Saif Rahman ist der, auf den alle warten. Seit zwei Tagen stehen sich Demonstranten am internationalen Flughafen Dulles in der US-Hauptstadt Washington die Beine in den Bauch. Anwälte und Politiker haben Passagiere befragt, telefoniert und immer wieder den Grenzschutz bestürmt. Mit dürftigem Erfolg: Sie erhalten spärliche Informationen. Dann kommt Rahman an den kleinen Tisch am Gepäckband 13: „Ich bin draußen“, sagt der dunkelhaarige 38-Jährige erschöpft. „Aber derzeit sitzen noch 16 andere drin. Die Hälfte sind afrikanische Männer. Eine ältere schwarze Dame im Rollstuhl braucht eventuell Hilfe.“
Am dritten Tag nach der abrupten Grenzschließung für Flüchtlinge und Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Staaten herrscht auch am größten internationalen Flughafen der Hauptstadt Washington Chaos. Hunderte Demonstranten verstopfen den Ankunftsbereich und begrüßen jeden Ankömmling mit Sprechchören: „Kein Hass, keine Furcht, Einwanderer sind hier willkommen!“
Szenen, wie es sie dieser Tage an Airports quer durch die USA gibt. Dulles jedoch hat für besondere Schlagzeilen gesorgt: Als ein Gericht Teile der Verordnung am Samstag kippte, weigerten sich die hiesigen Grenzschützer zunächst, sie umzusetzen. Demokratische Kongressabgeordnete versuchten, das Urteil persönlich zu überbringen, Zugang zu Inhaftierten zu bekommen oder wenigstens die zuständigen Beamten zu sprechen. „Aber wir kommen nicht durch“, sagt Donald S. Berger Jr., früher US-Botschafter in der Schweiz und Liechtenstein. „Zuletzt hieß es, der Vorgesetzte sei nicht da.“
Der Flughafen lässt die Protestierer immerhin gewähren, sorgt für Absperrungen und einen halbwegs geregelten Betrieb. Die Helfer glauben, dass am Sonntag keine Menschen mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht mehr festsitzen.
Rahman ist US-Bürger, der Vater dreier Kinder wohnt im nahe gelegenen Falls Church. Der Immobilienberater reist viel, zeitweise hatte er Diplomatenpapiere aus dem Irak, weil er der US-Regierung dort half. Es gibt Aufnahmen von ihm mit Ex-Präsident Barack Obama. „Ich werde trotzdem regelmäßig extra geprüft, weil ich als Kind mit meinen Eltern aus dem Irak eingewandert bin“, erzählt der Muslim. „Aber diesmal war es anders.“
Rahman ist über Frankfurt aus Istanbul gekommen. Schon am Flugzeugausgang seien zwei Beamte der Agentur Customs and Border Protection postiert gewesen, ein Novum für Rahman. „Die Telefone und Social-Media-Accounts von Ausländern wurden gelesen. Ich habe einen Beamten gesehen, der 25 Minuten lang das Gerät eines Passagiers durchforstet hat.“
Kabir Ladan Chiko (46) aus Nigeria ist ebenfalls Muslim, doch er betritt zum ersten Mal amerikanischen Boden. Zusammen mit zwei Landsleuten soll er beim US-Landwirtschaftsministerium eine Ausbildung absolvieren; die nötigen Papiere musste das Trio lang vorher besorgen. „Aber kurz vor dem Ausgang haben sie meinen Kollegen Gano Onunkwuba ausgesondert und dabehalten. Sie haben uns angeboten, bei ihm zu bleiben, aber wir mussten doch unsere amerikanischen Kontaktleute informieren.“
Gründe für die Sonderbehandlung hat Chiko keine erfahren, Nigeria steht nicht einmal auf der Liste der Länder, die vorerst mit einem Bann belegt sind. „Ich wusste auch gar nichts von diesen Regeln“, sagt Chiko. „Das ist eine komplette Überraschung für uns.“
Die Beamten seien freundlich, bescheinigt er dem Grenzschutz. Ein Urteil, das Saif Rahman bestätigt, wenn auch nur für DC. Doch die zahlreichen Juristen um ihn herum beeindruckt das mäßig. „Der Grenzschutz versucht oft, Menschen mit Druck dazu zu bewegen, ihre Green Card aufzugeben“, berichtet Lauren Eagan, eine Einwanderungs-Anwältin aus der Hauptstadt. Der Erlass ist die bislang härteste Prüfung für die neue Regierung von US-Präsident Donald Trump. An Flughäfen quer durch die Nation demonstrieren Tausende gegen das Dekret, darunter auch Veteranen, die sich für irakische Militärhelfer engagieren. Andere versammeln sich in den Innenstädten, vor dem Weißen Haus in Washington und in Parks in Boston oder Manhattan. Neben der Opposition kritisieren christliche, jüdische und muslimische Religionsführer den Erlass, zahlreiche Wirtschaftsunternehmen schließen sich an. Universitäten fürchten um ihre Studenten und Professoren.
„Dies ist wahrscheinlich die inkompetenteste, gewissenlos provokativste und gefährlichste Regierungsmaßnahme, die ich je erlebt habe.“
Jay Inslee, Gouverneur des Bundesstaats Washington
Richter in vier Bundesstaaten setzen Teile der Verordnung am Wochenende zeitweise außer Kraft und bewahren damit Menschen vor der Deportation. Staatsanwälte aus 15 Bundesstaaten nennen die Regelung in einer gemeinsamen Stellungnahme verfassungswidrig. Dazu kommen mehrere Gouverneure. Der Regierungschef des Bundesstaats Washington, Jay Inslee, wirft Trump am Flughafen Seattle nicht nur Grausamkeit und Verfassungswidrigkeit vor, sondern auch groben Dilettantismus: „Dies ist wahrscheinlich die inkompetenteste, ineffektivste, gewissenlos provokativste und gefährlichste Regierungsmaßnahme, die ich je erlebt habe.“
Aus dem Ausland kommt ebenfalls Protest. Wichtige Verbündete wie Deutschland, Frankreich, Kanada und Großbritannien kritisieren Trumps Politik als kontraproduktiv. In Großbritannien unterzeichnen mehr als eine Million Menschen eine Petition, die Trumps geplanten Staatsbesuch verhindern soll.