Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Plötzlich Chefin

Politik

Plötzlich Chefin

    • |
    • |
    Chefin in einer Männerdomäne: Tina Kirsch ist praktisch über Nacht Geschäftsführerin des Entsorgungsunternehmens „Kirsch und Sohn“ geworden.
    Chefin in einer Männerdomäne: Tina Kirsch ist praktisch über Nacht Geschäftsführerin des Entsorgungsunternehmens „Kirsch und Sohn“ geworden. Foto: Foto: Theresa Müller

    Privat bin ich einfach die Tina.“ Die 31-jährige Frau mit den kurzen blonden Haaren lächelt und zuckt dabei etwas mit den Schultern. Einen Moment lang sieht man beinahe, wie sich in ihrem Kopf die Gedanken kreuzen. Dann fährt sie fort. „Also ich sag' nicht: Ich bin die Tina Kirsch, Geschäftsführerin von Kirsch und Sohn, dem Entsorgungsunternehmen in Gemünden.“

    Tatsächlich wäre das die korrekte Bezeichnung. Denn seitdem ihr Vater Harald Kirsch im April 2010 plötzlich starb, steht mit seiner Tochter nun die vierte Generation an der Spitze des Unternehmens. Tina Kirsch ist die erste Frau, die „Kirsch und Sohn“ leitet. Eine weibliche Führungskraft inmitten vieler Männer, die noch dazu die Gesamtverantwortung trägt. Und doch wirkt die Frau locker und bodenständig, als hätte sie nie etwas anderes gemacht.

    „Sie macht ihren Job sehr gut. Sie geht fair mit den Mitarbeitern um und nimmt sich für sie Zeit“, weiß Fabian Meyer, stellvertretender Vertriebsleiter der Firma, über die Chefin zu sagen. Der 26-Jährige sieht kein Problem darin, dass ihm eine Frau Anweisungen gibt. Ganz im Gegenteil. Besonders gut in Probleme einfühlen könne sich Tina Kirsch. Doch auch wenn der 31-Jährigen hervorragende Eigenschaften attestiert werden – sie werden mehr oder weniger von ihr erwartet. Denn die Gemündenerin wurde beinahe von einem auf den anderen Tag Chefin.

    Ein Schicksalsschlag war der Grund für den plötzlichen Führungswechsel. Am 18. April starb Harald Kirsch bei einer Fahrradtour an einem Herzinfarkt. Völlig überraschend mit nur 56 Jahren. Er hinterließ seine Frau Heidi und die beiden Kinder Dominik und Tina, die alle in der Firma arbeiten. Dass die 31-Jährige die Nachfolgerin wird, war von Anfang an klar und auch so geplant. Schließlich bringt sie als Diplom-Betriebswirtin wichtige Voraussetzungen mit und war bereits vor dem Tod ihres Vaters im leitenden Bereich tätig.

    Im Team mit Harald Kirsch war die Tochter in manchen Firmen der Kirsch-Gruppe, die über 200 Mitarbeiter zählt, bereits Geschäftsführerin. In allen anderen Bereichen hat sie mit einem Kollegen die Aufgaben der Prokuristin inne. Aufgrund der engen Verzahnung und der frühzeitigen Heranführung an den Beruf konnte das Unternehmen auch nach dem tragischen Ereignis geordnet weitergeführt werden. Tina Kirsch war also der Posten der Geschäftsführung nicht fremd, dennoch war er auch für sie eine große Umstellung.

    „Die Verantwortung lag nun komplett in meiner Hand. Vieles war mir bekannt, doch nun musste ich das Networking beherrschen und den Umgang mit der Presse“, sagt die 31-Jährige, die zum Gesicht des Unternehmens avancierte. Ihre Bühne war nun nicht mehr nur das Büro, sondern auch die Öffentlichkeit. „Networking ist sehr wichtig. In dem Job muss man Leute kennenlernen und mitbekommen, was andere so machen“, sagt Tina Kirsch.

    Aus diesem Grund ist sie wie ihr Vater in vielen Verbänden Mitglied. Sie gehört dem Gremialausschuss der Industrie- und Handelskammer Main-Spessart ebenso an, wie dem Vorstand der Wirtschaftsjunioren und dem Verband der bayerischen Entsorgungsunternehmen. Zudem ist sie Vorsitzende des Fördervereins Kunstradsport. Nicht etwa weil sie artistisch besonders begabt ist, sondern aus rein pragmatischen Gründen, wie die blonde Frau mit der Brille gesteht. Schließlich sei die Firma Kirsch und Sohn seit Bestehen des Fördervereins einer der Hauptsponsoren.

