Zehn amerikanische Flaggen auf der Bühne, Kristalllüster, weiß-goldenes Schnitzwerk quer durch den Saal: Donald Trump inszeniert sich, als wäre er schon US-Präsident. „Ehrlich gesagt“, brüstet sich der Milliardär mit dem Hang zum Prunk, „ich denke, das wird ein einfaches Rennen“. Der republikanische Spitzenreiter im Präsidentschaftswahlkampf feiert seinen jüngsten Triumph nicht mehr mit einer traditionellen Rede vor Anhängern, sondern mit einer pompösen Pressekonferenz am Ende des „Super Tuesday“. Sie wird von allen großen Sendern live übertragen. „Ich fühle mich unglaublich gut“, protzt Trump in seinem palastartigen Club Mar-al-Lago in Palm Beach im US-Staat Florida.
Zwei Autostunden südlich tritt Hillary Clinton in Miami weit traditioneller vor ihre Anhänger, auch sie hat den Blick nach vorne gerichtet: „Der Versuch, Amerika zwischen ,uns‘ und ,denen‘ aufzuteilen, ist falsch, und wir werden ihn nicht gelingen lassen“, wettert die Demokratin an die Adresse von Trump, der seiner Partei eine Schlammschlacht beschert hat. „Dieses Land gehört allen von uns“, ruft die 68-Jährige. „Nicht nur denen, die ein bestimmtes Aussehen haben, einen bestimmten Glauben oder eine bestimmte Denkrichtung.“
Mit je sieben gewonnenen Bundesstaaten haben die beiden Spitzenreiter sich weit von ihren Verfolgern abgesetzt. Trump hat zwar immer noch die Mehrheit der Konservativen gegen sich, aber ihr Widerstand ist auf zu viele Verfolger verteilt. In der Partei herrscht nackte Panik am Mittwoch: Konservative Senatoren fürchten, sie könnten nicht nur das Weiße Haus, sondern auch ihre Mehrheit in der Kammer verlieren, wenn Trump Kandidat wird. Die Republikaner haben den Immobilienmogul unterschätzt; sie hofften, dass er sich selbst erledigt. Nun droht der Mann, der sich um hergebrachte konservative Glaubenssätze nicht kümmert, die Partei zu kapern. Was bleibt noch von der Partei außer einer entkernten Hülle, wenn Trump Kandidat wird? Kommt es gar zur Zerreißprobe?
Vertraute der wichtigsten Granden lassen durchblicken, dass man sich zunehmend machtlos fühlt gegenüber der Welle an Zustimmung. Mehrere Kongressabgeordnete haben aber erklärt, Trump in keinem Fall zu unterstützen. Es gibt offene Plädoyers für Widerstand beim Nominierungsparteitag im Juli – ein Szenario, das es seit 1948 nicht mehr gegeben hat. Rivale Marco Rubio hat sich der Twitter-Kampagne #NeverTrump angeschlossen (Niemals Trump).
13 Bundesstaaten haben am Dienstag mit den republikanischen Vorwahlen begonnen; Colorado, North Dakota und Wyoming weisen ihre Delegierten dabei erst später zu. Von den verbleibenden zehn Staaten gewinnt Trump satte sieben; er erhält 207 der Delegiertenstimmen, die zu vergeben waren. Der texanische Senator Ted Cruz schart 192 Abgeordnete hinter sich, Kollege Marco Rubio aus Florida 90. Ohios Gouverneur John Kasich kommt auf schüttere 19, der pensionierte Neurochirurg Ben Carson erringt noch drei.
Trump hat erst 316 der 1237 Stimmen, die er zu einer Nominierung braucht, und zusammen sind seine Verfolger auch am „Super Tuesday“ stärker als er. Wenn es weniger von ihnen gäbe, wäre er zu schlagen. Aber die aktuellen Resultate garantieren, dass vorerst alles so weitergeht wie bisher: Der evangelikale Tea-Party-Brandredner Ted Cruz gewinnt mit seiner Heimat Texas nicht nur den Hauptpreis des Tages, sondern gleich noch zwei weitere Staaten, Oklahoma und Alaska – das ist besser als erwartet und reicht, um ein Weitermachen zu rechtfertigen. Marco Rubio, der als Hoffnung des Establishments gilt, obwohl er bislang keinen einzigen Sieg eingefahren hatte, rettet sich in Minnesota endlich auf einen ersten Rang; in Virginia verfehlt er ihn knapp.
