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BRATISLAVA: Opposition begünstigte Orbáns Wahlsieg

BRATISLAVA

Opposition begünstigte Orbáns Wahlsieg

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    Victor Orbán, EU-kritischer Ministerpräsident Ungarns, klatscht mit seinem Team und seinen Unterstützern während einer Ansprache nach der gewonnenen Wahl.
    Victor Orbán, EU-kritischer Ministerpräsident Ungarns, klatscht mit seinem Team und seinen Unterstützern während einer Ansprache nach der gewonnenen Wahl. Foto: Foto: Darko Vojinovic, dpa

    In Ungarn hat am Sonntag die rechtskonservative FIDESZ mit ihrem Chef Viktor Orbán 133 von 199 Sitzen und damit zwei Drittel der Parlamentsmandate gewonnen. Orbán hatte bereits zuvor zweimal eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Damit konnte er im Jahr 2011 das Wahlverfahren ändern, was sich jetzt zu seinen Gunsten ausgewirkt hat.

    „Ungarn hat heute einen großen Sieg errungen“, erklärte Orbán, der seinen Wahlkampf mit den nationalen Interessen des Landes und der Angst vor der Zuwanderung bestritten hatte. Zum antisemitischen Feindbild machte die FIDESZ den aus Ungarn stammenden US-Milliardär George Soros. Er überlebte in Ungarn den Holocaust und finanziert jetzt demokratische Initiativen in seiner Heimat.

    Der Budapester Politologe Zoltan Pallinger von der Andrassy Universität rechnet damit, dass Ungarns Position in der EU nun stärker wird. „Durch diesen Wahlsieg wird Viktor Orbán eine Führungsrolle für alle Europaskeptiker übernehmen“, sagte er dieser Redaktion. Das gelte nicht nur für die Visegrad-4-Kooperationspartner Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn. Auch Österreichs neue Regierung könne fallweise den Kurs unterstützen.

    „Viktor Orban ist nicht per se Anti-EU. Er will weniger Integration und mehr nationale Regelungen“, so Pallinger. Bei der Sicherung der Grenzen, der gemeinsamen Flüchtlingspolitik oder einer europäischen Armee sei Orbán für mehr Zusammenarbeit.

    Beobachter nennen zwei Ursachen für das Ergebnis dieser Wahl, die die zweithöchste Wahlbeteiligung in Ungarn seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte. Erstens gebe es einen eklatanten Unterschied zwischen dem Wahlverhalten in der Stadt und auf dem Land. Die Landbevölkerung konnte stark mobilisiert werden und wählte Orbán. Das liegt zum Teil an den gleichgeschalteten Medien. Staatsfernsehen und Staatsrundfunk werden seit 2011 von der Regierung kontrolliert. Auch die Regionalzeitungen sind seit 2016 komplett in Händen von Freunden Orbáns.

    Der zweite Grund für Orbáns Sieg ist die Zersplitterung der Opposition. Zwölf von Budapests 18 Direktwahlkreisen gewannen die Oppositionsparteien. Hätten sie ihre Anstrengungen koordiniert, dann hätten sie alle 18 gewinnen können. Damit wäre Orbáns Zwei-Drittel-Mehrheit unmöglich geworden. Nun erhielt die Rechtspartei Jobbik 26 Mandate. Vier linke und grüne Gruppierungen kamen zusammen auf 37 Mandate.

    Während der letzten Wochen des Wahlkampfes häuften sich Meldungen über Korruptionsfälle im Orbán-Umfeld. Sie hätten der Opposition nutzen können. Doch auf dem Land drangen sie damit nicht durch.

    Die EU-Betrugsbehörde OLAF ermittelt in verschiedenen Fällen. Orbán und seine Regierung hängen bei ihren staatlichen Investitionen im Lande zu 90 Prozent von EU-Geldern ab. Etwa 30 Milliarden Euro flossen aus unterschiedlichen EU-Kassen in den vergangenen sieben Jahren nach Ungarn. Die wirtschaftliche Lage ist durch eine niedrige Körperschaftssteuer für Unternehmen und gut ausgebildete Fachkräfte attraktiv für ausländische Unternehmen. Der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer zeigte sich am Montag erfreut über Orbáns Wahlsieg. CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber aus Augsburg verteidigte Orbán im Deutschlandfunk gegen „Pauschalkritik“ aus Europa. Ungarn erfülle unter Orbán die Grundvoraussetzungen für einen demokratischen Rechtsstaat, sagte Ferber. Die antisemitischen Äußerungen Orbáns und seiner Partei während des Wahlkampfes und die Angriffe auf Soros machten ihm Sorgen.

    In der EU laufen bereits Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn. Der Budapester Politologe Pallinger erinnert daran, dass Orbán oft den Rückzug angetreten habe, wenn eine seiner Maßnahmen gegen EU-Regeln verstoßen habe. Er weigere sich jedoch, das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Aufnahme von Flüchtlingen umzusetzen. „Die Demokratie in Ungarn ist in den letzten Jahren immer schlechter geworden. Die konsolidierte Rechtsstaatlichkeit funktioniert nicht mehr voll“ so Pallinger. Die Unabhängigkeit der Justiz ist durch die Veränderungen der vergangenen zwei Legislaturperioden nicht mehr komplett gegeben.

    Noch in der Nacht gratulierten die europäischen Rechtspopulisten Geert Wilders aus den Niederlanden, Marine Le Pen aus Frankreich und Beatrix von Storch für die AfD. Polens Vizeaußenminister Szymanski schrieb: „Der Sieg bestätigt die Emanzipation Osteuropas.“ Für eine Europäische Union der Integration bedeutet dieser Wahlsieg Orbáns zweifellos einen Rückschritt. Mit Bangen schauen viele nun auf die Europawahl im Mai 2019.

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