    Es ist also der Weg ihres Vaters, den die selbstbewusste und sympathische Frau beschreitet. Schließlich prägte der Mann, der auch sozial sehr engagiert war, die Firma stark: Auch knapp zwei Jahre nach seinem Tod steht an der Pforte ein Porträt der Unternehmerpersönlichkeit im Trauerflor. Dennoch ist Tina Kirsch wichtig, ihren eigenen Führungsstil zu haben. „Ich gehe den gleichen Weg, trete aber nicht in die gleichen Fußstapfen. Schließlich hat ja auch jeder ne andere Schuhgröße“, sagt die Gemündenerin und lächelt. Konkret bedeutet das, dass sie die Philosophie ihres Vaters, im Team zu arbeiten und das Miteinander zu fördern, fortführt, jedoch dem Posten auch ihren eigenen Stempel aufdrückt.

    So hat sie sich zum Beispiel angewöhnt, die Post und damit die Aufgaben selbst unter den Mitarbeitern zu verteilen. „Das hat früher immer die Assistentin gemacht, aber so kann ich den Kontakt zu den Angestellten halten“, sagt die Geschäftsführerin. Um Probleme der Mitarbeiter zu erkennen und nicht nur von ihrem Schreibtisch aus zu walten, geht sie außerdem einmal am Tag in die Werkstatt. Zum Beispiel, um abzusprechen, was für die Maschinen benötigt wird. Auch auf diesem Gebiet ist die 31-Jährige kompetent. Denn schon von klein auf bringt sie technisches Verständnis mit und hat einen Lkw-Führerschein.

    Die Kompetenz ist mitunter der Grund, weshalb Tina Kirsch großen Rückhalt in ihrem Unternehmen hat. Zudem fänden es viele Mitarbeiter gut, dass mit der Gemündenerin ein Teil der Familie die Firma weiterführt, erzählt die 31-Jährige. Dass sie nun die erste Frau an der Spitze ist, ist für die Angestellten unerheblich. „Ob Mann oder Frau – anecken tut man manchmal genauso“, sagt Tina Kirsch überzeugt. Vielmehr komme es in ihrem Beruf darauf an, ein Team führen zu können, sich etwas zu trauen, Entscheidungen zu treffen und einen fairen Umgang zu pflegen.

    Aus diesem Grund ist die Geschäftsführerin auch keine absolute Befürworterin der Frauenquote, die derzeit viel diskutiert wird. Schließlich helfe es Frauen nicht unbedingt, ihnen mittels Quote etwas aufzuzwingen. Vielmehr müssen sich Männer und Frauen gleichermaßen Respekt erarbeiten und mit Leistung überzeugen.

    Eine Herausforderung, die Tina Kirsch Spaß macht. Denn der Kontakt zu Menschen, dieses „In-einem-Boot-sitzen“ und das Miteinander sind das, was der jungen Geschäftsführerin viel Freude bereitet. Das ist auch im Umgang mit ihren Angestellten zu sehen. Es wird viel gewitzelt, die Stimmung ist locker, aber es ist stets klar, wer der Boss ist. Wenn Tina Kirsch Anweisungen gibt, spricht sie ruhig, aber bestimmt. Sie strahlt Kompetenz aus, die für das Unternehmen wichtig ist. Denn Kirsch und Sohn sollte ihrer Meinung nach die Position im Landkreis halten und längerfristig weiter ausgebaut werden.

    Es sind die Worte einer Geschäftsführerin, wenn Tina Kirsch über die Zukunft ihres Unternehmens spricht. Geht es dagegen um ihre Hobbys, schaltet die 31-Jährige ab und ist Privatperson. Nach Feierabend geht Tina Kirsch gerne walken, fährt Rad oder reitet mit ihren Pferden aus und genießt dabei die Ruhe. Sie hat zwar ein Handy stets dabei, doch nur für Notfälle. Denn wenn sie von ihrem Pferd aus jemanden anruft, will sie „einfach nur die Tina“ sein. Sie zeigen auch wie es geht: 14 erfolgreiche Frauen in Mainfranken

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden