Zuletzt brachte Ana Carolina Reston 40 Kilo auf die Waage - bei 1,74 Meter Körpergröße. Der Tod des Armani-Models machte im vergangenen Jahr Schlagzeilen. Das passt zur Branche, so die einhellige Meinung. Doch Magersucht und ihre zerstörerischen Folgen sind längst nicht mehr nur ein Problem der Laufstege.
In Deutschland leiden 1,4 Millionen junge Menschen unter Essstörungen, 56 Prozent der 13- bis 14-Jährigen Mädchen wollen dünner sein, jede achte Frau ist bereits zwanghaft essgestört. Und jede Zehnte der Erkrankten stirbt an Magersucht. Betroffen sind vor allem Mädchen. Nur einer von zehn Jungen leidet unter Essstörungen.
„Die Todesrate ist die Höchste bei den psychischen Krankheiten“, warnte die Herausgeberin der Zeitschrift „Emma“, Alice Schwarzer. Am Ende gehe es den Betroffenen nur noch darum „sich selber verschwinden zu lassen“, so Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU).
Ist schön gleich schlank? Ist schlank gleich mager? Stimmen die Vorbilder, die die Werbung und die Modebranche tagtäglich präsentieren? Mitnichten: „Nie mager genug zu sein, das macht die Seele krank“, befand Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Zusammen mit Schwarzer, von der Leyen sowie Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) und einigen Prominenten startete sie gestern die große Kampagne „Leben hat Gewicht - gemeinsam gegen den Schlankheitswahn“. Schmidt betonte: „Wir wollen andere Vorbilder.“ Der Schlankheitswahn sei keine „daneben gegangene Mode“, so Schwarzer, sondern inzwischen eine „Massenpsychose in der westlichen Welt“.
Ein Phänomen mit durchaus tödlichen Folgen. Daniela Kühn, einst Eiskunstläuferin, schaffte in letzter Minute noch die Umkehr. 18 Jahre lang hatte sie Essstörungen, Magersucht und Bulimie. 2001 wog sie nur noch 35 Kilogramm. Dann die rettende Wende, jetzt beteiligt sich Kühn an der Kampagne, mit Schockfotos von sich selber will sie aufrütteln. „Man muss das Tabuthema brechen“, meinte sie gestern.
Essstörungen und Magersucht sind eine anonyme Krankheit, Betroffene haben verdeckte Mechanismen und Strategien entwickelt, um nicht entdeckt zu werden.
Die Bundesregierung will über den Jugendmedienschutz Internetangebote, „die eine Anleitungen zur Selbstzerstörung enthalten“, verbieten, kündigte von der Leyen an. Zugleich hoffte Schmidt, die Modebranche per Selbstverpflichtung dazu zu bringen, auf untergewichtige Models zu verzichten. „Magermodels gehören weder auf den Laufsteg noch in die Werbung.“ Es sei absurd, befand Schwarzer, dass sich „in den Ländern des Überflusses Frauen zu Tode hungern“. Auch 60 und 70 Kilo schwere Frauen seien sexy.