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KÖLN: „Gladbeck, das vergisst man nicht“

KÖLN

„Gladbeck, das vergisst man nicht“

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    „Gladbeck, das vergisst man nicht“
    „Gladbeck, das vergisst man nicht“

    (afp) Seit nunmehr 20 Jahren ist das Foto ein Dokument deutscher Kriminalgeschichte: Im Fluchtauto hält Geiselnehmer Dieter Degowski der 18-jährigen Silke Bischoff die Pistole an den Hals und plaudert zugleich mit Journalisten, die in der Kölner Fußgängerzone einen Pulk um den Wagen der Gladbecker Geiselgangster gebildet haben.

    Kölns langjähriger Polizeichef Winrich Granitzka erinnert sich genau, wie das Foto mit dem angstverzerrten Gesicht der jungen Geisel entstand: „Ein Journalist sagte: 'Halt der noch mal die Knarre an den Hals, ich hab das Bild noch nicht'.“ Es sind Erinnerungen wie diese, die den Zeitzeugen Granitzka noch heute fassungslos machen beim Gedanken an eines der aufsehenerregendsten Verbrechen der Nachkriegszeit.

    Für viele war das Geiseldrama zwischen dem 16. und dem 18. August 1988 ein Trauma – für die Menschen in der Gewalt der Kidnapper, die Journalisten, von denen einige zu Mittätern wurden, und die Polizei, die auf einen solchen Einsatz nicht vorbereitet war. Zwei schwer bewaffnete Täter, die mit wechselnden Geiseln in mehreren Fluchtautos tagelang durch den Nordwesten der Republik rasen und sich dabei Medienleuten für Verhandlungen mit der Polizei bedienen – das hatte es in Deutschland noch nicht gegeben.

    Heftige Kritik am Polizeieinsatz

    54 Stunden dauerte die Geiselnahme, zwei Geiseln starben: der 15-jährige Italiener Emanuele de Giorgi, den Degowski in einem gekaperten Linienbus in Bremen erschoss, und Silke Bischoff, die beim Polizei-Zugriff auf einer Autobahn südlich von Köln durch eine Kugel aus der Waffe von Degowskis Komplizen Hans-Jürgen Rösner starb. Eine weitere junge Frau im Fluchtauto konnte sich retten. Die Polizei geriet danach heftig in die Kritik.

    In Bremen hatten Beamte einen folgenschweren Fehler gemacht, als sie die ebenfalls an der Geiselnahme beteiligte Rösner-Freundin Marion Löblich kurzzeitig festnahmen. Degowski ermordete daraufhin den jungen Italiener. Dann das blutige Ende auf der A 3, das Granitzka als Vizechef des Einsatzstabs in Kölns Polizeipräsidium miterlebte: Die Einsatzleitung habe nur deshalb den Zugriff an dieser Stelle befohlen, weil sie die Limousine der Gangster noch vor der Grenze zu Rheinland-Pfalz stoppen wollte, lautete der Vorwurf.

    „Unsinn“, sagt der 64-jährige Granitzka. „Die Landesgrenze hat bei der Entscheidung überhaupt keine Rolle gespielt“, so der frühere Leitende Polizeidirektor und heutige CDU-Fraktionschef im Kölner Rat. Was dann jedoch beim Zugriff auf der Autobahn passierte, bezeichnet Granitzka schlicht als „schicksalhaft“.

    Wilde Schießerei auf der Autobahn

    Als der vorausfahrende SEK-Wagen zum Rammstoß gegen das Fluchtauto ansetzte, sei der Wagen der Gangster kurz angefahren – genug, um vom Polizeiauto an der falschen Stelle gerammt zu werden. Es folgte eine wilde Schießerei.

    Das Gladbecker Geiseldrama hat vieles verändert. Die Polizei zog Konsequenzen beim Training der Spezialeinheiten, bei Ausrüstung und Strukturen. Medien und Presserat zogen enge Grenzen für die Berichterstattung bei Geiselnahmen. Für die Beteiligten ist Gladbeck aber noch lange nicht Geschichte – auch nicht für Granitzka: „Gladbeck, das vergisst man nicht.“

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