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WÜRZBURG: Neues Buch: Wie Kirchen ihr Vermögen kleinrechnen

WÜRZBURG

Neues Buch: Wie Kirchen ihr Vermögen kleinrechnen

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    Kirche (Symbolbild)
    Kirche (Symbolbild) Foto: Patrick Seeger (dpa)

    Der Politologe Carsten Frerk hält die beiden großen Staatskirchen für die besten Lobbyisten Deutschlands. Wie Frerk für sein neues Buch „Kirchenrepublik Deutschland“ recherchiert hat, nehmen die beiden großen Kirchen seit der Gründung der Bundesrepublik massiv und systematisch Einfluss auf die Politik.

    Frage: Als Autor des „Violettbuchs Kirchenfinanzen“ haben Sie die Existenz der geheimen Kassen deutscher Bistümer öffentlich gemacht. Sind die Kirchenfinanzen mittlerweile durchsichtiger?

    Carsten Frerk: Nach dem Fall Limburg haben sich mehrere katholische Bistümer veranlasst gesehen, Finanzberichte vorzulegen, in denen nach den Regeln des Handelsgesetzbuches bilanziert wird. Das ist etwas völlig Neues. Denn darin sind weitgehend auch die beträchtlichen Vermögenswerte des Bischöflichen Stuhls enthalten. Darüber gab es früher keinerlei Informationen. Die evangelischen Landeskirchen halten sich allerdings immer noch, was ihre Vermögenswerte angeht, sehr bedeckt.

    Vermuten Sie ähnlich hohe geheime Vermögenswerte bei den evangelischen Kirchen?

    Frerk: Ja. Beide Kirchen sind über Jahrzehnte relativ vergleichbar in ihrer Mitgliederzahl gewesen, haben also die gleiche Größenordnung von Kirchensteuereinnahmen erwirtschaftet – und die evangelische Kirche ist sogar, was ihren Grundbesitz angeht, deutlich reicher als die katholische. Gerade im Osten Deutschlands hat die evangelische Kirche nach der Wiedervereinigung einen erheblichen Zuwachs an Grundbesitz bekommen, der ja auch durch die SED nie angetastet worden ist.

    Was müsste passieren, damit auch die evangelische Kirche ihre Finanzlage transparenter macht?

    Frerk: Die Kirche befindet sich da in einem Dilemma. In Deutschland gilt, nach einer Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht, nur eine arme Kirche als glaubwürdig. Möglicherweise hat sich in Bezug auf ihr Image die katholische Kirche mit der neuen Transparenz keinen Gefallen getan. Die Kirchen legen ja großen Wert drauf, bei Spenden und Vermächtnissen bedacht zu werden – wenn sie als ungeheuer reich gelten, brechen ihnen vielleicht diese Einnahmen weg. Die evangelische Kirche sieht daher derzeit keinen Anlass, über ihr Vermögen zu sprechen.

    Stimmt es, dass beide deutschen Kirchen es um jeden Preis vermeiden, ihr Vermögen anzugreifen?

    Frerk: Einnahmen und Ausgaben müssen sich decken. Und weil vorauszusehen ist, dass mittelfristig wegen einer geringeren Zahl von Kirchensteuerzahlern geringere Einnahmen zu erwarten sind, greifen die Kirchen dem jetzt schon vor, indem sie Stellen kürzen oder Sparhaushalte aufstellen. Man kann an den Haushalten gerade der katholischen Diözesen schön sehen, wie Kirchensteuereinnahmen in andere Vermögensträger – wie die Priesterstiftung oder die Seminarstiftung – weggeparkt und ausgelagert werden; als Rücklagen für schlechtere Zeiten.

    Sie unterstellen den katholischen Kirchen, der neuen Transparenz zum Trotz, noch immer bei der Offenlegung ihres Immobilien-Vermögens zu schummeln.

    Frerk: Ich unterstelle es ihnen nicht. Das ist offensichtlich! Was die Kirche macht, ist, dass sie nach dem Handelsgesetzbuch bilanziert. Das ist finanzrechtlich korrekt. Der kleine Trick dabei ist aber, dass beim Bilanzieren nach dem Handelsgesetzbuch Vermögen kleingerechnet wird. Bei Immobilien kann man das gut sehen: Gebäude werden nach dem Handelsgesetzbuch linear abgeschrieben; nach dreißig, vierzig Jahren haben die Gebäude dann rein finanztechnisch nur noch den Erinnerungswert von einem Euro.

