Laufen kann sie nur unter Schmerzen und mithilfe eines Rollators – entmutigen aber lässt sie sich nicht. „Sie hat einen starken Willen“, sagt der Neurologe Matthias Endres über die gegenwärtig prominenteste Patientin der Berliner Charité, die ehemalige ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Nach drei Bandscheibenvorfällen und mehr als zwei Jahren Haft lässt die 53-Jährige sich jetzt in Deutschland behandeln, auf eigene Kosten und mit einem großen Ziel: ihrem politischen Comeback.
„Jetzt wird alles gut“, habe ihre Mutter nach der Landung am Freitagabend auf dem Flughafen Schönefeld gesagt, erzählt ihre Tochter Jewgenija. Sie sei nach Berlin gekommen, weil sie rasch gesund werden wolle, um der Ukraine dienen zu können. Zwei Jahre ist Julia Timoschenko nicht mehr gelaufen, entsprechend unterentwickelt ist ihre Muskulatur, teilweise strahlen die Schmerzen bis weit ins Bein aus, auch die eine oder andere Fehlhaltung haben die Ärzte der Charité bereits diagnostiziert.
Ihre Chancen, wieder gesund zu werden, beurteilt Klinik-Chef Karl Max Einhäupl dennoch als gut. Nach der Therapie werde sie wieder normal laufen können, ohne Krücken und Rollator, verspricht er. Heute soll sich entscheiden, ob Julia Timoschenko operiert wird oder ob ihr zunächst „nur“ Betäubungsmittel und Entzündungshemmer gespritzt werden.
Einhäupl und seine Ärzte kennen ihre Patientin. Mehrfach haben Mediziner der Charité sie im Gefängnis und in einem Krankenhaus in Charkow untersucht – eine Behandlung dort aber hatte die frühere Chefin des Energiekonzerns EESU aus Angst vor einer von ukrainischen Ärzten absichtlich herbeigeführten Hepatitisinfektion abgelehnt.
Alle Angebote des damaligen Außenministers Guido Westerwelle, Julia Timoschenko in Deutschland behandeln zu lassen, hatte die ukrainische Regierung allerdings ausgeschlagen. Ihre prominenteste Kritikerin, in einem höchst umstrittenen Prozess wegen Amtsmissbrauchs, Steuerdelikten und der angeblichen Verwicklung in einen Mordfall zu sieben Jahren Haft verurteilt, blieb inhaftiert. Seitdem nimmt sie nahezu täglich Schmerzmittel.
„Jetzt wird alles gut.“
Julia Timoschenko
Mindestens eine Woche soll die Patientin aus Kiew jetzt in der Charité behandelt werden, obwohl die nichts lieber will als zurück nach Hause. „Frau Timoschenko wird sehr viel Energie darauf verwenden, möglichst schnell wieder in die Ukraine zurückzukommen“, sagt Einhäupl. Seit sie im Februar aus der Haft entlassen wurde, zweifelt in ihrer Heimat kaum noch jemand daran, dass sie bei den Präsidentschaftswahlen antreten wird. Vor ihrem Flug nach Berlin hat die einstige Anführerin der Orangen Revolution bereits als gefeierter Gast an einem Kongress der Europäischen Volkspartei in Dublin teilgenommen und sich dort unter anderem mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und einem ihrer potenziellen Rivalen getroffen, dem früheren Boxweltmeister Vitali Klitschko. In Berlin lässt Julia Timoschenko bisher ihre Tochter für sich sprechen. „Meine Mutter“, sagt die, „ist in großer Sorge um die Ukraine.“