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Tanz mit dem Teufel

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Tanz mit dem Teufel

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    Es ist kein leichter Weg hinauf zu Padre Tommaso Torres. 28 marmorne Treppenstufen mit harter, wurmstichiger Nussbaumholzverkleidung sind auf Knien zu bezwingen. So viele Stufen hat die Scala Santa, die heilige Treppe gegenüber dem Lateranspalast in Rom, über die der Legende nach schon Jesus Christus zum Prozess bei Pontius Pilatus gelaufen ist. Auf jeder der Stufen halten die Gläubigen inne und beten einen Rosenkranz.

    Oben angekommen, biegen sie zweimal links um die Ecke und durchqueren eine alte, zugige Kapelle. Dann stehen sie vor der schweren Holztür des populärsten Exorzisten Roms. Wer zur Sprechstunde am Vormittag kommt, der muss sich ans Ende einer Liste eintragen, auf der an diesem Morgen bereits 29 andere Namen stehen. Vor allem Frauen sitzen auf den Stühlen vor dem Zimmer. „Er befreit die Menschen vom Dämon“, sagt eine ältere Römerin im schwarzen Rock. „Er heilt diejenigen, die vom Teufel besessen sind“, sagt eine andere.

    Die schwere hölzerne Tür zum Zimmer des Exorzisten geht auf. Weil es kalt ist im spärlich eingerichteten Saal, hat Padre Tommaso eine Schiebermütze auf. Um seinen Nacken hängt eine purpurne Priester-Stola. Der Pater sitzt dick in Jacken eingehüllt im Rollstuhl vor einem Tisch. Seit einem Schlaganfall kann der 89-Jährige nicht mehr laufen. Das hat aber die Bewunderung der Römer und ihren Zustrom nicht gemindert.

    „Der Herrgott hat uns diese Aufgabe gegeben, die Dämonen zu vertreiben, aber leider gehorchen sie nicht immer“, sagt er mit der brüchigen Stimme eines alten Mannes. „Der Teufel wehrt sich, fängt zu schimpfen an, spuckt, rülpst und übersät mich mit Schimpfwörtern.“ Der Pater lacht. Zehntausende Fälle hat er bearbeitet. Auch heute strömen die Leute zu ihm. Wenn er den anstrengenden und bis zu 15 Minuten dauernden Exorzismus-Ritus nicht durchsteht, tut es auch eine einfache Segnung. „Das geht schneller, etwa drei Minuten.“

    Alles Hokuspokus? Vergehen sich Exorzisten mit ihrer Teufelsaustreiberei gar an Menschen, die an psychischen Störungen leiden und nicht wagen, zum Psychologen zu gehen? In Italien suchen nach Schätzungen der italienischen Vereinigung katholischer Psychologen (AIPPC) jährlich 500 000 Menschen einen Exorzisten auf. Die allerdings werden immer weniger. In Italien, dem Land mit den meisten Exorzisten weltweit, gibt es heute etwa noch 300.

    Exorzisten sind eine aussterbende Spezies, doch bei einer öffentlichen Audienz am 15. September 2005 ermutigte sie Papst Benedikt XVI. ausdrücklich in ihrem Tun. Der Vatikan sieht in den Teufelsaustreibern eine heilsame Alternative zu Sekten, Magiern oder Gurus. Inzwischen gibt es sogar Kurse zur Ausbildung neuer Exorzisten. In Rom gibt es noch fünf offiziell von der Diözese ernannte Exorzisten.

    „Einmal hatte ich eine junge Frau, die vom Teufel besessen war. Das zeigte sich daran, dass sie sich am Boden wand wie eine Schlange.“ Padre Tommaso erkennt den ungläubigen Blick seines Gegenübers. „Es gibt ihn wirklich, den Teufel“, sagt er vehement. „Die Teufel sind rebellische Engel, die vom Himmel gefallen sind.“

    Gläubige, die einen Exorzisten aufsuchen, klagen über innere Unruhe, seelische Schmerzen, wie sie auch in der Psychologie bekannt sind. Doch wenn Padre Tommaso exorzisiert, dann folgt er einem jahrhundertealten Ritual. Zunächst fragt er nach dem Namen des Dämons, den die vom Teufel befallene Person äußern muss. Dann droht er ihm mit verschiedenen Sprüchen, die im 1999 zuletzt herausgegebenen Sammelband „De exorcismis et supplicationibus quibusdam“ stehen.

    Schließlich verbietet der Exorzist dem Dämonen die Rückkehr. „Es klappt nicht immer“, weiß Padre Tommaso. Manchmal verstecke sich der Teufel weiter in der Person und diese muss erneut zum Exorzismus kommen. Dann setzt Padre Tommaso den Daumen auf die Stirn seines Gegenüber und murmelt einen langen lateinischen Sermon. Und er fordert bestimmt: „Sprich mir nach, mein Sohn.“

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