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MÜNCHEN: Zugunglück in Bad Aibling: Ursache gibt Rätsel auf

MÜNCHEN

Zugunglück in Bad Aibling: Ursache gibt Rätsel auf

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    Noch Stunden nach dem Aufprall waren Rettungskräfte im unwegsamen Gelände des Unfallortes im Einsatz. Der Abschnitt auf der Bahnstrecke Rosenheim–Holzkirchen verläuft am Mangfall-Kanal entlang, auf der anderen Seite säumt Mischwald das Gleis.
    Noch Stunden nach dem Aufprall waren Rettungskräfte im unwegsamen Gelände des Unfallortes im Einsatz. Der Abschnitt auf der Bahnstrecke Rosenheim–Holzkirchen verläuft am Mangfall-Kanal entlang, auf der anderen Seite säumt Mischwald das Gleis. Foto: Foto: Reisner, dpa

    Bei dem Zugunglück in Bad Aibling sind zwei Regionalzüge auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim frontal zusammengestoßen. Die Strecke ist für eine Geschwindigkeit von bis zu 120 Stundenkilometer ausgelegt und wie alle Strecken des deutschen Schienennetzes mit einer Punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB 90) ausgerüstet. Überfährt ein Zug ein Signal, das Halt anzeigt, sorgt dieses dafür, dass er automatisch gebremst wird. Das System sei auf der Unfallstrecke vor etwa einer Woche überprüft worden, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn. Wie es trotzdem dazu kommen konnte, dass zwei Züge auf eingleisiger Strecke in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind, ist unklar.

    Warum haben sich die Züge getroffen?

    Laut dem Fahrplan hätten die beiden Züge in Kolbermoor – nur wenige Kilometer vom Unglücksort entfernt – aufeinandertreffen sollen. Dort wartet normalerweise der eine Zug auf einem anderen Gleis, bis der entgegenkommende den Bahnhof passiert hat. Weshalb einer der Züge zur falschen Zeit auf der eingleisigen Strecke unterwegs war, ist noch unklar.

    Gibt es keine Technik, die ein Zusammentreffen von zwei Zügen verhindert?

    Doch. Und die ist auch auf der insgesamt 37 Kilometer langen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim installiert. Das Zugsicherungssystem PZB (Punktförmige Zugbeeinflussung) hat die Bahn auf den meisten ihrer eingleisigen Strecken installiert, nachdem es dort in der Vergangenheit öfter zu Problemen kam. Nach Informationen der Bahn ist das Gleisnetz zu über 96 Prozent mit einer PZB ausgestattet.

    Wie funktioniert das Sicherungssystem PZB?

    An der Strecke werden im Gleisbett Magnete verlegt. Sie sind mit dem Hauptsignal und den Vorsignalen an der Bahnstrecke verbunden. Die zeigen an, ob ein Zug fahren darf oder nicht. Steht eines dieser Signale auf Rot, während der Zug vorbeifährt, bremst die Technik automatisch ab. Fährt ein Zug an einer bestimmten Stelle zu schnell, greift die PZB ebenfalls ein und bremst. Bisher habe es mit der Technik noch nirgends Probleme gegeben, teilt ein Sprecher der Bahn mit. Auch dem Bahnexperten Prof. Edmund Mühlhans ist kein Fall bekannt, in dem die PZB versagt hätte. „Es ist ein sehr modernes System“, sagt der ehemalige Fachgebietsleiter für Bahnsysteme an der TU Darmstadt. Allerdings sei es dem Zugführer möglich, die Geschwindigkeitsverringerung mit einer Befehlstaste zu unterdrücken.

    War es also menschliches Versagen?

    Laut Mühlhans ist dies zumindest nicht unwahrscheinlich. Der Experte meint: „Es ist technisch völlig ausgeschlossen, dass beide Züge gleichzeitig grünes Licht hatten.“ Bei einer Störung der Signalanlagen würde in beiden Richtungen automatisch rotes Licht gezeigt. Hier sieht der Experte eine weitere mögliche Fehlerquelle. „Liegt eine Störung vor, kann vom Fahrdienstleiter ein Ersatzsignal eingeschaltet werden.“ Dies zeige dem Zugführer zwar an, dass eine Störung vorliegt, er aber weiterfahren kann. „Bevor so etwas passiert, muss man natürlich Rücksprache halten“, sagt Mühlhans. Es sei seiner Meinung nach möglich, dass der in Kolbermoor wartende Zug fälschlicherweise das Signal zum Losfahren bekommen hat. „Wenn es so war, lässt es sich leicht überprüfen. Das wird alles aufgezeichnet“, sagt der Bahnexperte.

    Welche Rolle spielt beim Bremsen der Streusand an den Zugrädern?

