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KARLSRUHE: Rechte von Vätern werden gestärkt

KARLSRUHE

Rechte von Vätern werden gestärkt

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    Urteil stärkt Väter: Die Karlsruher Richter haben die Regelung des Sorgerechts für unverheiratete Väter für verfassungswidrig erklärt.
    Urteil stärkt Väter: Die Karlsruher Richter haben die Regelung des Sorgerechts für unverheiratete Väter für verfassungswidrig erklärt. Foto: Foto: dpa

    Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte unverheirateter Väter gestärkt. Von nun an können sie auch gegen den Willen der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht für ihre Kinder verlangen (Az.: 1 BvR 420/09).

    Warum ist die bisherige Regelung verfassungswidrig?

    Bislang galt: Ohne Zustimmung der Mutter geht gar nichts. Wenn die Eltern nicht verheiratet sind, bekommt zunächst die Mutter das Sorgerecht. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Mann die Vaterschaft anerkennt. So weit ist alles in Ordnung, sagt das Verfassungsgericht. Jedoch hatten Väter bisher keine Möglichkeit, ein gemeinsames Sorgerecht zu bekommen, wenn die Mutter nicht einverstanden ist. Sie konnten noch nicht einmal vor Gericht ein Sorgerecht erstreiten – unabhängig davon, ob dies vielleicht dem Wohl des Kindes dienen würde. Ein derart weitgehender Ausschluss des Vaters, so die Richter, verletze sein im Grundgesetz garantiertes Elternrecht. Das Bundesverfassungsgericht folgte damit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hatte schon Ende 2009 entschieden, dass die deutsche Sorgerechts-Regelung gegen das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Achtung des Familienlebens verstoße.

    Leiden nicht die Kinder darunter, wenn es zum Streit über das Sorgerecht kommt?

    Das Wohl des Kindes ist ein zentraler Aspekt der Entscheidung. Hier gilt, dass Kinder grundsätzlich einen Anspruch darauf haben, dass sich beide Elternteile kümmern. Zwar könnten Gerichtsverfahren nach Ansicht des Verfassungsgerichts „temporär eine zusätzliche Belastung für das Kind mit sich bringen“; jedoch diene die grundsätzliche Klärung des Sorgerechts den Interessen des Kindes. Das Gericht bezieht sich auch auf empirische Untersuchungen. Demnach verständigt sich im Schnitt nur jedes zweite Elternpaar auf ein gemeinsames Sorgerecht.

    Was bedeutet ein gemeinsames Sorgerecht für die Erziehung?

    Das Sorgerecht gibt Eltern deutlich mehr Rechte als das bloße Recht auf Umgang, das schon bisher allen Vätern zusteht. „Das gemeinsame Sorgerecht bedeutet aber nicht, dass die Eltern nun jede Entscheidung gemeinsam treffen müssen“, sagt Wolfgang Schwackenberg, Familienrechts-Experte im Deutschen Anwaltsverein. „Es gilt aber für alle Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung: etwa, wo das Kind wohnt und welche weiterführende Schule es besuchen soll.“

    Wie geht es jetzt weiter?

    Das Bundesjustizministerium arbeitet bereits an einer Neuregelung des Sorgerechts. Diskutiert wird dabei eine sogenannte Widerspruchslösung. Danach würden unverheiratete Eltern von Anfang an das Sorgerecht gemeinsam ausüben – es sei denn, die Mutter legt Widerspruch ein und erhält beim Familiengericht Recht. Die Verfassungsrichter schreiben in ihrem Beschluss ausdrücklich, dass es auch möglich wäre, mit Anerkennung der Vaterschaft zugleich beiden Eltern ein gemeinsames Sorgerecht zu geben. Bis ein neues Gesetz in Kraft tritt, ordneten die Richter eine Übergangsregelung an: Demnach sollen die Familiengerichte den Eltern die gemeinsame Sorge übertragen, wenn der Vater oder die Mutter dies beantragen und zu erwarten ist, dass dies dem Wohl des Kindes entspricht.

    In welchen Fällen können Gerichte künftig den Antrag auf gemeinsames Sorgerecht ablehnen?

    Gerichte können den Antrag ablehnen, wenn ein gemeinsames Sorgerecht nicht dem Kindeswohl entspricht. Hierfür seien jedoch gewichtige Gründe erforderlich, meint Familienrechts-Experte Schwackenberg: „Etwa, wenn zwischen den Eltern überhaupt keine Verständigung über die Erziehung möglich ist oder gar ein Elternteil das Kind misshandelt. Der Regelfall dürfte sein, dass ein gemeinsames Sorgerecht erteilt wird, wenn der Vater es wünscht.“

    Die Lage beim Sorgerecht

    Das Sorgerecht hat sich in Deutschland in den vergangenen 100 Jahren fast vollständig gedreht. In der Kaiserzeit hatte laut Gesetz allein der Vater „die elterliche Gewalt, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen“. Heute liegt das Wohl der Kinder vor allem in der Hand der Mütter. Im Osten Deutschlands ist nach einer Übersicht des Statistischen Bundesamt mehr als jede zweite Mutter (58 Prozent) bei der Geburt des Kindes ledig. Im Westen dagegen hatten 2008 nur 26 Prozent der Mütter keinen Trauschein. Sorgerechtsstreit gibt es auch häufig nach Scheidung oder Trennung der Eltern. 2009 lebten in Deutschland 8,2 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern. In fast jeder fünften Familie (19 Prozent) wurde das minderjährige Kind von einem Alleinerziehenden – Mutter oder Vater – betreut. TEXT: dpa

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