Über die fünf Vermissten aus Hessen, die beim Reiseveranstalter „Stewa-Touristik“ aus Kleinostheim (Lkr. Aschaffenburg) ihre Reise auf der gekenterten „Costa Concordia“ gebucht hatten, gibt es keine neuen Informationen. Das sagt der Geschäftsführer von Stewa, Peter Stenger, auf Anfrage dieser Zeitung. Von den 55 Menschen, die bei dem Kleinostheimer Unternehmen ihre Fahrt auf der „Costa Concordia“ gebucht hatten, sind somit weiterhin fünf vermisst: Ein 71 und 72 Jahre altes Ehepaar aus Mühlheim, zwei 70 und 78 Jahre alte Schwestern aus Offenbach und ein 74 Jahre alter Mann aus Maintal.
Wie am Mittwoch bekannt wurde, ist Concordia-Passagierin Waltraud H. aus Maintal am Tag nach dem Unglück von der Reederei fälschlicherweise informiert worden, dass ihr Mann, der unter den Vermissten von „Stewa“ ist, noch am Leben sei. Am nächsten Tag habe die Reederei noch einmal angerufen und gesagt, ihre erste Auskunft sei leider falsch gewesen, sagte die 65-Jährige der Zeitschrift „Bunte“. Seitdem habe sie nichts mehr über den Verbleib ihres Mannes gehört. Sie selbst habe bei dem Unglück mit letzter Kraft eine Wand hochklettern und sich so retten können, wobei sie jedoch ihren Mann aus den Augen verlor.
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Ein Concordia-Passagier aus der Nähe von Leipzig hat womöglich mit eigenen Augen gesehen, was mit den beiden vermissten Schwestern aus Offenbach geschehen ist. Der 38-jährige Matthias Hanke hat der „Leipziger Volkszeitung“ geschildert, wie er das Unglück erlebte. Als ihm und einem Bekannten nach dem zweiten Ruck, der durch das Schiff ging, der Ernst der Lage klar geworden sei, wollten sie sich in Rettungsboote flüchten. Dies sei jedoch unmöglich gewesen. „Es war dramatisch. Frauen und Kinder wurden dort weggeschubst. Wir standen ganz hinten und hatten keine Chance“, sagte er.
Die beiden Männer seien daraufhin zur anderen, nach oben gerichteten Seite des Schiffs geeilt, wo die Rettungsinseln herabgelassen wurden. Ein Platz sei ihnen jedoch verwehrt worden. „Man sagte uns, die Inseln seien nur für die Crew und wir müssten zur anderen Seite des Schiffes gehen“, so der 38-Jährige. Auf dem Weg dorthin trafen die beiden Freunde offenbar die beiden nun vermissten Damen aus Offenbach. Hanke: „Das Schiff war da aber schon so weit zur Seite gekippt, dass man nicht mehr laufen konnte. Überall war Wasser und Zerstörung. Es war bloß noch Panik.“
Dann ist offenbar Furchtbares passiert: Die Tür eines teilweise mit Wasser gefüllten Fahrstuhlschachts, an dem die beiden älteren Frauen lehnten, sei plötzlich nach innen aufgebrochen und habe sie in die Tiefe gerissen. „Alles was ich noch hörte, war ein kurzer spitzer Schrei. Ich weiß nicht, ob sie überlebt haben“, wird Hanke zitiert. Der 38-Jährige und sein Bekannter haben die beiden Frauen womöglich als Letzte lebend gesehen. Hanke selbst konnte sich irgendwo festhalten und so dem Sog im Aufzugsschacht entkommen, doch das aufsteigende Wasser riss ihn mit, trennte ihn von seinem Freund. Ganz allein habe er sich im Atrium wiedergefunden, wo er schwimmend und tauchend verzweifelt um sein Leben kämpfen musste. Drei Crew-Mitglieder hätten ihm schließlich das Leben gerettet.
Bei „Stewa-Touristik“ in Kleinostheim muss Geschäftsführer Stenger ein Interview nach dem anderen geben. „Wir haben eine Zwei-Mann-Abteilung ,Krisenstab‘ eingerichtet, die sich ausschließlich mit den betroffenen Gästen der Havarie befasst“, so Stenger. Über 400 Gäste, die bereits eine Kreuzfahrt auf dem Unglücksschiff gebucht hatten, müssen oder mussten umgebucht werden. Bislang habe man ein Drittel der Gäste umbuchen können, sagt Stenger, ein Drittel habe storniert oder eine andere Reiseart ausgewählt. Das letzte Drittel sei noch offen. „Mit der ,Ersatzbeschaffung‘ ist es nicht so einfach. Es gibt momentan keinen gleichwertigen Ersatz.“ Mitanbieter, die das gleiche Reiseziel anbieten, seien größtenteils ausgebucht. Das Unternehmen könne durch den Aufwand normale Buchungseingänge nur zeitverzögert bearbeiten. Zwar habe man bei „Stewa“ die Werbung für Kreuzfahrten eingestellt, aber das Unglück habe „kaum Auswirkungen“ auf neue Buchungen. Nur „etwas verhaltener“ laufe es.
Zu den direkten wirtschaftlichen Auswirkungen aufgrund der Havarie der „Costa Concordia“ sagt Stenger: „Stewa ist haftpflichtversichert. Alle Ansprüche und Schadenersatzforderungen der betroffenen Gäste leiten wir mit deren Einverständnis an Costa zur direkten Regulierung weiter.“ Dazu gebe es eine Vereinbarung zwischen dem Kleinostheimer Reiseveranstalter und der Reederei Costa.
Noch Überlebende zu finden, käme nach Einschätzung des Krisenstabs einem Wunder gleich. Bislang wurden 16 Leichen geborgen, etwa 20 Menschen werden noch vermisst.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist ein weiteres deutsches Todesopfer identifiziert worden. Bereits am Wochenende hatten italienische Behörden ein deutsches Todesopfer gemeldet. Die Zahl der vermissten Deutschen liege nun bei zehn. Zur Herkunft der Opfer machte das Ministerium keine Angaben.