    In der Vergangenheit hat es auf eingleisigen Streckenabschnitten immer wieder Probleme mit dem Streusand gegeben, der beim Bremsen als Unterstützung eingesetzt werden kann. Deshalb darf dieser nur im Notfall angewendet werden. Nach Erkenntnissen des Eisenbahn-Bundesamts kann durch den Sand eine Isolationswirkung zwischen Schiene und Radsatz einsetzen. Die Folge: Das Gleis wird als „nicht besetzt“ gemeldet. Setzt ein Zugführer den Sand ein, müsse dies dem Fahrdienstleiter gemeldet werden.

    Wie kann man herausfinden, was gestern bei Bad Aibling passiert ist?

    In den Zügen gibt es – ähnlich wie im Flugzeug – drei Blackboxen. Diese dokumentieren den Geschwindigkeitsverlauf der Züge, alle Handlungen des Zugführers und die Kommunikation zwischen Zug und Strecke. Ob diese auch Tonaufnahmen beinhalten, wollte die Bayerische Oberlandbahn nicht sagen. Kriminalpolizei und Staatsanwalt sind schon dabei, den Inhalt dieser Art Fahrtenschreiber zu analysieren.

    Wie viele Strecken sind noch eingleisig?

    In Bayern relativ viele, vor allem auf Nebenlinien. 3000 Streckenkilometer verlaufen eingleisig, das sind 50 Prozent des bayerischen Bahnnetzes. Auch in der Region sind zahlreiche Strecken laut dem Fahrgastverband ProBahn eingleisig. Beispielsweise zwischen Ingolstadt und Augsburg. Die Lechfeld- und die Ammerseebahn fahren ebenfalls auf einem Gleis, genau wie der Zug von Günzburg nach Mindelheim, die Bahn von Ulm nach Kempten.

    Sind eingleisige Strecken gefährlicher als zweigleisige?

    Experte Mühlhans sagt: Nein. Auf eingleisigen Strecken sei die Zugdichte meist geringer, weshalb die technischen Ausstattungen dort früher nur dürftig waren. Mittlerweile sei dies kein Problem mehr.

    Die Züge gehören einem privaten Unternehmen. Sind die genauso sicher wie die der Deutschen Bahn?

    Das Personal und die Ausstattung der privaten Anbieter unterliege den gleichen Vorschriften wie die Deutsche Bahn. „Es gibt bei diesen Betreibern nicht mehr Unfälle“, sagt Experte Mühlhans.

    Die Mangfalltalbahn

    Die eingleisige Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim, auf der sich das Zugunglück ereignet hat, nennt sich Mangfalltalbahn. Ihre Geschichte reicht weit zurück: Im Jahr 1840 wurde begonnen, die Maximiliansbahn von München nach Salzburg zu planen – die Mangfalltal-Linie war ein Abschnitt davon. Die damalige Generalverwaltung der königlichen Eisenbahnen hatten der Internetseite der Mangfalltalbahn zufolge vor, die Strecke komplett zweigleisig zu gestalten. Tatsächlich ausgebaut wurde dann allerdings nur der Abschnitt zwischen München und Holzkirchen, der Abschnitt von Holzkirchen bis Rosenheim ist bis heute eingleisig geblieben.

    Die Mangfalltalbahn ist ein Zug der Marke Meridian. Diese wird von der Bayerischen Oberlandbahn GmbH (BOB) betrieben, die ein Tochterunternehmen der Transdev GmbH ist.

    Der Mutterkonzern Transdev ist ein französischer Mobilitätsdienstleister. Ein Vorläufer des Unternehmens mit Sitz in Issy-les-Moulineaux bei Paris existiert bereits seit 1989. In seiner heutigen Form entstand es aber erst 2011 durch eine Fusion mit der Transsport-Sparte des Veolia-Konzerns, Veolia Transport. Bis 2013 hieß das Unternehmen Veolia Transdev. Weltweit beschäftigt es rund 83 000 Mitarbeiter in mehr als 20 Ländern.

    Als privater Anbieter ist Transdev mit mehr als 5000 Mitarbeitern und einem Umsatz von knapp 850 Millionen Euro auch in Deutschland vertreten – zum Beispiel durch die Bayerische Oberlandbahn. Diese deckt insgesamt eine Strecke von 120 Kilometern ab, unter anderem bis in die Urlaubsorte Lenggries und Bayrischzell. Die Marke Meridian kam im Dezember 2013 nach einem Fahrplanwechsel ins Spiel: Seitdem betreibt die BOB unter dem Namen Meridian die Strecken von München nach Salzburg und Kufstein sowie von München über Holzkirchen nach Rosenheim. Laut Webseite der Muttergesellschaft Transdev fahren bei Meridian „35 hochmoderne, elektronische Triebzüge der Fahrzeugfamilie Flirt vom Hersteller Stadler aus Berlin-Pankow“.

    Die Schienenstrecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim gehört zur Deutschen Bahn, ebenso wie das Stellwerk in Bad Aibling. Die Streckennetze der Bayerischen Oberlandbahn konzentrieren sich auf den Bereich südöstlich von München.  

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