Der Schiffsausflug von mehr als 300 südkoreanischen Schülern zu einem Insel-Ferienparadies endet in einer Katastrophe. Am Mittwochmorgen hören sie während der Fahrt einen lauten Schlag. Dann stoppt die Fähre „Sewol“, die die Jugendlichen und die anderen der insgesamt fast 460 Passagiere auf die Insel Cheju vor der Südküste bringen sollte. Was sich dann genau auf dem Schiff abspielte, ist bisher noch nicht ganz klar.
Fest steht, dass die „Sewol“ vor der Südwestküste Schlagseite bekam, sich immer mehr mit Wasser füllte und schließlich sank. Das Ausmaß des Desasters war auch am Abend noch unklar: Die Behörden teilten mit, dass 174 Personen gerettet wurden. Das Schicksal von rund 280 Menschen sei nicht bekannt. Die Küstenwache befürchtete, dass es vielen Reisenden nicht mehr möglich war, sich aus dem sinkenden Schiff zu befreien. Experten hielten es für möglich, dass der Rettungsweg blockiert war.
Im Wrack gefangen
Viele der Reisenden waren noch jung, sie waren Schüler einer Oberschule aus einer Seouler Vorstadt. Die See war noch ruhig, als das Schiff am Vorabend von Inchon in Richtung Süden aufbrach. „Ganz plötzlich spürte ich, wie es mit Gewalt auf die Seite kippte“, sagte ein Mann mittleren Alters in einem Krankenhaus dem Sender Arirang. „Die Menschen waren in ihren Kabinen gefangen, weil sie die Türen nicht öffnen konnten.“ Ein geretteter Schüler sagte: „Ich habe 30 bis 40 Minuten auf der Fähre geschrien. Dinge fielen herunter, und die Menschen rutschten nach unten.“ Der Schüler Lim Hyung Min sagte im Kabelsender YTN, dass er zu einem der Rettungsboote geschwommen sei. Das Wasser sei sehr kalt gewesen. „Ich beeilte mich, ich wollte leben.“ Die Ursache des Unglücks war zunächst ungewiss. Als wahrscheinlich galt, dass die mehrstöckige Fähre auf einen unter Wasser liegenden Felsen auflief. Aber ist es möglich, auf der viel befahrenen Strecke zwischen der westlichen Küstenstadt Inchon und Cheju einen Felsen zu übersehen? Oder gab es doch eine Kollision mit einem anderen Schiff?
Viele unbeantwortete Fragen
Es gibt viele unbeantwortete Fragen. So wurde auch spekuliert, die Besatzung sei möglicherweise außerhalb der sonst üblichen Route gefahren. Doch das Ministerium für Ozeane und Fischerei wies dies zurück und erklärte, das Schiff habe sich auf einem sicheren Kurs befunden. Auch ein Maschinenproblem wurde nicht ausgeschlossen. Die Regierung machte deutlich, dass die Rettung absoluten Vorrang vor der Ursachensuche hätte. Noch am Abend tauchten Mitglieder einer Spezialeinheit der Marine zum Schiffswrack.
„Falls es einen Felsen gerammt hat, ist das Schiff möglicherweise vom Kurs abgeraten“, zitierte der staatliche TV-Sender Arirang den Leiter des koreanischen Verbands der Marineoffiziere, Min Hong Ki. „Da das Schiff auf einer Seite lag, ist es möglich, dass die Fenster klemmten oder dass es Probleme mit den Türen gab, so dass die Passagiere nicht mehr raus konnten.“
Auf der havarierten Fähre müssen sich chaotische Szenen abgespielt haben. Unklar blieb zunächst, ob die Insassen aufgerufen wurden, mit Schwimmwesten ins Wasser zu springen oder zu warten. Die Rettungskräfte trafen ungefähr eine halbe Stunde nach dem ausgesendeten Notruf an der Unglücksstelle ein. Viele Passagiere wurden aus dem etwa zwölf Grad kalten Wasser geholt. Einige klammerten sich an der Reling des Schiffes fest, um gerettet zu werden.
Fassungslos machte Familien, wie die Behörden informierten. Zunächst war von etwas mehr als 100 Vermissten die Rede. Doch der Krisenstab der Regierung korrigierte dann die Zahl um fast das Dreifache nach oben. Es habe Doppelzählungen bei den geretteten Personen gegeben, hieß es.
Fährunglücke in Asien
An den Küsten und auf Flüssen Asiens sind Fährunglücke keine Seltenheit. Bei vielen Schiffsuntergängen waren zahlreiche Opfer zu beklagen. August 2013: Eine Fähre mit etwa 870 Passagieren an Bord stößt in der philippinischen Provinz Cebu mit einem Frachter zusammen und sinkt. Mindestens 55 Menschen kommen ums Leben, 65 werden vermisst. Oktober 2012: Bei einer Schiffskollision in Hongkong sterben mindestens 37 Menschen. Von einem Ausflugsboot aus wollen Firmenmitarbeiter und deren Familien das Feuerwerk zum chinesischen Nationalfeiertag im Hafen ansehen. Das Boot mit gut 120 Menschen an Bord stößt mit einer Fähre zusammen. Februar 2012: Eine überladene Fähre reißt in Bangladesch auf dem Fluss Meghna viele Passagiere nach einer Kollision mit einem Frachter in die Tiefe. Von den etwa 250 Menschen an Bord können sich nur rund 40 ans Ufer retten. Erst im April 2011 waren auf dem Fluss Dutzende Menschen ertrunken, als eine Fähre auf ein Wrack auffährt und sinkt. 2010 sterben bei drei Fährunglücken in Bangladesch über 160 Menschen. Juni 2008: Vor der philippinischen Insel Sibuyan läuft eine Fähre mit mehr als 800 Menschen an Bord während eines Taifuns nach einem Maschinenschaden auf Grund und sinkt. In den folgenden Tagen werden etwa 250 Leichen an umliegende Strände geschwemmt, mehr als 550 Menschen gelten als vermisst. Dezember 2006: Bei stürmischem Wetter sinkt eine Fähre zwischen den indonesischen Inseln Java und Kalimantan. Mehr als 380 der 628 registrierten Menschen an Bord werden vermisst. Helfer bergen 230 Überlebende aus der Javasee. Text: dpa