Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten
Finanzen
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG/KARLSRUHE: Versicherungen zocken heimlich ab

WÜRZBURG/KARLSRUHE

Versicherungen zocken heimlich ab

    • |
    • |

    „Unsere Mandanten fühlen sich abgezockt“, sagt der Würzburger Anwalt Dr. Alexander Lang. Der Knackpunkt: Viele Versicherungen werden nicht jährlich bezahlt. Wer nur ein kleines Einkommen bezieht, nutzt gerne die Chance, halb- oder vierteljährliche Raten zu zahlen – oder sogar monatlich. Dafür verlangen viele Versicherungen einen Aufschlag, „ohne Kunden konkret zu sagen, wie hoch die sind“, sagt Langs Kollege Eren Basar aus der Kanzlei Steinbock, Rudolf und Partner. Sie vertritt bereits 20 Mandanten aus Unterfranken, wie Lang auf Anfrage bestätigt.

    Erst beim Nachrechnen erfahren viele Versicherungsnehmer, dass die monatliche Zahlung sie oft weit mehr kostet als die im Vertrag stehenden fünf oder die gesetzlich vorgesehenen vier Prozent Aufschlag. Effektiv sind es bis zu 11,35 Prozent. „Das sind für viele Kunden 200 bis 400 Euro pro Jahr,“ sagen die Anwälte. Solche Kunden haben nun gute Aussichten, ihr Geld zurückbekommen, wenn die Versicherung die wahre Höhe der Zinsen verschwiegen oder verschleiert hat. Ein Kunde klagte am Landgericht Bamberg (Aktenzeichen 2 O 764/04) und bekam Recht: „Das Urteil sagt klar, dass die Versicherungen bei Verbraucherkrediten – um nichts anderes handelt es sich – in Verträgen die effektiven Jahreszinsen angeben müssen,“ erklärt Lang.

    In zweiter Instanz gab das Oberlandesgericht zwar der Versicherung recht (Az.: 3 U 35/06). Aber nun zog der Bundesverband der Verbraucherzentralen für den Kunden vor den Bundesgerichtshof. Dort ließen die Richter bei der Verhandlung erkennen, dass sie zu Gunsten des Kunden entscheiden wollten. Da betrieb die Versicherung Schadensbegrenzung: Flugs erkannte sie das Urteil des Landgerichts zugunsten des Kunden an – und verhinderte in letzter Minute mit dem „Anerkenntnisurteil“, dass sich der BGH selbst in einem Urteil zur Sache äußerte.

    „Das Urteil trifft – außer auf Krankenversicherungen – auf alle Versicherungssparten zu, die in Raten gezahlt werden, zum Beispiel Kfz, Riester oder Berufsunfähigkeit, allerdings nur für Verträge von über 200 Euro Jahresprämie,“ befand vor kurzem das Fernseh-Magazin „Plusminus“. Nun fürchten Versicherungen, dass Millionenforderungen auf sie zukommen, sobald die Entscheidung weithin bekannt wird. Einige haben stillschweigend nach dem Urteil ihre Informationen für die Verbraucher angepasst. „Andere versuchen, die Entscheidung als harmlos darzustellen,“ sagt Anwalt Lang. So etwa eine namhafte Versicherung, deren interne Regelung unserer Redaktion vorliegt. In dem Schreiben versichert sie, dass vom Urteil nur der verklagte Mitbewerber betroffen und „eine höchstrichterliche Entscheidung in der Sache nicht ergangen“ sei. Ganz am Ende des Schreibens knickt man dann aber ein: „Um der Gefahr von Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, werden wir kurzfristig den effektiven Jahreszins ins unseren Druckstücken ausweisen.“

    Wieder andere ignorieren – mit dem Gesamtverband der deutschen Versicherer GDV im Rücken – die Entscheidung völlig. „In diesen Fällen müssen wir eben die Gerichte entscheiden lassen,“ sagt Lang – und reicht die erste Klage am Landgericht Würzburg ein. Bitter ist das Urteil aus Bamberg für die Versicherer aus einem zweiten Grund: Sie hätten ihre Kunden bei Ratenzahlung angemessen und schriftlich darüber belehren müssen, dass sie in solchen Fällen ein Widerrufsrecht haben. Das geschah häufig nicht – mit weitreichenden Folgen, wie Anwalt Lang weiß: „Ohne Widerrufsbelehrung kann man einen solchen Vertrag widerrufen und seine gezahlten Prämien zurückverlangen.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden