werden.

    Das Gehirn ist gegenüber Krankheitsprozessen relativ robust und widerstandsfähig, es kann sehr lange den Ausfall von Nervenzellen ausgleichen. Deshalb sind beim Auftreten von Ausfallerscheinungen wie Gedächtnisstörungen meist sehr viele Nervenzellen bereits unwiederbringlich geschädigt oder abgestorben. Daher versucht die Forschung, Methoden zu entwickeln, mit denen man Demenzen zu einem früheren Zeitpunkt diagnostizieren kann.

    Die Diagnose können Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie durchführen, ebenso die Gedächtnisambulanz der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Würzburg, Tel. (09 31) 201 77 80.

    Veranstaltungen und Information

    Weltweit sind nach neuesten Schätzungen 36 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Die Prognose ist steigend. Bis 2050 werden den Schätzungen zufolge weltweit 115 Millionen Menschen erkrankt sein. Bundesweit gibt es momentan laut Deutscher Alzheimer Gesellschaft rund 1,2 Millionen Betroffene, bis 2050 werde sich die Zahl mehr als verdoppeln, sind sich Experten sicher.

    Demenz ist ein Oberbegriff für alle Erkrankungen, die mit dem geistigen Abbau aufgrund einer Schädigung des Gehirns einhergehen. Die unheilbare Erkrankung verläuft nicht bei allen Betroffenen gleich. Deshalb lautet das Motto des heutigen Welt-Alzheimer-Tages „Gesichter der Demenz“. Er wurde erstmals 1994 von der internationalen Vereinigung der Alzheimer Gesellschaften ausgerufen und soll weltweit auf die Erkrankung, die Folgen für die Betroffenen und ihre Angehörigen sowie Behandlungsmöglichkeiten aufmerksam machen.

    In Würzburg zeigt die Alzheimer Gesellschaft Würzburg/Unterfranken am morgigen Donnerstag, 22. September, um 18 Uhr im Central Kino (Maxstraße/Eingang Hofstraße) den Film „An ihrer Seite“ über ein älteres Ehepaar und die Veränderungen, die sich einstellen, als die Partnerin an Alzheimer erkrankt. Der Eintritt ist frei. Im Anschluss wird der Psychiater und Neurologe Dr. Martin Lauer von der Uniklinik Würzburg in einem Vortag zum Thema „Demenz-interaktiv – Früherkennung und Therapie“ informieren. Darüber hinaus gibt es Informationsstände im Foyer des Central Kinos. Während der Filmvorführung wird eine Betreuungsgruppe für Menschen mit Demenz angeboten. Anmeldung unter: Tel. (09 31) 38 65 84 50. Kontakt: Alzheimer Gesellschaft Würzburg/Unterfranken sowie HALMA (Hilfen für alte Menschen im Alltag): Tel. (09 31) 28 43 57.

    Bereits am heutigen Welt-Alzheimer-Tag, 21. September, ist ab 17 Uhr in Schweinfurt der Film „Eines Tages . . .“ im KuK-Filmtheater in der Ignaz-Schön-Straße 32 zu sehen (organisiert von der Regionalgruppe Main-Rhön der Alzheimergesellschaft Würzburg/Unterfranken). Er erzählt in drei Episoden von Menschen mit Demenz in unterschiedlichen Krankheitsstadien. Es ist keine Anmeldung erforderlich. Weitere Informationen bei Matthias Matlachowski, Tel. (0 97 21) 77 28 45.

    ONLINE-TIPP

    Links zu regionalen und überregionalen Webseiten über das Thema „Demenz“ unter www.mainpost.de/zeitgeschehen

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