Die Familienministerin hat in einen rohbauartigen Raum mit Backsteinwänden und Betonboden geladen. Sie will Fragen zu ihrem neuen Buch „Danke, emanzipiert sind wir selber!“ locker beantworten. Erklären, warum sie als Ministerin nicht die Gouvernante oder „Supernanny“ der Nation sein möchte.
In weißem Blazer und Jeans vermittelt Schröder die unkomplizierte Unschuld auf dem Podium. Seit Tagen hagelt es Verrisse zu ihrer 240-Seiten-Abrechnung mit Rollenbildern, die sie gemeinsam mit ihrer Vertrauten Caroline Waldeck in ihrer Freizeit verfasst hat.
Schon bei der ersten Frage der Moderatorin Ursula Weidenfeld, warum sie das Buch geschrieben hat, gerät Schröder in die Defensive. Sie wolle ihre grundlegende Werthaltung darstellen und ja, sie interessiere sich grundsätzlich für Frauenpolitik. Ihre beste Freundin sei schließlich Feministin.
Schröder führt seit ihrer Jugend einen erbitterten Kampf gegen Feministinnen. Alice Schwarzer hat sie zu ihrer Intimfeindin erklärt. Das würde nicht so viel Aufsehen erregen, wenn von ihr als Ministerin nicht erwartet würde, dass sie für Gleichberechtigung und Frauenfragen eintritt. Schröder lässt in der Diskussion gerne aus, dass sie von Voraussetzungen profitiert, die sie weder geschaffen hat noch garantieren kann. Sie nimmt in ihrem liberalen Weltbild einfach eine Wahlfreiheit für alle Frauen an. Soziale Determinanten ignoriert sie völlig.
Selbst als Quotenfrau 2002 in den Bundestag eingezogen, möchte sie einerseits diesen Makel keiner Frau zumuten, andererseits glaubt sie daran, dass sich Unternehmen selbst eine „Flexi-Quote“ geben. Eine starre Quote will sie partout nicht, auch wenn es ihren Job kostet.
Grünen-Politikerin Claudia Roth legte der „Anti-Frauenministerin“ Schröder deswegen den Rücktritt nahe. SPD-Fraktionsvize Dagmar Ziegler spricht von einer „kapitalen Fehlbesetzung“.
Frau sein heißt, Rechenschaft schuldig zu sein, beschwert sich Schröder in ihrem Buch. Trotzdem rechtfertigt sie auf dem Podium eine Stunde lang ihre Thesen. Sie spricht von einer verkrampften Debatte darüber, wie Frauen ihr Leben führen. Sie sagt, dass die bevormundenden Frauenbewegungen keine Berechtigung mehr hätten, Vorschriften zu machen und Lebensformen abzuurteilen. Sie sei mit dem Etikett „ledig und kinderlos“ als Familienministerin gestartet und später als Rabenmutter beschimpft worden, weil sie wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter wieder im Beruf stand. Sie fühle sich von den Medien an den Pranger gestellt. „Paranoia“, ruft eine Frau aus dem Publikum.
Eigentlich will Kristina Schröder doch nur, dass jede Frau so lebt wie sie will. Einen Entwurf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, hat sie nicht. Stattdessen hält sie sich bedeckt bei Fragen zum Betreuungsgeld und verschiebt die wiederholt angekündigte Gesetzesvorlage bis zur Sommerpause.
Sie will, dass mehr Teilzeitmodelle für Eltern in Führungspositionen angeboten werden, entwirft aber kein verbindliches Konzept. Sie sieht offenbar keine Notwendigkeit darin. Damit beschäftigt, das Elterngeld und den Ausbau der Kita-Plätze – beides Errungenschaften ihrer Vorgängerinnen – abzuwickeln, tut sie wenig für eigene Gesetzesvorlagen.
Viele Frauen im Saal äußern Unmut über Schröders Politik. Zwischenrufe nehmen zu. Fragen beantwortet Schröder mit Floskeln. Dann wird die Diskussion beendet, ein paar Fernsehteams wollen noch Interviews.
Nach 15 Minuten ist der Saal fast leer. Hätte sie ein persönliches Buch über die Erfahrungen als erste Ministerin, die im Amt Mutter wurde, geschrieben, hätte sie im Anschluss vermutlich mehr Autogramme gegeben.
Kristina Schröder, Caroline Waldeck: Danke, emanzipiert sind wir selber! 240 Seiten. Piper-Verlag 2012. 14,99 Euro.