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Wer erschoss Osama bin Laden?

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Wer erschoss Osama bin Laden?

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    Was passierte hinter diesen Mauern? Am 1. Mai 2011 hatte eine US-Spezialeinheit das Anwesen, in dem Osama bin Laden in Pakistan lebte, gestürmt und den El-Kaida-Führer getötet. Der mutmaßliche Todesschütze gibt nun seine Identität preis.
    Was passierte hinter diesen Mauern? Am 1. Mai 2011 hatte eine US-Spezialeinheit das Anwesen, in dem Osama bin Laden in Pakistan lebte, gestürmt und den El-Kaida-Führer getötet. Der mutmaßliche Todesschütze gibt nun seine Identität preis. Foto: ArchivFoto: dpa

    Navy Seals sind zu höchster Diskretion verpflichtet. Die US-Elitesoldaten sollen über ihre Missionen schweigen und darauf verzichten, öffentlich Anerkennung zu suchen. Umso bizarrer mutet ein Streit an, der seit dieser Woche durch amerikanische Medien tobt: Gleich mehrere Kämpfer balgen sich um die Ehre, 2011 den Terrorfürsten Osama bin Laden erschossen zu haben. Die Verlage, denen sie ihre jeweiligen Geschichten erzählt haben, gießen zusätzlich Öl ins Feuer; es geht um ihre Glaubwürdigkeit. Im Pentagon ist man nicht entzückt.

    Groß, athletisch, rotblonde Haare, ein jungenhaftes Gesicht: So sieht er aus, der Mann, der vor dreieinhalb Jahren im pakistanischen Abbottabad den meistgesuchten Mann des Planeten getötet haben will. Gegenüber der „Washington Post“ hat der 38-jährige Robert James O’Neill aus dem US-Bundesstaat Montana Gerüchte bestätigt, die schon seit einigen Tagen im Umlauf waren: Er habe den El-Kaida-Führer getötet. „Ich habe seine letzten Atemzüge gesehen.“

    „Ich dachte nicht, dass ich überleben würde“, berichtet der ehemalige Topsoldat über den nächtlichen Einsatz. Dann sei er der Erste in bin Ladens Schlafzimmer gewesen. Nur dank seiner Nachtsichtbrille habe er etwas erkennen können. Der Gesuchte, der sich stehend mit seiner jüngsten Frau schützte, habe sich bewegt. „In dieser Sekunde habe ich zweimal in seine Stirn geschossen. Bap! Bap!“ Als der Terrorist zu Boden ging, folgte ein dritter Schuss. Von Heroismus will O’Neill nichts wissen: Seine Reaktionen seien aus dem „Muskelgedächtnis“ erfolgt; Ergebnis endlosen Trainings, das 1:1-Modelle des Gebäudekomplexes beinhaltete.

    O’Neill erzählt seine Geschichte nicht zum ersten Mal. 2013 hat das Magazin „Esquire“ seine Darstellung bereits weit ausführlicher abgedruckt; der Soldat wird dort mit dem Pseudonym „Der Schütze“ bezeichnet. O’Neill erklärte damals, bin Laden habe bei der Begegnung nicht nur gestanden, sondern auch eine Schusswaffe in Reichweite gehabt. Schon im Jahr 2013 gab es heftigen Widerspruch aus dem Seal Team 6. CNN zitierte einen Ex-Kollegen, die Beschreibung sei „kompletter Blödsinn“. Nicht nur sollen die einzigen Waffen im Raum erst später gefunden worden sein. Die Schilderung steht auch als Ganzes zu anderen im Widerspruch, unter anderem zum Bestseller eines weiteren Navy Seals.

    In Wirklichkeit waren die Umstände jener Nacht möglicherweise so unübersichtlich, dass nie ganz klar sein wird, wer den tödlichen Schuss abgegeben hat. Einigkeit besteht darin, dass drei Soldaten infrage kommen: Ein namentlich bis heute unbekannter „Point Man“ (Pionier) rannte bei der Erstürmung des ersten Stockwerks voraus und soll bin Laden in den Kopf geschossen haben, als dieser aus dem Schlafzimmer schaute. So schildert es der CNN-Terrorexperte Peter Bergen unter Verweis auf gute Kontakte. Der Schuss habe den El-Kaida-Anführer „tödlich verwundet“ – für O’Neill und die „Washington Post“ ging er daneben.

    Der Point Man habe sich dann über zwei Frauen in der Kammer geworfen, um die Explosion etwaiger Sprengstoffwesten zu dämpfen. Nach ihm kamen zwei weitere Navy Seals in den Schlafraum und erledigten den am Boden liegenden bin Laden mit Schüssen in die Brust. Bei den beiden handelte es sich um O’Neill und Matt Bissonette, einen Kameraden, der 2013 unter dem Pseudonym Mark Owen in seinem Buch „No Easy Day“ ein ähnliches Szenario beschrieben hat. Auch er hat demnach geschossen.

    Bergen betont, dass die ihm bekannten Quellen den Vorgang „weit weniger heroisch“ schildern als O’Neill, der einen stehenden Terrorfürsten getötet haben will. Überdies habe es eine Anweisung gegeben, bin Laden nur im Notfall ins Gesicht zu schießen. CNN zufolge bestätigen US-Militärs eher die Schilderung Bissonettes. Auch die „New York Times“ zitiert „mehrere“ Militärs mit der Einschätzung, es sei der Point Man gewesen, der den entscheidenden Schuss abgegeben habe. Der bleibt nach wie vor anonym.

    O’Neills Identität hätte eigentlich erst in ein paar Tagen gelüftet werden sollen. Der konservative Sender „Fox News“ hatte ein exklusives Interview angekündigt, aber eine Website ehemaliger Spezialkräfte verriet den Namen aus Unmut über die geplante Indiskretion vorab. Am Mittwoch hatte die „Daily Mail“ berichtet, dass O’Neills Vater seinen Sohn als Schützen bestätigt habe. Der 38-Jährige sagte nun der „Washington Post“, er habe selbst über seine Geschichte bestimmen wollen, da sein Name mehr und mehr Journalisten bekannt geworden sei. Die Entscheidung zum Schritt an die Öffentlichkeit will er nach einem Treffen mit Angehörigen von Opfern des 11. Septembers 2001 getroffen haben. „Die Familien sagten mir, es habe ihnen geholfen, eine Art Abschluss zu finden.“

    Nach Bissonettes unautorisierter Buchveröffentlichung nahm das Pentagon Ermittlungen auf, das könnte nun auch O’Neill drohen. „Wir werden juristische Konsequenzen suchen für Mitglieder, die absichtlich das Gesetz verletzen“, hatte der oberste Seal-Kommandeur, Rear Admiral Brian Losey, vergangene Woche noch in einem offenen Brief an aktuelle und ehemalige Kämpfer gewarnt. O’Neill ist ein hochdekorierter Veteran, der in mehrere heikle Spezialmissionen verwickelt war. Unter anderem half er, 2009 den Handelskapitän Richard Phillips aus den Händen somalischer Piraten zu befreien, ein Einsatz, der 2013 als Film mit Tom Hanks in die Kinos kam.

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