Am Anfang steht eine gute Idee: Die Kollegen vom NDR-Fernsehmagazin „Panorama“ machen sich Gedanken darüber, wie sie darauf reagieren sollen, dass die deutschen Medien von den Demonstranten in Dresden pauschal als „Lügenpresse“ verunglimpft werden. Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ behaupten, Journalisten würden die Nachrichten über ihre Bewegung Pegida bewusst manipulieren, um die Teilnehmer zu diffamieren und in ein schlechtes Licht zu stellen. Also nimmt das NDR-Team seine Kamera, mischt sich unter das protestierende Volk und und lässt die Menschen einfach reden. Die Aussagen werden später in voller Länge, ungeschnitten und unkommentiert, veröffentlicht. „Kontaktversuch: ,Lügenpresse‘ trifft Pegida“ heißt das Projekt. Doch ausgerechnet ein Kollege lässt die gute Idee des Fernsehteams zum Fiasko werden.
Denn, was die NDR-Leute nicht wissen: Einer ihrer Gesprächspartner, der da über den drohenden Untergang des Abendlandes schwadroniert, ist selbst Journalist. „Manchmal denk’ ich schon: Sind wir eigentlich noch in Deutschland?“, sagt der junge Mann mit der grauen Strickmütze ins Mikrofon und fügt noch hinzu: „Wenn man rausgeht: ganz viele Türken. Ich komme mit vielen gut klar, aber es ist doch zunehmend so, dass man denkt: Sind wir eigentlich noch deutsch in Deutschland?“ Seine Aussagen passen in den Gesamteindruck, den sich der Zuschauer aus den Originaltönen bilden kann.
Eine ältere Frau sagt: „Ich möchte gerne, dass die Kirche im Dorf bleibt und dass wir nicht in irgendeine Moschee rennen müssen zu Weihnachten.“ Ein anderer fordert, dass „die Ausländer isoliert werden, von den Krankheiten her. Das wäre auch ganz wichtig“. Und ein älterer Herr sagt: „Dass ich gegen die Ausländer bin, dass so viele hier reinkommen, das ist mein Grund, warum ich hier bin.“
Eines haben alle, die sich da vor laufender Kamera echauffieren, gemeinsam: Sie sehen nicht so aus, wie man sich Neonazis vorstellt. Keine Hakenkreuze, keine NPD-Fahnen, keine Glatzen, keine Springerstiefel. Die Redaktion von „Panorama“ hat ganz bewusst Leute angesprochen, die eben nicht den gängigen Klischees entsprechen. Hier seien doch „stinknormale Leute“ schreit ein aufgebrachter Demonstrant in die Kamera. Und gerade das macht das Ganze ja so verstörend.
Eigentlich will der NDR die Bilder und Worte einfach so stehen lassen. Doch der junge Mann mit der Mütze macht dem Sender einen Strich durch die Rechnung. Erst als der Beitrag schon veröffentlicht ist und im Internet tausendfach geklickt wird, gibt sich der vermeintliche Pegida-Aktivist als Reporter zu erkennen, der inkognito für RTL in Dresden unterwegs war und früher selbst für den NDR gearbeitet hat.
Volker Steinhoff, Redaktionsleiter von „Panorama“ kann es nicht fassen. „Wie dämlich“, so sein Kommentar. Auch RTL reagierte und trennte sich von dem Reporter. „Wir werden den betreffenden Kollegen nicht mehr einsetzen und die Zusammenarbeit mit ihm beenden“, teilte der Chef des RTL-Landesstudios Ost, Thomas Präkelt, am Sonntag mit. „Mit seinem Auftreten hat er unserem Berufsstand schwer geschadet.“