    Weshalb – um ein besonders krasses Beispiel zu nehmen – der Kölner Dom nach Handelsgesetzbuch gerade mal 27 Euro wert ist. Und das ist natürlich der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln.

    Sie rufen in Ihrem neuen Buch die „Kirchenrepublik Deutschland“ aus. Wie kann es eine „Kirchenrepublik“ geben in einem Land, das im Grundgesetz zwischen Kirche und Staat klar trennt?

    Frerk: Ich habe, als ich mit dem Buch begann, die Frage gestellt: „Warum ist das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland so auffällig stabil?“ Unabhängig davon, wie viele Skandale die Kirche erschüttern, bleibt es felsenfest. Also habe ich untersucht, welchen Einfluss die Kirche nimmt auf Parteien, auf Parlamente. Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass ihr Einfluss so stark ist, dass man die Kirchen getrost als „Staatsflüsterer“ bezeichnen kann. Sie sichern durch eine umfangreiche und intensive Lobbyarbeit ihre Machtstrukturen. Tatsächlich haben die Kirchen innerhalb des Staates Einflussmöglichkeiten, die ihnen juristisch gar nicht zustehen.

    Laut Ihren Recherchen nehmen die Kirchen seit Jahrzehnten auf Gesetzgebungsverfahren in Bund und Ländern Einfluss – ohne dass sie dazu berechtigt wären. Wie genau funktioniert das?

    Frerk: Es ist geübte Praxis, dass politische Beamte und auch Parteien die Entwürfe von Gesetzen den Kirchen zur Stellungnahme hinüberreichen. Das hat sich nach dem Krieg eingebürgert – weil die Kirchen nach dem Ende des „Dritten Reiches“ als einzige zentrale moralische Instanz galten. Die Rolle als Sprecher der deutschen Bevölkerung haben die Kirchen schnell und gerne übernommen. Und in diesen Jahren sind viele offizielle und inoffizielle Regelungen beschlossen worden, die heute noch gelten. Tatsache ist, dass katholische und evangelische Büros bei Gesetzesvorhaben jeder Art sehr frühzeitig drüber informiert werden, was anliegt.

    Es ist nicht illegal, wenn einer Institution ein Gesetzesentwurf vorgelegt wird.

    Frerk: Das muss man im Einzelfall anschauen. Das hängt auch von den Geschäftsordnungen der einzelnen Ministerien ab. Und darin ist aufgelistet, welche Verbände bei Gesetzgebungsverfahren in welcher Form informiert und gehört werden müssen. Denn natürlich braucht die Politik den Sachverstand von Branchenkennern, braucht Stellungnahmen einzelner Institutionen. Der springende Punkt ist, dass die Kirchen es immer vermieden haben, in diesen Geschäftsordnungen genannt zu werden. Sie sind auch im Lobbyregister nicht genannt. Was ich kritisiere, ist, dass die Kirchen ohne juristische Legitimation gemäß einer stillschweigenden Übereinkunft alle Gesetzesvorhaben begutachten dürfen und davon auch regen Gebrauch machen. Inwieweit sie in dieser frühen Phase dann in Vorhaben eingreifen, ist völlig intransparent.

    Ist es denn wirklich falsch, wenn sich Kirchenvertreter öffentlich für christliche Werte einsetzen?

    Frerk: Jeder Verband hat natürlich das Recht, seine Positionen über Lobbyarbeit zu stärken. Aber dass zu einer Zeit, wo mehr als ein Drittel der Bevölkerung keiner Kirche mehr angehört und die Zahl der gläubigen Kirchenmitglieder nur noch 20 Prozent beträgt, Kirchen weiterhin Gesetze beeinflussen, die für alle gelten, halte ich für sehr angreifbar.

    Kirchenkritiker Carsten Frerk
    Kirchenkritiker Carsten Frerk Foto: privat

    Carsten Frerk

    Der Politologe aus Berlin, Jahrgang 1945, ist durch seine kirchenkritischen Bücher bekannt geworden. Große Aufmerksamkeit erlangte er mit seinen Veröffentlichungen zur Kirchenfinanzierung in Deutsch- land und Österreich. Zeitweise hat er als Dozent der Freien Universität Berlin gearbeitet; außer- dem war er Redaktionsleiter für den Humanistischen Pressedienst. Frerk ist bekennender Atheist.

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