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WIEN: Österreich rüstet auf

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Österreich rüstet auf

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    Stillgelegte Panzer warten auf die Zerlegung. Diese Bilder sollen nach dem Willen des österreichischen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil bald der Vergangenheit angehören. Der SPÖ-Politiker will aufrüsten.
    Stillgelegte Panzer warten auf die Zerlegung. Diese Bilder sollen nach dem Willen des österreichischen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil bald der Vergangenheit angehören. Der SPÖ-Politiker will aufrüsten. Foto: Foto: Marco Tirl, dpa

    Manche Geschichten werden immer wieder erzählt, eine lautet so: Als russische Truppen am 21. August 1968 in Prag einmarschierten, um den Prager Frühling zu beenden, saßen in Wien die Gäste eines Beisls - einer kleinen Gaststätte also - wie gebannt vor dem Fernseher. Als der Sprecher ankündigte, das österreichische Bundesheer werde in die Bereitstellungsräume ausrücken, um das Land zu verteidigen, brachen alle in Gelächter aus.

    Die militärische Schlagkraft des neutralen Nachkriegs-Österreichs war nie stark, doch nie war sie so schwach wie heute. Der ehrgeizige Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) nimmt die Flüchtlingskrise zum Anlass, um das zu ändern. Er wünscht sich, dass die Zahl der einsatzbereiten Berufs- und Zeitsoldaten mittelfristig verdreifacht und das Budget mehr als verdoppelt werden.

    Doskozils „Migrationskarte“

    Das hat, wie zurzeit fast alles in Österreich, etwas mit der Flüchtlingskrise zu tun.

    Als sich in der vergangenen Woche die Verteidigungsminister von Tschechien, Kroatien, Ungarn, Mazedonien, Montenegro, Polen, Serbien, Slowenien und der Slowakei in Wien trafen, legte Doskozil eine martialische „Migrationskarte“ vor. Als inge es um Truppenbewegungen auf militärischen Karten werden die Routen von Flüchtlingen aus Asien und Afrika seit Jahresbeginn als dicke und dünne farbige Pfeile dargestellt. Kreise zeigen, wie viele „Vertriebene“ sich noch in Lagern in der Region aufhalten. Gleichzeitig kündigte Doskozil an, dass das österreichische Bundesheer in Zukunft gemeinsam mit der Polizei die Grenzen schützen werde. Auch am Brenner werde es notfalls gemeinsame Grenzkontrollen geben.

    Zurzeit hat Österreich nur 2200 Soldaten als rasch einsatzbereite Krisenstreitkräfte im Heer. Insgesamt gibt es 14 000 Soldaten und sechs Monate Wehrdienst. Hinzu kommen 25 000 schlecht ausgerüstete Milizionäre. Haupteinsatzbereich war in den letzten Jahren die Katasstrophenhilfe im In- und Ausland. Darüber hinaus stellt Österreich 951 Soldaten UN und EU Missionen zur Verfügung: die meisten auf dem Balkan, aber auch im Libanon, Mali und anderen Ländern.

    1500 Soldaten, darunter auch Wehrpflichtige, sind schon jetzt an den Grenzen zu Slowenien und Ungarn tätig. „Wir sind ausgereizt in unserer Durchhaltefähigkeit“, so Doskozil. Nach dem Kalten Krieg hatte man das personalstarke, aber schlecht ausgestattete Heer abgerüstet. Panzer und Kasernen wurden verkauft. Gleichzeitig kaufte die Regierung Wolfgang Schüssel Eurofighter, denen die zur Luftraumabwehr notwendigen Komponenten aus Kostengründen fehlen.

    Militärstrategen und Politik kalkulierten damals mit einer zehnjährigen Vorwarnzeit für einen bewaffneten Konflikt. Seit Russland die Krim besetzte, so schreibt Der Standard, zirkulieren im Bundesheer Analysen, nach denen diese Vorwarnzeit bereits läuft. Generalstabschef Othmar Commenda sagte kürzlich, wer noch nicht begriffen habe, dass auf Europa eine massive Bedrohung zukomme, „der lebt hinter dem Mond“. Geplante Kasernenverkäufe wurden gestoppt, andere Sparmaßnahmen liegen auf Eis.

    Der Sparkurs ist Vergangenheit, nur Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist noch nicht bereit, Geld locker zu machen. Der Sozialdemokrat Doskozil bekommt jedoch schon viel Zustimmung von Abgeordneten der ÖVP und natürlich von den rechtspopulitischen Freiheitlichen.

    Der ÖVP-Erfolg bei den Wählern ist übrigens ein wichtiger Grund für Doskozils Mut und den Rückenwind in den eigenen Reihen. Unter dem Druck der Rechten ist auch die SPÖ bereit, sich mit den Mitgliedstaaten der Zentraleuropäischen Verteidigungskooperation auf die gemeinsame Sicherung der Grenzen vorzubereiten. Die Abwehr der Migranten, wie Doskozil auch Flüchtlinge nennt, ist dazu ein willkommener Vorwand.

    Österreichs Verteidigungsminister ist der Mangel an Personal bei der EU Grenzagentur Frontex dabei ein willkommener Anlass, eigen Stärke und Entschlussfreudigkeit zu demonstrieren. Am 18 April beim EU Verteidigunsgministertreffen will er für seine Pläne werben, was die zivil-militärische Zusammenarbeit angeht. Kurz darauf fallen auch die Budgetentscheidungen in Wien. Doskozil also im Zweifrontenkrieg, in der Wiener großen Koalition und den Partnern in der EU.

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