Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hat Vietnam zu umfassenden demokratischen und wirtschaftlichen Reformen aufgefordert. Die sozialistische Republik solle nicht nur die Privatisierung und die Öffnung der Märkte vorantreiben, sondern den Menschen auch mehr Freiheit gewähren, sagte Rösler am Montag vor Studenten und Dozenten in Hanoi. Die Nationale Wirtschaftsuniversität in der vietnamesischen Hauptstadt hatte den FDP-Politiker mit einer Ehrendoktorwürde ausgezeichnet.
„Wie sollen Menschen, die nicht frei sind, eigenverantwortlich entscheiden, denken und handeln“, sagte der in Vietnam geborene Vizekanzler. „Es gibt keine unternehmerische, wirtschaftliche Freiheit ohne gesellschaftliche Freiheit. Beides gehört untrennbar zusammen.“
Seinen eigenen Werdegang in Deutschland wertete Rösler als Beweis dafür, welche Chancen die Freiheit berge. „Dass in so einer großen starken Volkswirtschaft ein Mensch eine Chance hat, der in Vietnam geboren wurde, in Kriegszeiten aus einem Waisenhaus adoptiert wurde, dass so ein Mensch eine Chance hat, innerhalb des demokratischen Systems aufzusteigen, Verantwortung zu übernehmen, das zeigt doch, welche Kraft eine Demokratie entwickeln kann.“
Rösler betonte zugleich die Bedeutung der Privatwirtschaft und des privaten Eigentums. „Es ist nicht Aufgabe von Politik, es ist nicht Aufgabe des Staates, das Wirtschaftsleben zu lenken“, sagte der Wirtschaftsminister.
Unerlässliche Voraussetzungen für Investitionen seien Vertragstreue und Vertragsfreiheit. Ausländische Investoren müssten die Gewissheit haben, dass sie sich auf Zusagen verlassen könnten und Verträge erfüllt würden. Deutsche Unternehmen klagen immer wieder, dass Verträge in Vietnam nicht eingehalten und Rechnungen nicht bezahlt werden.
Zum Auftakt seines dreitägigen Vietnam-Besuches war Rösler zuvor mit dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Pham Binh Minh, zusammengetroffen. An diesem Dienstag ist ein Gespräch mit dem vietnamesischen Premierminister Nguyen Tan Dung geplant. Rösler will sich in Hanoi unter anderem für die Freilassung von fünf aus politischen Gründen inhaftierten Gefangenen einsetzen, die schwer erkrankt sind. Das Auswärtige Amt hat ihm eine entsprechende Liste mitgegeben.
Rösler wird auf seiner Reise nach Vietnam und Thailand von rund 50 Vertretern deutscher Unternehmen begleitet. Die beiden Asean-Staaten gelten mit ihren starken Wachstumsraten als wichtige Zukunftsmärkte für die deutsche Exportwirtschaft.