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KABUL: Waren die Tankwagen eine Falle?

KABUL

Waren die Tankwagen eine Falle?

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    Zwei afghanische Männer stehen einem Verwandten bei, der nach einem NATO-Angriff am Freitag im Krankenhaus in Kundus behandelt wurde. Nach noch unbestätigten Angaben wurden 125 Menschen getötet.
    Zwei afghanische Männer stehen einem Verwandten bei, der nach einem NATO-Angriff am Freitag im Krankenhaus in Kundus behandelt wurde. Nach noch unbestätigten Angaben wurden 125 Menschen getötet. Foto: FOTO dpa

    Der von dem Kommandeur Oberst Georg Klein befohlene Luftangriff auf die beiden Tankwagen am Kundus-Fluss, die offenbar nicht nur von Taliban-Kämpfern, sondern auch von vielen Zivilisten umringt waren, habe die Deutschen mit den bei den Afghanen gefürchteten Amerikanern „gleichgesetzt“, erklärte ein deutscher Geheimdienstler. Die US-Kampfpiloten, die von der Bundeswehr in der Nacht zum Freitag zum Beschuss der von den Taliban gekaperten Spritwagen angefordert worden waren, würden mit ihren Luftschlägen „grundsätzlich immer alles platt machen, auch ohne Rücksicht auf Zivilisten“, sagte der Geheimdienstler.

    Perfide Strategie

    Damit hätten die US-Truppen in Afghanistan „schon lange jegliches Ansehen verloren“. Die Amerikaner würden mit ihrem harten Vorgehen die afghanischen Bürger „geradezu in die Arme der radikal-islamischen Taliban treiben“. Die Bundeswehrsoldaten haben sich nach Einschätzung der Geheimdienstler bei dem schlimmen Vorfall nahe von Kundus von dem „perfiden Vorgehen“ der Taliban in eine Falle locken lassen.

    Durch den Überfall auf die beiden Lkw nur sechs Kilometer vom deutschen Stützpunkt entfernt haben die Taliban nach Darstellung der Geheimdienste den Eindruck eines Angriffs mit den Tankwagen auf das Bundeswehrlager erwecken wollen. Zum anderen hätten die Aufständischen, die in der Kleidung nicht von Zivilisten zu unterscheiden sind, die Bewohner des Dorfes Hadschi Amanullah, wo die Tankwagen auf einer Sandbank stecken geblieben sind, offenbar „animiert“, kostenlos Benzin zu zapfen.

    Das habe genau der Taktik der Taliban entsprochen, unter dem „Schutzschild“ von Zivilisten gegen die ISAF-Truppen zu agieren. So seien Zivilisten den Angriffen der amerikanischen Kampfflugzeuge ausgesetzt worden. Die Taliban setzen nach den Hinweisen der Geheimdienstler darauf, dass immer mehr afghanische Bürger unter dem Vorgehen der internationalen Einheiten leiden, weil das in den westlichen Heimatländern große Ablehnung erfahre und letztlich dazu führen könne, dass in Deutschland in den letzten Wochen vor der Bundestagswahl am 27. September die Rufe nach einem Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan anwachsen.

    Taliban nutzen Bundestagswahl

    Aus parlamentarischen Kreisen war in Berlin zu erfahren, dass der Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch angesichts des Kundus-Vorfalls ein heftiges Wahlkampfthema werden könnte. Ursprünglich wollten die Parteien die brisante Frage, trotz der immer schlechteren Lage in Afghanistan weiterzumachen oder die Soldaten nach Hause holen, aus dem Wahlkampf heraushalten.

    Der Anführer der Taliban, Mullah Omar, hat nach jüngsten Erkenntnissen der Geheimdienste seinen Kämpfern den Befehl erteilt, den Norden Afghanistans, in dem die Bundeswehr ihren Befehlsbereich hat, in der „Intensität der Angriffe“ den südlichen und östlichen Regionen „gleichzusetzen“. Das bedeutet nach Aussage von amerikanischen und deutschen Geheimdiensten, dass die Bundeswehrsoldaten immer mehr den gleichen gefährlichen Situationen ausgesetzt sein werden wie ihre britischen, kanadischen und amerikanischen Kameraden.

    Die Lage für die deutschen Soldaten in Kundus wird auch deswegen immer gefährlicher, weil die US- und NATO-Truppen zunehmend ihre Versorgungsroute über den Norden Afghanistans aus Tadschikistan durch das Einsatzgebiet der Bundeswehr im Raum Kundus verlegen müssen. Die ursprünglichen Versorgungswege über den Khyber-Pass im Nordosten Pakistans und über das südpakistanische Quetta werden immer stärker durch Taliban-Angriffe unterbrochen. Erst am 30. August gingen am Khyber-Pass 25 Öltank- und Lastwagen der NATO in Flammen auf. Die Nachschubwege werden nach Darstellung von NATO-Offizieren in Kabul der „Schlüssel“ für die weitere Entwicklung des Afghanistan-Konfliktes und für die „NATO als solche“.

    Der Nachschub für Afghanistan sei „mittlerweile in große Gefahr geraten“, unterstrichen Offiziere. Wenn es den Taliban wie in Kundus mit den in Flammen aufgegangenen Benzinlastern gelinge, den Nachschub für die ISAF-Truppen nachhaltig zu stören, sind wir am Ende“, erklärte ein Oberstleutnant der Bundeswehr am Samstag in Kabul.

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