Ein enttäuschendes Resultat, aber auch er kann seinen Kampf fortsetzen. John Kasichs versöhnliche Vernunftkampagne landet in Massachusetts auf dem zweiten Platz und hätte Trump in Vermont sogar beinahe übertroffen. Der Gouverneur, der erst später im Monat auf Siege hofft, sieht sich entsprechend gestärkt. Warum Carson weitermacht, ist zwar beim besten Willen nicht erkennbar, doch in ersten Reaktionen hat auch er keine Lust zum Aufgeben. Trump gewinnt nicht ganz so triumphal, wie manche Prognosen es vorausgesagt hatten. Aber selbst das gereicht ihm nun noch zum Vorteil.
Auch auf der Gegenseite freilich konsolidieren sich die Dinge; dort scheinen sie sogar noch klarer: Vermonts Senator Bernie Sanders, der sich an der Sozialpolitik Skandinaviens orientiert, gewinnt zwar in Colorado, Minnesota, Oklahoma und Vermont, verfehlt aber den dringend benötigten Sieg in Massachusetts. Die ehemalige Außenministerin und First Lady Hillary Clinton kommt mit sieben Siegen auf 453 Delegiertenstimmen, Sanders erhält 284. Und das ist nur die Hälfte der bitteren Wahrheit: Beim Nominierungsparteitag wählen auch ungebundene „Superdelegierte“ – Kongressmitglieder, Gouverneure und Würdenträger der Partei.
Diejenigen eingerechnet, die sich bereits erklärt haben, verfügt Clinton nun über mindestens 1000 der 2382 Gesandten, die eine Nominierung sichern; Sanders hat rund 400.
Wenn Clintons Kampagne nicht von selbst kollabiert, gibt es für Sanders keinen Weg mehr zur Kandidatur. Der Senator kündigt trotzdem einen langen Kampf an. Möglich, dass er der Partei als Plan B bereitstehen will für den Fall, dass Clinton von einem Skandal eingeholt wird. Vor allem erhält er sich aber Einfluss auf die Plattform, mit der die Partei schließlich in den eigentlichen Wahlkampf ziehen wird.
Clinton selbst ist bereits auf ihren eigentlichen Gegner eingestellt: „Wir haben Arbeit vor uns, und sie besteht nicht darin, Amerika wieder großartig zu machen“, erklärt sie unter Anspielung auf Trumps Wahlkampfslogan bei ihrer Siegesansprache in Miami. „Amerika hat nie aufgehört, großartig zu sein. Wir müssen Amerika heilen und einen!“
Doch der Angegriffene zeigt sich unbeeindruckt. In seiner Pressekonferenz schmäht er erst interne Rivalen wie den „kleinen Senator“ Rubio, bevor er zu Hillary Clinton kommt: „Amerika wieder ,großartig‘ machen, wird sehr viel besser sein, als Amerika wieder ,einig‘ zu machen!“, zeigt er sich sicher. „Sie redet darüber, dass die Gehälter schlecht sind und überhaupt alles, und dass wir es trotzdem schaffen werden“, sagt Trump. „Dabei ist sie schon so lange dabei! Wenn sie es bis jetzt nicht ausgebügelt hat, wird sie das in den nächsten vier Jahren auch nicht tun.“
Der Mann, der regelmäßig ganze Bevölkerungsschichten beleidigt, sieht sich als Brückenbauer: „Ich bringe Menschen zusammen“, behauptet er angesichts seines landesübergreifenden Erfolgs, der von einer Rekordbeteiligung begleitet wird. „Unsere Partei erweitert sich.“ Der 69-Jährige bemüht sich um einen halbwegs präsidialen Ton, kommt aber auch diesmal nicht ohne Drohungen aus. „Ich beobachte euch alle sehr genau“, erklärt er den Medien. „Ich kenne Paul Ryan nicht, aber ich bin sicher, ich werde mich hervorragend mit ihm verstehen“, sagt er über den mächtigsten Republikaner im Kongress.
