Vier Geschichts- und Erinnerungstafeln geben jetzt Besucherinnen und Besuchern der Kriegsgräberstätte auf dem Würzburger Hauptfriedhof grundlegende Informationen über diese Ruhestätte und informieren über einzelne, hier begrabene Opfer des Ersten und des Zweiten Weltkrieges. Die Tafeln entstanden in Zusammenarbeit zwischen dem unterfränkischen Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) und dem Friedrich-Koenig-Gymnasium (FKG) Würzburg.
Folgende Informationen sind einer Pressemitteilung des VDK entnommen: Die offizielle Übergabe erfolgte in einer Gedenkstunde anlässlich des 80. Jahrestags des Kriegsendes 1945. VDK-Bezirksvorsitzende und Regierungspräsidentin Susanne Weizendörfer würdigte dabei das Engagement der an dem Projekt beteiligten Schülerinnen und Schüler.
Gleichzeitig spannte sie den Bogen zur erinnerungskulturellen Bedeutung des 8. Mai 1945 in der heutigen Gesellschaft und in einer von Populismus und nationalistischem Egoismus sowie den Kriegen in der Ukraine und dem Nahen Osten geprägten Zeit.
Der 8. Mai erinnere nicht nur an die schrecklichen Dimensionen des Zweiten Weltkriegs, sondern auch an die großen Leistungen der Versöhnung und Zusammenarbeit ehemals verfeindeter Völker.

In einem Grußwort dankte Würzburgs dritte Bürgermeisterin Judith Roth-Jörg den teilnehmenden Schülerinnen und Schülern für ihr Engagement und dem Volksbund für die Initiative, die Geschichts- und Erinnerungstafeln aufzustellen.
Einen von drei Preisen gewonnen
Vom Herbst 2022 bis Januar 2024 recherchierten zehn Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums mit Unterstützung des VDK Biografien einzelner Kriegstoter. Das P-Seminar „Im stillen Gedenken? Auf den Spuren Würzburger Kriegsgräberstätten“ gewann im Frühjahr 2024 einen der drei unterfränkischen P-Seminarpreise.
Studiendirektorin Doris Winter, die das Seminar geleitet hatte, führte den Gästen anschaulich vor Augen, wie facettenreich die Recherchearbeit ihrer Schülerinnen und Schüler war. Tatsächlich sammelten die Schüler eine Vielzahl von Informationen und verfolgten Spuren, die bis nach Amerika führten.
Auf einer Internetseite für Ahnenforschung stießen die Schülerinnen und Schüler auf einen US-Amerikaner, der Informationen zu seinem lettischen Urgroßvater suchte. Seine noch lebende Großmutter hatte ihren Vater als Dreijährige letztmals gesehen. Gemeinsam mit ihrer Mutter war sie als Displaced Person nach dem Krieg nach Amerika ausgewandert. Angesichts des Hinweises, dass sein Vorfahre auf der Würzburger Kriegsgräberstätte begraben ist, reiste der Urgroßenkel nach Würzburg, um das Grab zu besuchen.
Vom Einzelschicksal angesprochen
„Sollten Schüler sich mit den Biografien von sogenannten ,Helden‘“, Tätern und Opfern beschäftigen und Orte wie diese Kriegsgräberstätte besuchen? Die Antwort ist für mich eindeutig ja. Die Lebensgeschichten hier zeigen, wie grausam und zerstörerisch Krieg ist. Die Schüler werden angesprochen vom Einzelschicksal.“
Von Anfang an verfolgte das gemeinsame Projekt des Volksbundes und des Gymnasiums das Anliegen, über das Seminar hinaus einen dauerhaften Beitrag zur Erinnerungskultur in Würzburg zu leisten. VDK-Bezirksgeschäftsführer Oliver Bauer: „Kriegsgräberstätten sind nicht nur Orte der Erinnerung, sondern auch Orte des Lernens und Verstehens. Nur noch wenige Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges sind in der Lage, ihre Erlebnisse mitzuteilen. Das Seminar hat die stummen Gräber mit konkreten Lebensgeschichten in Verbindung gebracht. Das ist ein echter erinnerungskultureller Baustein und erschließt auch unbefangenen Besuchern diesen Ort.“
Die Opfer des Spartakus-Aufstands
Tatsächlich finden sich auf den Informationstafeln biografische Hinweise zu einfachen Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie über Opfer des Spartakus-Aufstands im Würzburg im April 1919, bei dessen Niederschlagung unter anderem zwei junge Offiziere starben. Sie hatten vier Jahre den erbarmungslosen Stellungskrieg im Ersten Weltkrieg überlebt und kamen im kurzen Kampf gegen den kommunistischen Putschversuch in Würzburg ums Leben.
Bemerkenswert ist auch die Geschichte der Französin Georgette Barbey, die namenlos auf der Kriegsgräberstätte im Hauptfriedhof begraben ist. Georgette Barbey, ihre Tochter, die mit einem Würzburger verheiratet war, und die beiden Enkelkinder kamen bei der Bombardierung Würzburgs am 16. März 1945 ums Leben. Die deutsch-französische Familiengeschichte offenbart neben großer Tragik auch die schweren Lebensumstände mit Denunziation, Bespitzelung und Anzeigen.
Auch kontroverse Biografien wie des Wehrmachtsgenerals Friedrich Maximilian Siebert und eines aus Würzburg stammenden SS-Oberführers, der tief in der nationalsozialistischen Führungselite verstrickt war, arbeiteten die Schülerinnen und Schüler während des Projekts auf. „Die Geschichts- und Erinnerungstafeln bieten einen sehr breiten Überblick und ermöglichen es, sich differenziert mit den Schicksalen auseinanderzusetzen“, sagt Oliver Bauer.
Die ersten dieser Art in Unterfranken
Die Tafeln und ihre Aufstellung wurde von der Stiftung der Sparkasse Mainfranken finanziell unterstützt. Sie sind die ersten dieser Art in Unterfranken. Die Kriegsgräberstätte im Würzburger Hauptfriedhof wurde bereits während des Ersten Weltkriegs angelegt. 1951/1952 wurde sie vom Volksbund neu gestaltet.
Seinerzeit wurden Kriegstote aus Feldgräbern und von dörflichen Friedhöfen nach Würzburger umgebettet, sodass mehr als 1800 Kriegstote, darunter 183 Opfer des großen Luftangriffs auf Würzburg am 16. März 1945, hier ihre letzte Ruhestätte haben.
Seit 1954 befindet sich die Ruhestätte in der Obhut der Stadt Würzburg. (gh)
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