Als Papst Franziskus im September 2014 Albanien besuchte, da erzählte er seine Geschichte über die Begegnung mit Mutter Teresa. Es war das Jahr 1994, Bischöfe und Ordensleute trafen sich im Vatikan zu einer Synode. Während der Sitzungen saß Mutter Theresa unmittelbar hinter Jorge Mario Bergoglio, dem damaligen Weihbischof von Buenos Aires. „Ich bewunderte ihre Kraft, die Entschiedenheit ihrer Äußerungen. Sie ließ sich von den Bischöfen einfach nicht beeindrucken und sagte, was sie sagen wollte“, erzählte Franziskus. Im Scherz fügte er dann hinzu: „Wäre sie meine Obere gewesen, hätte ich Angst vor ihr gehabt.“
„Sie ließ sich von den Bischöfen einfach nicht beeindrucken und sagte, was sie sagen wollte.“
Nun wird der Papst aus Argentinien die Ordensschwester albanischer Herkunft heiligsprechen. Mutter Teresa, mit bürgerlichem Namen Agnese Gonxha Bojaxhiu starb 1997 im Alter von 87 Jahren in Kalkutta. Seit dem 19. Oktober 2003 wird sie in der katholischen Kirche als Selige verehrt. Der Termin für die Heiligsprechung steht noch nicht endgültig fest, anvisiert ist der 4. September 2016. Einen Tag später feiert die katholische Kirche das Gedenken an die Friedensnobelpreisträgerin von 1979. Doch mit solchen profanen Ehrungen hat die Heiligsprechung im Vatikan nichts zu tun. Es geht um Übernatürliches, Unerklärliches. Es geht um Wunder, wissenschaftlich nachgewiesen.
Der Vatikan ließ in sehr offiziösem Italienisch verlautbaren, dass der Heiligsprechung von Mutter Teresa nichts mehr entgegen steht. Im täglichen Bulletin, das das Pressebüro des Heiligen Stuhls veröffentlicht, war zu lesen, dass der Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen, Kardinal Angelo Amato, bei Franziskus zur Audienz war. Bei dieser Gelegenheit stimmte der Papst der Veröffentlichung von vier Erlassen zu. Einer davon betraf ein Wunder, das durch die „Selige Teresa von Kalkutta“ bewirkt worden sei, die wegen ihrer Sorge für Arme, Kranke und Obdachlose weltbekannt gewordene Ordensschwester.
Kenner der Materie verstanden: Es ist soweit, Mutter Teresa wird heiliggesprochen.
Nach den Regeln zur Heiligsprechung in der katholischen Kirche ist ein Wunder notwendig, wenn es sich bei der betreffenden Person nicht um einen Märtyrer handelt. Das Wunder, das Papst Franziskus nun genehmigte, betrifft einen heute 42 Jahre alten Ingenieur aus Brasilien. Er soll am 9. Dezember 2008 durch das Zutun der künftigen Heiligen von einer eigentlich unheilbaren Krankheit geheilt worden sein.
Die Kardinäle der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen segneten den minutiösen Prüfungsprozess ab, bei dem erst sieben Ärzte und anschließend auch eine Theologenkommission ihr Grünes Licht gaben. Die Heilung des Mannes sei nach den Maßstäben der Medizin unerklärbar, mit sieben von sieben Stimmen bekräftigen die zu Rate gezogenen Ärzte am 10. September ihren Beschluss. Man mag es glauben oder nicht, anschließend entschieden die Theologen einstimmig: Die sofortige Heilung des Mannes ist auf die Anrufung von Mutter Teresa zurückzuführen.
Der damals 35-Jährige aus der brasilianischen Diözese Santos sollte am 9. Dezember 2008 operiert werden. Ärzte hatten „multiple Hirnabszesse“ und einen durch einen Tumor ausgelösten „Wasserkopf“ diagnostiziert, eine Nierentransplantation war bereits vorgenommen worden. Die Lebenserwartung des erst seit kurzem verheirateten Mannes war offenbar extrem gering. Er lag, als die Operation beginnen sollte, im Koma. Wie es heißt, verzögerte sich die Operation aus technischen Gründen, der Chirurg verließ den OP-Saal, um eine halbe Stunde später wieder zurückzukehren. Wie der Vatikan mitteilt, habe der Arzt den Patienten dann aufrecht auf dem OP-Bett sitzend, wach und bei Bewusstsein angetroffen. „Was mache ich hier?“, soll der wenige Augenblicke zuvor noch todkranke Mann gefragt haben. In 17 Jahren Dienst habe er so etwas nicht erlebt, gab der Chirurg zu Protokoll. Er habe keine wissenschaftliche Erklärung für den Fall. Der brasilianische Ingenieur erfreut sich bis heute angeblich bester Gesundheit. Die wundersame Heilung, so ist man im Vatikan überzeugt, sei durch das Wirken Mutter Teresas vonstatten gegangen. Insbesondere am Tag der Operation beteten die Ehefrau des Kranken und Familienangehörige zusammen mit einem Priester in der Krankenhaus-Kapelle um die Hilfe der seligen Schutzpatronin der Unheilbaren und Sterbenden.
Mit seiner Genehmigung entschied nun auch Papst Franziskus: Es war ein Wunder Mutter Teresas, das den Kranken heilte.
Heiligsprechung
Selige und Heilige werden in der katholischen Kirche als Vorbilder christlichen Lebens verehrt. Die Seligsprechung erlaubt die offizielle Verehrung eines Verstorbenen in einer bestimmten Region, die Heiligsprechung dehnt diese Verehrung auf die Weltkirche aus. Damit jemand heiliggesprochen werden kann, muss die Seligsprechung vorausgehen.
Den Antrag zur Seligsprechung stellt der örtliche Bischof. Ein Kirchengericht prüft dann, ob die Person tugendhaft gelebt hat, im „Rufe der Heiligkeit“ gestanden, ein Martyrium erlitten oder Wunder bewirkt hat. Nach dem Urteil des Gerichts prüft die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan und gibt eine Empfehlung an den Papst, der dann entscheidet.
Für die Heiligsprechung ist ein auf den Seligen zurückzuführendes Wunder erforderlich (außer bei Märtyrern). Dieses Wunder ist in ei- nem getrennten Verfahren zu belegen. Zu den bekanntesten Heiligen zählen Franz von Assisi, Hildegard von Bingen und Papst Johannes Paul II. Text: dpa