„Und wenn nicht? Er wird einen hohen Preis bezahlen müssen.“ Es sei ihm egal, wenn Parteivertreter ihm ihre Unterstützung verweigerten, versichert Trump. „Das steht ihnen jederzeit frei. Dann würden sie einfach alles verlieren.“
Neben ihm starrt Chris Christie ins Leere, den Blick zwischen Hilferuf und Verzweiflung: Der Gouverneur von New Jersey hatte bis vor kurzem selbst um die Nominierung gekämpft und dabei eindringlich vor Trump gewarnt. Vergangene Woche hat er sich als bislang prominentester Konservativer plötzlich hinter den Immobilienmogul gestellt – um anschließend vor laufenden Mikrofonen mit dem Satz „Steig ins Flugzeug und geh' nach Hause“ gedemütigt zu werden. Trump braucht niemanden, das war eine klare Lektion. Doch es gibt keinen Weg zurück: Seit Christies Fürsprache hat der exzentrische Milliardär sich und seine Anhänger weiter aus dem politischen Konsens manövriert: Erst weigerte er sich einen Tag lang, sich vom rassistischen Ku-Klux-Klan zu distanzieren, dann leitete er auf Twitter ein Mussolini-Zitat weiter.
Während Christie in Florida verzweifelte Miene zu Trumps pompösem Spiel macht, fordern in seinem Heimatstaat Zeitungen den Rücktritt des Gouverneurs; er gilt als politisch verbrannt. Für Kollegen ist sein Schicksal ein Albtraum, der das der Partei vorwegnehmen könnte: Christie hält eine waidwunde Rede, dann steht er einsam hinter dem Milliardär, wie eine ausgestopfte Trophäe.
Worauf es am „Super Tuesday“ ankommt und wie es weitergeht
Worum geht es? Um Delegierte bei den beiden Nominierungsparteitagen im Juli. Die Bundesstaaten entsenden sie gemäß den Vorwahlergebnissen. Republikanische Bewerber benötigen 1237 Delegierte, um sich die Kandidatur zu sichern; 661 davon werden diesmal am „Super Tuesday“ vergeben. Im linken Lager werden für die Nominierung mindestens 2382 Delegierte benötigt. 865 davon sind am „Super Tuesday“ zu haben. Die Republikaner stimmen in 13 Bundesstaaten ab, die Demokraten in elf Staaten und einem Außengebiet. Welcher Staat ist am wichtigsten? Ganz klar Texas: 155 konservative Delegiertenstimmen, 252 demokratische. Werden die Stimmen überall gleich vergeben? Nein. Das konkrete Vorgehen entscheidet sich vor allem bei den Republikanern von Staat zu Staat.
Beim Winner-take-all-Verfahren erhält der Sieger alle Delegierten zugesprochen. Seit 2012 forcieren aber auch die Konservativen vor Mitte März eine proportionale Verteilung. Es gibt außerdem Mischformen und einige Staaten, in denen ein Parteitag entscheidet. Wer darf abstimmen? Auch das bestimmen die Parteien in den einzelnen Bundesstaaten weitgehend selbst. An geschlossenen Wahlen dürfen nur registrierte Mitglieder teilnehmen. Offene Wahlen sind allen zugänglich, können also auch vom Gegner beeinflusst werden. Da Unabhängige nicht ausgeschlossen werden sollen, gibt es Mischformen, und weil Registrierungen oft noch am Eingang erfolgen können, auch eine Menge Unübersichtlichkeit. Ein weiterer Unterschied liegt im Ablauf: Beim „Caucus“ kommen die Wahlberechtigten nach Bezirken zusammen, um miteinander zu diskutieren; ernst danach wird gewählt. „Primaries“ sind mit gewöhnlichen Wahlen vergleichbar. Wie geht es weiter? Am 15. März wird unter anderem in Florida und Ohio gewählt, die viele Delegierte vergeben. Außerdem wichtig sind New York (19. April), Pennsylvania (26. April) und Kalifornien (7. Juni).
Der republikanische Nominierungsparteitag findet vom 18. bis 21. Juli in Cleveland (US-Staat Ohio) statt, der demokratische vom 25. bis 28. Juli in Philadelphia (US-Staat Pennsylvania). Über die Nachfolge von Präsident Barack Obama entscheiden die US-Wähler am 8. November. Am 20. Januar 2017 wird der Gewinner oder die Gewinnerin dann in das Amt eingeführt. Jsz