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„Nein“ heißt nun wirklich „Nein“

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„Nein“ heißt nun wirklich „Nein“

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    Viele junge Menschen demonstrieren vor dem Berliner Amtsgericht beim Prozess von Gina-Lisa Lohfink für die „Nein heißt Nein“-Initiative, die sich für die sexuelle Selbstbestimmung einsetzt.
    Viele junge Menschen demonstrieren vor dem Berliner Amtsgericht beim Prozess von Gina-Lisa Lohfink für die „Nein heißt Nein“-Initiative, die sich für die sexuelle Selbstbestimmung einsetzt. Foto: Foto: imago

    Gina-Lisa Lohfink war früher als Model, Busenwunder und Partygirl halbwegs bekannt. Derzeit steht sie allerdings wegen eines aufsehenerregenden Prozesses mehr denn je in den Schlagzeilen und wird unverhofft zum Symbol einer ganzen Frauenbewegung, die nun in der Reform des Sexualstrafrechts gipfelt.

    Lohfink soll nach eigener Aussage vor vier Jahren von zwei Männern vergewaltigt worden sein. Die Berliner Staatsanwaltschaft glaubte ihr jedoch nicht und brummte ihr wegen „falscher Verdächtigung“ eine Geldstrafe von rund 25 000 Euro auf. Dagegen legten Lohfinks Anwälte nun Einspruch ein. Viele Feministinnen haben sich in der Folge mit Lohfink solidarisiert. Vor dem Berliner Amtsgericht protestierten vergangene Woche zahlreiche Frauen mit Gina-Plakaten und skandierten „Nein heißt nein, du bist nicht allein!“. Selbst Familienministerin Manuela Schwesig schaltete sich ein und twitterte bezüglich des Gerichtsprozesses: „Wir brauchen endlich die Verschärfung des Sexualstrafrechts“.

    Verurteilung bleibt kompliziert

    Die Rufe der Familienministerin wurden erhört: Am Donnerstag hat der Bundestag die Reform des Sexualstrafrechts beschlossen. Künftig gilt bei sexuellen Aufforderungen und Anspielungen der klare Grundsatz „Nein heißt nein!“. Im Fokus steht der Paragraf 177 des Strafgesetzbuches, der sexuelle Nötigung und Vergewaltigung unter Strafe stellt: Bislang musste ein Täter Gewalt angewandt, sein Opfer bedroht oder dessen schutzlose Lage ausgenutzt haben, um sich nach diesem Paragrafen strafbar zu machen. Künftig, so sieht es die neue Reform vor, sollen alle nicht einvernehmlichen Handlungen als sexuelle Übergriffe behandelt werden, auch wenn das Opfer nicht Gewalt anwendet und keinen Widerstand leistet. Der neue Maßstab ist nun der entgegenstehende Wille des Opfers, der durch entsprechende Körpersprache oder ein einfaches „Nein“ zum Ausdruck gebracht werden kann. Das klingt an sich nach einer einfachen Regelung, doch schafft sie auch in der Praxis Klarheit?

    Folgendes Szenario: Ein Mann und eine Frau lernen sich eines Abends beim Ausgehen kennen, trinken etwas zusammen und landen später zusammen im Bett. Es wird geküsst und gekuschelt. Plötzlich steigt die Frau aus dem Liebesspiel aus, zeigt an, dass sie das Spiel nicht mehr weitermachen will. Genau hier greift das neue Sexualstrafrecht: Schüttelt die Frau ihren Kopf, wendet sich ab oder sagt auf irgendeine andere Art und Weise „Nein“, bedeutet das für den Mann: Bis hierhin und nicht weiter! Es gibt keinen schwammigen Bereich des Wollens und nicht Wollens mehr. Die Grenzen des Erlaubten und Unerlaubten sind durch die Reform nun klarer geregelt. Allein der entgegengesetzte Wille der Frau (oder des Mannes) zählt. Haben beide einen gemeinsamen Willen und signalisieren nichts anderes, bleibt das Liebesleben zweier Partner ein Tabubereich für Politik und Justiz.

    Wenn auch die Grenzen durch die Reform nun klarer sind, die Verurteilung von Sexualstraftätern bleibt kompliziert – gerade wenn zwei Aussagen gegeneinanderstehen. Wer auf eine höhere Verurteilungsquote hofft, wird nach Angaben von Sven Rebehn, Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes, enttäuscht. „Bei Aussage gegen Aussage wird es für die Justiz nun besonders schwer, ohne weitere Anhaltspunkte zu einer Verurteilung zu kommen.“ Schließlich sei das nun wegfallende Droh- und Gewaltelement eine große Hilfe bei der Urteilsbildung gewesen. Rehbehn kritisiert, dass das Gesetz überstürzt verabschiedet worden ist. „Die Tatbestände sind unzureichend aufeinander abgestimmt“, sagt Rehbehn. Es sei offensichtlich Schnelligkeit vor Sorgfalt gegangen, weil die Reform unbedingt noch vor der Sommerpause verabschiedet werden sollte.

    Mehr Macht für das Opfer

    Das neue Sexualstrafrecht verleiht den Opfern mehr Macht. Diese Macht macht vielen auch Angst. „Was leidenschaftliche Liebesnacht und was Vergewaltigung war, definiert die Frau am Tag danach. Die Folge: Bei den Sexualpartnern zieht Misstrauen ein“, schreibt die Journalistin Sabine Rückert in der „Zeit“. Das Intime gerate in Verdacht und das Schlafzimmer werde zum gefährlichen Ort. Die Angst vor einer Flut von Falschaussagen macht sich bei vielen breit. Sven Rebehn sieht da keine erhöhte Gefahr: „Ich glaube nicht, dass es mehr Falschaussagen geben wird.“ Die Hemmschwelle für falsche Beschuldigungen werde durch die Reform nicht sinken. Die Quote für Falschaussagen ist ohnehin niedrig, liegt nach Angaben des Deutschen Frauenrates bei gerade einmal drei Prozent. Hingegen werden nach Angaben der Frauenrechtsorganisation „Terres des Femmes“ gerade einmal fünf Prozent aller Sexualstraftaten angezeigt.

    Ob die Reform Gina-Lisa Lohfink zur Rettung kommen wird, darf bezweifelt werden. Sie behauptet nämlich, an besagtem Abend unter dem Einfluss von K.-o.-Tropfen gestanden zu haben. In diesem Fall wäre ein vorhandener Wille zum Geschlechtsverkehr wohl nicht aussagekräftig. Toxikologische Untersuchungen ergaben jedoch keinen Hinweis auf irgendwelche Tropfen. Gina-Lisa wird für ihr „Nein“ weiterkämpfen müssen.

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